AKH Wien: Willkür, Intrigen, Mobbing

Affäre: Die Schützlinge

Affäre Meduni Wien: Die Grabenkämpfe eskalieren

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Ernst Wolner, ein weltweit bekannter Herzchirurg, möchte „kein Öl ins Feuer gießen“. Doch was derzeit in den im AKH untergebrachten Abteilungen der Medizinischen Universität Wien (MUW) abläuft, sei „ein Intrigantenstadel, zu dem ich eine ganz klare Meinung habe. Wie kommen wir dazu, dass das AKH, das Flaggschiff des österreichischen Gesundheitswesens, pauschal als Chaotenhaufen dasteht, obwohl 95 Prozent der Mitarbeiter exzellente Leute sind?“

Nachdem es bereits monatelang rumort hat, zeigt das Flaggschiff seit vergangener Woche Schlagseite. Medien berichteten über „Prügelärzte“, „Watschenaffären“ und „geheime Millionengagen“. Innerhalb der Kollegenschaft der MUW wächst seit Monaten der Unmut über die „Oligarchie“, die Platz greife und die eigentliche Ursache für den immer gefährlicher werdenden „Ausnahmezustand“ sei. Mobbing-Fälle würden gemeldet, willkürlich Operationsverbote verhängt, Kollegen ohne Rücksprache ihrer Funktionen enthoben. Andere wiederum würden umgekehrt ohne rechtliche Grundlage begünstigt. Eine kleine Gruppe von „Machthabern“ rund um den Chef der MUW, Rektor Wolfgang Schütz, sei dabei, „sich das Haus untereinander aufzuteilen“.

Im Kabinett von Wissenschaftsminister Hahn ist man bereits dabei, eilends die hierarchischen Änderungen zu überdenken, die mit der Umstrukturierung der damaligen medizinischen Fakultät der Universität Wien zur eigenständigen Medizinuniversität 2004 in Kraft getreten sind. Denn seither gibt es keine demokratischen Entscheidungsprozesse mehr: Der „Organisationseinheitsleiter“ (Klinikchef) trifft eine Entscheidung. Und Punkt.

Vergangene Woche scheint nun ein Fass übergelaufen zu sein: Michael Zimpfer, bekannter Anästhesist und Intensivmediziner, war von Rektor Wolfgang Schütz seiner Funktionen als Leiter der Universitätsklinik für Anästhesie, allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie sowie als Leiter der entsprechenden klinischen Abteilungen abberufen worden. Begründung: Zimpfer zeige Managementschwächen, verletze Dienstpflichten, gehe teils nicht gemeldeten Nebenbeschäftigungen nach und lege in der Öffentlichkeit ein „untragbares aggressives Verhalten“ an den Tag. Tatsächlich war Zimpfer in der Vorwoche vor Gericht gestanden: Es ging um lautstarke Eifersuchtsszenen mit seiner Ex-Freundin, einer Wiener Zahnärztin, die ihn nach einem Handgemenge angezeigt hatte, sich aber schließlich mit Zimpfer per außergerichtlichen Tatausgleich einigte.

Michael Zimpfer reagierte auf seine Absetzung mit Klagen gegen Rektor Schütz wegen Rufschädigung, Verleumdung und Kreditschädigung. Sämtliche Vorwürfe seien problemlos zu widerlegen, hinter seiner Absetzung steckten unsachliche Motive einer Seilschaft rund um Schütz.

Nicht nachvollziehbar. Tatsächlich ist die plötzliche Abberufung Zimpfers nicht leicht nachvollziehbar, im Zuge derer gleich auch sein Stellvertreter Alfons Hammerle deaktiviert wurde: Denn vor wenigen Monaten, am 26. Juli dieses Jahres, hat Schütz Zimpfer noch ganz anders beurteilt, als er ihn zum Organisationseinheitsleiter der Anästhesie und Intensivmedizin bestellte. Schütz in dem Brief an Zimpfer: „Ich darf Ihnen Dank und Anerkennung für Ihre bisherige ausgezeichnete Tätigkeit aussprechen …“

Nun behauptete Schütz in seinem Schreiben an Zimpfer, in dem er dessen Abberufung bekannt gibt, Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely hätte „eine positive Stellungnahme zu diesen Abberufungen abgegeben“. Auf profil-Anfrage wird das vom Büro der Stadträtin dementiert. Man habe nicht die Kompetenz dazu, denn Ärzte des AKH seien Bundespersonal.

Schütz wollte gegenüber profil zu Fragen rund um Zimpfer keine Stellung nehmen.

