Elfriede Hammerl wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet

Laudatio: Christa Zöchling über das Lebenswerk von Elfriede Hammerl

Laudatio von Christa Zöchling auf Elfriede Hammerl, die den Sinn und die Sinne schärft für Machtverhältnisse und biederen Hintersinn.

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Liebe Festgäste. Ich habe die Ehre. Elfriede Hammerl ist einzigartig. Nicht in dem Sinn, in dem jeder Mensch einzigartig zu nennen wäre, sondern als Zeitzeugin, als Journalistin, als Schriftstellerin.

Schon die Umstände, unter denen sie das Licht der Welt erblickte: in einem Dorf in der Steiermark, das ihr zeitlebens fremd geblieben ist. Fremd bleiben musste. Die Mutter, hochschwanger, weit weg von Wien, die Wehen setzen ein, auf dem Transport in ein Lazarett - die Niederkunft. Es sind die letzten Tage des Krieges, die Stunden, in denen Adolf Hitler im Führerbunker in Berlin sich selbst und Eva Braun erschießt. Und in Prebensdorf nimmt ein unbekannter junger Soldat, der nicht weiß, was ihm blüht, der nur weiß, dass er auf Befehl weiterkämpfen soll, das Neugeborene auf den Arm und weint bitterlich. Eine Zeitenwende. Ein Neubeginn.

Elfriede Hammerls weiteres Leben verlief dann nicht mehr so dramatisch. Sie wohnt heute in Gumpoldskirchen. Sie sagt, sie mag das Landleben eigentlich nicht so sehr. Daheim fühle sie sich in der Stadt. Sie ist ja auch in Wien aufgewachsen - aber vielleicht braucht sie Gumpoldskirchen, um dem Leben dramatische Seiten abzugewinnen.

Weil sich in dieser Heurigen- und Villengegend Oben und Unten schärfer konturieren, vor allem dann, wenn Träume zerplatzen.

Weil eine Alleinerzieherin, als die sie im Jahr 1982 dorthin zog, doch irgendwie Anstoß erregte.

Und weil sie das alles ohnehin aus ihrer Kindheit kennt: die Enge einer Wiener Bassena, aber auch das Gymnasium im Achten und die Freundinnen aus dem Ersten.

Als ob ein geheimer Algorithmus in ihr eingeschrieben wäre, kreist ihr Schreiben um die Frauen in unserer Welt. Da treten auf: Mütter, Töchter, Omas, Schwiegermütter, Geliebte, Supermarktkassiererinnen, Promifrauen, Putzfrauen, reiche Frauen, arme Frauen, dumme Frauen, kluge Frauen, und natürlich die dazugehörigen Männer. Es ist ein vielstimmiger Chor, in Tausenden Kolumnen, in Kurzgeschichten, Theaterstücken, Romanen. In den 1970er-Jahren im "Kurier“, wo es Ärger gab, weil sie für die Fristenlösung eintrat und die Blattlinie dagegenhielt. Später im "Stern“ und in einer ganzen Reihe deutscher Hochglanzgazetten. Seit 33 Jahren ist Elfriede Hammerl Kolumnistin des profil, worauf wir sehr stolz sind.

Elfriede Hammerl war 19 Jahre alt, als sie in die Redaktion des "Neuen Österreich“ marschierte und sagte: "Grüß Gott, ich würde gern für Sie schreiben.“ Das war im Jahr 1964. Da hat niemand vorher angerufen und sie empfohlen. Und sie war gut. So gut, dass man ihr einen Sondervertrag gab und einen Job, der sich vereinbaren ließ mit den Vorlesungszeiten an der Universität. Ihr Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik hat sie nie abgeschlossen, der Professorinnentitel wurde ihr aufgrund ihrer Verdienste verliehen.

Elfriede Hammerl hat eine große Gabe. Aus den unterschiedlichen Welten, aus dem gespaltenen Habitus wie Pierre Bourdieu gesagt hätte, entsteigt ihren Texten nicht Melancholie, sondern Witz.

Das "Neue Österreich“ wurde 1969 eingestellt. Es gab dann ein kurzes Zwischenspiel im ORF. In einer Redaktion, in der sie die erste Frau war, die nicht Sekretärin war.

Elfriede Hammerl hat in unserem Beruf die Geringschätzung von Frauen erlebt, das herablassende Taxieren, sexuelle Übergriffe, Chefredakteure, die sie konsequent mit "Mädchen“ anredeten, während die jungen Kollegen niemals "Burschi“ genannt wurden. Sie hat aber auch solidarische Männer erlebt und unsolidarische Frauen.

Aber Elfriede Hammerl hat eine große Gabe. Aus den unterschiedlichen Welten, aus dem gespaltenen Habitus wie Pierre Bourdieu gesagt hätte, entsteigt ihren Texten nicht Melancholie, sondern Witz.

