Unterwegs in Israel: Die Waffe als Handtasche

Unterwegs in Israel: Die Waffe als Handtasche

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Wer den Fehler macht an einem Freitag Nachmittag nach Israel zu reisen, genießt zwar ein halb leeres Flugzeug nach Tel-Aviv, muss nach der Ankunft in Jerusalem aber sehr schnell feststellen, dass der Shabbat, ein kollektiver Ruhetag, auch tatsächlich eingehalten wird. Supermärkte, Restaurants, Bars haben geschlossen. Nichts geht. Samstag Abend, ab etwa 19 Uhr 30 erwacht Jerusalem wieder zum Leben. Studenten treffen einander auf ein völlig überteuertes Bier (etwa 6 bis 7 Euro für ein großes Bier), Restaurants offenbaren die Vielfalt der israelischen Küche, die Straßen füllen sich mit Menschen.

In der Bibliothek scheint es niemanden sonderlich zu überraschen, dass der Kellner der Caféteria immer eine Pistole bei sich trägt.

Tagsüber wirkt die Stadt auf den ersten Blick wie jede andere Großstadt: Studenten, Großfamilien und vor allem Touristen bevölkern Jerusalems Straßen. Von der (aktuellen) Sicherheitslage in Israel, den ständigen Unruhen im Gazastreifen, ist fast nichts zu bemerken. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich die angespannte politische Lage Israels dann selbst an den ungewöhnlichsten Orten, wie der israelischen Nationalbibliothek (NLI): Um den Campus Giv'at Ram, auf dem sich die NLI befindet, betreten zu können, muss jeder Besucher durch eine Sicherheitskontrolle, die stark an jene auf Flughäfen erinnert. Ausweise werden verlangt und Taschen kontrolliert.

In der Bibliothek scheint es niemanden sonderlich zu überraschen, dass der Kellner der Caféteria immer eine Pistole bei sich trägt. Auch einige männliche Bibliotheksbesucher tragen ihre Waffe, leger in den Hosenbund gesteckt, bei sich. In Israel ist es ehemaligem Sicherheitspersonal, wie auch den Bewohnern der Siedlungsgebiete, gestattet eine Waffe zu besitzen. Wer eine Waffe besitzt muss diese immer bei sich tragen. „Die Waffe wird zur Handtasche“, sagt ein Bibliotheksmitarbeiter.

Der Wirklichkeit des israelisch-palästinensichen Konflikts entkommt man dennoch nicht.

Die zahlreichen Cafés und Parks in Jerusalem laden zum Entspannen in der Sonne ein und lassen den Touristen fast vergessen, dass die Lage, besonders im Gazastreifen, alles andere als entspannt ist. Verlässt man die scheinbare städtische Sicherheitsblase Richtung Süden, erreicht man etwa anderthalb Autostunden südlich von Tel-Aviv mitten in der Wüste ein Blumenfeld. Den etwa 3km entfernten Gazastreifen im Rücken, leuchten die Farben der Blumen im Licht der untergehenden Sonne umso kräftiger. Trotz der Idylle im Blumenfeld, kann die politische Realität Israels hier nicht ausgeblendet werden: Der Sonnenuntergang wird von hörbaren Explosionen im Gazastreifen begleitet. Die Bewohner des umliegenden Landes scherzen, dass aktuell keine „Bombing-Season“ sei, die Gefährdung somit zumindest auf israelischer Seite gering. Der Wirklichkeit des israelisch-palästinensichen Konflikts entkommt man dennoch nicht. Beim Verlassen des Blumenfelds ist aus dem nahegelegenen Gazastreifen der Ruf des Muezzin zu hören.