Seit profil am 3. September erstmals über die „erbitterten Grabenkämpfe“ an der MUW berichtete, hat sich dort einiges getan: Mittlerweile wurde ein „Medienerlass“ herausgegeben, der vorschreibt, dass „sämtliche Medienkontakte, die Anfragen zur Unternehmenspolitik ... beinhalten“, zu melden sind. Intern wird die „Richtlinie“ als „Maulkorb“ bezeichnet. Und Rektor Schütz hat den mittlerweile emeritierten Professor Meinrad Peterlik, der profil Unterlagen über seine eigene Absetzung zur Verfügung gestellt hatte, bei der Disziplinarkommission im Wissenschaftsministerium angezeigt.

Unregelmäßigkeiten. Der Maulkorberlass hat aber auch Gegenteiliges bewirkt: Seither gehen in der profil-Redaktion neue Hinweise über „Unregelmäßigkeiten“ und „ungerechte und willkürliche Machtspiele einiger weniger Personen an unserer Universität, für die es keine funktionierende Kontrolle mehr gibt“, ein. So habe Otto Scheiner, Chef der Organisationseinheit für Physiologie und Pathophysiologie in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Habilitationen und Forschungsevaluation, am 26. März 2007 einen Amtsvermerk ausgestellt, demzufolge sein Kollege Richard Kdolsky, der Ex-Mann von Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky, die Habilitationsrichtlinien für den Bereich Forschung erfülle. Dabei habe sich Scheiner auf Kriterien des Jahres 1997 bezogen. Der Haken dabei: Scheiner ist seit November des vergangenen Jahres nicht mehr Vorsitzender der Arbeitsgruppe Habilitation, und außerdem würden die alten Richtlinien von 1997 seit 2001 nicht mehr angewendet.

Richard Kdolsky habe aufgrund dieses Amtsvermerks am 21. Juni 2007 habilitiert. Die Rechtsgültigkeit dieses Verfahrens sei nicht gegeben. Otto Scheiner war trotz oftmaliger Versuche für profil nicht erreichbar und hat schriftlich an sein Büro übermittelte Fragen bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen.

Eine andere „Causa“ betrifft einen weiteren Starmediziner: den Frauenarzt Peter Husslein. Er betreibe eine private Firma namens FetoMed mit fünf Niederlassungen gemeinsam mit einer ihm nachgeordneten Ärztin als Partnerin. In hausinterner Korrespondenz ist nachzulesen, wie viel Zeit Husslein für seinen Hauptjob bleibt: „Wie wir alle wissen, ist die Arbeitszeit von Herrn Prof. Husslein an dieser Klinik, wenn überhaupt, bis maximal 11.00 Uhr am Vormittag. Allgemeine Visiten auf seiner Abteilung wurden seit der Übersiedlung vor 13 Jahren insgesamt drei Mal durch ihn persönlich durchgeführt.“

Husslein hat kein Problem, Stellung zu nehmen: „Bei FetoMed bin ich überhaupt nie. Und dass meine Partnerin eine mir nachgereihte Ärztin ist, halte ich nicht für ein Problem. Und außerdem: Ob ich auf Visite gehe oder nicht, ist unwichtig. Schließlich habe ich sehr gute Stellvertreter.“

Husslein meint, dass die derzeitige Diskussion den Ruf des AKH und das Vertrauen der Patienten gefährde. Das wahre Problem dieses Hauses liege „im ständigen Streit zwischen der MUW und der Gemeinde Wien“. Das AKH müsse sich auf Spitzenmedizin ausrichten und weniger auf Basisversorgung. Dass den Ärzten „kompetitive Gagen“ gezahlt werden müssten, um sie ans Haus zu binden und auch zu motivieren, sei selbstverständlich. Die Gehälter müssten verdreifacht werden.

Die Vorgeschichte der heutigen Zustände am AKH reicht in die Ära der SPÖ-Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg zurück. Um die Macht der Ordinarien zu brechen, schuf Firnberg mit dem Universitätsorganisationsgesetz 1975 ein drittelparitätisches (Professoren, Dozenten und Assistenten sowie Studenten) Fakultätskollegium. Ebenso drittelparitätisch wurden die Klinikkonferenz und die Berufungskommission besetzt. Damit sahen sich die Professoren einer mehrheitsfähigen Front gegenüber. Wegen Animositäten innerhalb der Standesgruppen kam es allerdings selten dazu, dass Professoren überstimmt wurden.

Die wahre Macht an den Universitäten ging jahrzehntelang von der hohen Ministerialbürokratie aus. In diesem Spannungsverhältnis zwischen drittelparitätisch besetzten Gremien und Ministerialbürokratie bildete sich vor allem im universitären Mittelbau ein eigener Typus von gewieften Apparatschiks heraus, der im Bilden von Seilschaften bisweilen kompetenter war als in fachlichen Belangen. Das hat bis heute nicht gänzlich aufgehört. Weil dieser Funktionärstypus über gute Verbindungen zu Parteien verfügte, repräsentierte er reale Macht und musste für seine politische Arbeit an der Universität von der Ministerialbürokratie mit Pfründen bedacht werden. So schuf man so manche Professorenstelle – mit oder ohne Ausschreibung –, die mit einem Mittelbaufunktionär besetzt wurde. Die Mehrheit des wissenschaftlichen Personals kümmerte diese Dinge nicht, weil man die Positionskämpfe für Eifersüchteleien hielt. Bis klar wurde, dass es um reale Macht ging.

Machtzirkel. Mit dem Universitätsgesetz von 2002 sollte die Drittelparität gekippt und die Universitäten in die Autonomie entlassen werden. Nun wurde ein Universitätssenat mit 24 Mitgliedern geschaffen, der gemeinsam mit dem Rektor das neue Machtzentrum der Universität darstellt. In diesem Senat sitzen vier Vertreter des Mittelbaus sowie sechs Studentenvertreter. Mit zehn von 24 Stimmen sind sie nicht mehr mehrheitsfähig. Dennoch kommt ihnen an der MUW eine Rolle als Zünglein an der Waage zu, weil die Professorenvertreter in zwei etwa gleich große Lager gespalten sind. Wer dort richtig taktiert, besitzt echte Macht. Insofern hat das neue Universitätsgesetz sein Ziel, die Macht der Studenten und des Mittelbaus zu brechen, nicht erreicht. Das einzige Korrektiv ist der Rektor, der im Grunde unabhängig agieren kann. Doch er wird vom Senat gewählt, daher sind Rektor und Senat voneinander abhängig.

In diesem Machtzirkel spielt eine zentrale Seilschaft rund um den Rektor die entscheidende Rolle und bestimmt mehr und mehr, was an der MUW passiert. Vor allem sind das die Klinikchefs Christoph Zielinski (Innere Medizin I), Hubert Pehamberger (Dermatologie), Arnold Pollak (Kinderklinik) und Otto Scheiner (Physiologie und Pathophysiologie).

Zielinski, Pehamberger und Scheiner betreiben gemeinsam die Firma BioLife Science, die auch Impfungen gegen Brustkrebs entwickelt. In der Geschäftsführung dieser Firma sitzt auch Johannes Strohmayer, Ex-Kandidat des Liberalen Forums und Mitglied des Universitätsrats. Diese „Verflechtungen“ werden in der MUW als problematisch kritisiert. Strohmayer war für profil trotz zahlreicher Versuche über Monate nie erreichbar.

Selbst unbeteiligten Professoren stößt diese Struktur sauer auf. Ein starker Rektor wäre ein Korrektiv in dieser „Schlangengrube“. Doch der Pharmakologe Wolfgang Schütz gilt nicht als Managertyp, der stets alles im Griff hat. Aus seiner objektiven Abhängigkeit und angeblicher Schwäche neigt er nach Ansicht vieler Kenner dazu, „von Fall zu Fall den starken Mann zu spielen“. Doch dann mache er Dinge, „die ein Manager so nicht machen würde“.

Kein Interessenkonflikt? Mehrere Mediziner behaupten unter Wahrung ihrer Anonymität, Rektor Schütz habe Christoph Zielinski ohne internationale Ausschreibung zum Chef der Onkologie gemacht und Hubert Pehamberger – ebenfalls ohne Ausschreibung – zum Chef der Dermatologie.

Pehamberger war für profil bis Redaktionsschluss nicht erreichbar. Zielinski und Schütz weisen diese Behauptung in schriftlichen Stellungnahmen zurück.

Zielinski sagt bezüglich der Firma Bio- Life, man habe „durch diesen Spin-off etwa drei Millionen Euro an Forschungsgeldern für die MUW eingebracht“. Naturgemäß seien viele Mitarbeiter beschäftigt, und Johannes Strohmayer stelle in seiner Funktion als Uni-Rat keinen Interessenkonflikt dar. Zum Vorwurf, eine kleine Gruppe von Personen teile sich die MUW untereinander auf, meint Zielinski, es gebe unterschiedliche Gruppen und verschiedenste Meinungen in den Gremien. Seine eigene sei nur eine von vielen. Zielinski zur Frage seiner angeblichen Bestellung ohne Ausschreibung: „Ich habe eine ausgeschriebene Bewerbung zum Professor für Internistisch-Experimentelle Onkologie im Jahr 1992 mit kommissionellem Entscheid für mich – ich war Erstgereihter – durchlaufen. Zum Professor bin ich durch Herrn Bundesminister Busek ernannt worden. Zum Abteilungsvorstand der klinischen Abteilung für Onkologie bin ich noch lang vor Inkrafttreten des UG 2002 (Universitätsgesetz, Anm.) von Herrn Rektor Winckler der Universität Wien bestellt worden.“ Rektor Schütz beantwortet diese Frage mit den gleichen Worten.

Von Emil Bobi