"Mich fasziniert“, schreibt sie, "mit welcher Kühnheit Frauenfeindliches als ‚feministisch‘ ausgegeben wird. (…) Jede Frau, die keine graue Hausmaus ist, gilt mittlerweile als ‚Emanze‘. - Jeder Film, jedes Fernsehspiel, jeder Roman, der nicht von Frauen handelt, die graue Hausmäuse sind, gilt gleich als feministisches Werk.“

"In den Medien triumphierten alte Klischees: Es wird suggeriert, es gebe zwei Arten von Emanzipation: a) eine segensreiche, vom Patriarchat gesponserte Entwicklung der grauen Hausmaus zum bunten, aber pflegeleichten Paradiesvogel, sprich: zur Frau, die nicht vergisst, das Selbstverdiente auch in schwarze Strapse zu investieren, und b) eine unselige Terrorbewegung frustrierter - und Egoistinnen.“

Oder: Die Stimme eines Chefredakteurs: "In Wahrheit ist der Feminismus out. Kalter Kaffee. Ich kenne schließlich genug Frauen. Keine Frau, auf die ich scharf bin, ist scharf auf den Feminismus. Lauter sexy Mädels.“

Oder: Hugo. "Hugo dagegen. Hugo ist einer von uns. Nein wirklich. Hugo findet es ganz wichtig, dass Frauen sich endlich befreien. Hugo besitzt nicht und will nicht besessen werden. (…) Eine echte Pest in unserer Zeit ist nach Hugos Meinung der übertriebene berufliche Ehrgeiz, der uns alle auffrisst. Der Erfolgszwang. Hugo mahnt alle seine Freundinnen, leiserzutreten. Warum Überstunden machen, wenn man sich doch auch um Hugo kümmern kann.“

Oder die Stimme einer Frau: "Emanze bin ich aber wirklich keine. Kicher. Kicher. Kicher. - Na, weil die alle hässlich sind. Die Emanzen sind frustriert, ich bin nicht frustriert. Die Emanzen sind so aggressiv. Ich kämpfe lieber mit den Waffen der Frau, schmunzel, schmunzel.“

Wieder die Stimme einer Frau: "Ich bin im Beruf nie benachteiligt worden. Ich habe Pflichtschule, Handelsschule und arbeite heute als Schreibkraft in einer Anwaltskanzlei.“

Hammerl hat ein feines Gefühl für Diskriminierungen, die sich in der Sprache offenbaren.

Die Frau eines Politikers, Ex-Frau: "Ich glaube, man muss einfach machen, was man möchte. Nicht immer jammern: Das geht nicht und das nicht. Also, wenn ich höre, dass Frauen sagen, irgendwelche Sachzwänge verhinderten ihre Entwicklung - dann halte ich das für eine Ausrede.“ Und was sagt Hammerl? "Genau, es gibt keine Sachzwänge. Bewundernswert, wie diese Menschen auf den vorderen Plätzen immer zum Kern der Sache vorstoßen. - Nehmen wir dagegen die Kassiererin aus dem Supermarkt: Das ist eine Person, die sich selbst im Wege steht, weil sie an Sachzwänge glaubt.“

Eine Zeitungsmeldung: "Immer mehr Pfarrer müssen ‚aus der Dose‘ leben, weil sich immer weniger Pfarrersköchinnen finden, die einen geistlichen Herrn Tag und Nacht umsorgen mögen.“ Hammerl kommentiert: "Müssten sich auch berufstätige Frauen selber was kochen, wäre das sicher längst in der Zeitung gestanden!“

Hammerl hat ein feines Gefühl für Diskriminierungen, die sich in der Sprache offenbaren: Eine ganze Kolumne hat sie dem landläufigen Spruch gewidmet: "Für das Geld mach ich das nicht. Da kriegt doch jede Putzfrau mehr.“ - Aufgefallen ist ihr auch eine Richterin, die sich über die "Verkindergärtnerung“ ihres Berufsstands beschwert. Denn wenn immer mehr Frauen kommen, bedeutet das immer weniger Sozialprestige.

Hammerl schreibt gern. Das merkt man. Und sie schreibt pointiert. Anekdoten, die ein Auflachen provozieren - und in diesen eine Erleichterung stattfinden lassen durch den zuvor produzierten Spannungsbogen der Widersprüche, die Wohlbefinden, Fairness und etablierte Gutbürgerlichkeit vorgeben und dabei biederen Hintersinn bis zur paternalistischen, wenn auch unbewussten Hinterfotzigkeit tarnen. Dagegen schärft Hammerl den Sinn und die Sinne.

Sie findet es "ärgerlich, dass sich genau die Gruppierungen, die normalerweise nichts mit Gleichstellung am Hut haben, plötzlich zu Bewahrern der Frauenrechte aufschwingen, nach dem Motto: ‚Unsere Frauen vergewaltigen wir schon selber, nicht du, du Fremder‘“ - was sich übrigens auch an den Hasspostings gegenüber Journalistinnen zeigt.

Elfriede Hammerl wollte von Anfang an Schriftstellerin werden und hat dann doch den Brotberuf der Journalistin gewählt. Das war die Zeit, das war der Ratschlag ihrer Mutter. Doch wenn jemand vom Journalismus zur Literatur wechselt, hat er mit einem eingeführten Blick auf sein Werk zu kämpfen. Der ist kaum überwindbar.

In ihren Kolumnen verwendet sie Fallbeispiele nicht zur Illustration eines Gedankens, sondern sie verwendet das Beispiel wie aus dem Leben genommen, um den Gedanken daraus zu entwickeln, zwischen Geheimnis und Beobachtung, zwischen Verrat und Aufdeckung eines Missstands, eine Whistleblowerin des Privaten. Das Oszillieren zwischen diesen Ebenen vollzieht sie mit dem Risiko des Übergriffs aus der Privatsphäre, aus den Zonen der Akteure, die sie vermutlich aus dem realen Leben kennt.

In ihren Kolumnen erkennt man echte Personen, die, so denkt man sich, sich ebenfalls wiedererkennen müssten.

Ja, wem erteilt sie jetzt die sprichwörtliche Watschn?

Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling