Ausgebucht

Ausgebucht: Der Vorstand der Hypo Niederösterreich soll Bücher manipuliert haben

Vorstand der Hypo Niederösterreich soll Bücher manipuliert haben

Drucken

Schriftgröße

Es ist ja nicht so, dass die Herren nicht vorgewarnt gewesen wären. Als Peter Harold und Richard Juill am 7. April 2009 in St. Pölten ihre Unterschriften unter den Jahresabschluss der Hypo Investmentbank AG für das Geschäftsjahr 2008 setzten, muss ihnen das Schicksal ihres Standeskollegen aus Kärnten geläufig gewesen sein. Am 18. November 2008 war Wolfgang Kulterer, langjähriger Vorstandschef der Hypo Alpe-Adria, vor dem Landesgericht Klagenfurt als einer von drei Angeklagten wegen Bilanzfälschung zu einer Geldstrafe von 140.000 Euro verurteilt worden. Die Kärntner Landesbank hatte unter seiner Führung bereits 2004 annähernd 300 Millionen Euro bei Devisentermingeschäften versenkt, die Verluste aber mittels kreativer Buchführung lange Zeit vertuscht.
Und jetzt das.
Seit Dezember des Vorjahrs ermittelt die Staatsanwaltschaft St. Pölten gegen Harold und Juill wegen des Verdachts der Bilanzfälschung. Auslöser: eine Mitte November abgeschlossene Prüfung der Bankbücher durch die Oesterreichische Nationalbank, bei der mutmaßliche Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit der Erstellung der Bilanz 2008 zutage traten. Nachdem die OeNB ihren Bericht der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Finanzmarktaufsicht, übermittelt hatte, schaltete diese die Justiz ein. Die Vorstände der Landesbank – das von Erwin Pröll regierte Land kontrolliert 100 Prozent – stehen laut einer Sachverhaltsdarstellung der FMA im Verdacht, Spekulationsverluste 2008 in der Höhe von fast zehn Millionen Euro nicht ordnungsgemäß bilanziert zu haben. Für die Beteiligten gilt bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung selbstredend die Unschuldsvermutung.

Brave Banker
Harold und Juill weisen die Vorwürfe zurück, bleiben bei ihrer Rechtfertigung aber wohlweislich vage. In einer Presseaussendung der Hypo Investmentbank von Donnerstag vergangener Woche heißt es lediglich: „Nach Auffassung der Hypo Investmentbank standen mehrere gleichwertige Bilanzierungsvarianten zur Verfügung; die von der Hypo gewählte Methode war eine davon. Sie stand im Einklang mit den anwendbaren Gesetzen und Bilanzierungsstandards, wie dies auch vom Wirtschaftsprüfer Deloitte sowie durch ein Gutachten von Ernst & Young ausdrücklich bestätigt wird.“
Ganz ähnlich dürften die Banker auch gegenüber der Nationalbank argumentiert haben – ohne Erfolg. Der für den Bereich Bankenrevision zuständige OeNB-Direktor Andreas Ittner lässt auf profil-Anfrage ausrichten, dass die Hypo-Manager im Rahmen der Vor-Ort-Prüfung „Gelegenheit zur Stellungnahme“ hatten. Mehr will auch die OeNB mit Hinweis auf das Amtsgeheimnis nicht sagen.
Nach profil-Recherchen geht es längst nicht nur um „Bilanzierungsvarianten“. Das Hypo-Management soll um den Jahreswechsel 2008/2009 vielmehr gezielt ein Transaktionskarussell in Gang gesetzt haben, um zuvor entstandene Verluste aus den Büchern verschwinden zu lassen. Wie sich herausstellt, hatte auch die niederösterreichische Landesbank in Anleihen von Lehman Bro­thers investiert. Nach dem Kollaps der US-Investmentbank am 15. September 2008 waren deren Papiere faktisch wertlos. Der ­
St. Pöltener Hypo wären daraus auf einen Schlag Belastungen von knapp unter zehn Millionen Euro erwachsen – immerhin zwei Drittel des Vorsteuergewinns dieses Jahres. Die Hypo Investmentbank hat bisher übrigens nur einen „diskutierten Betrag“ von fünf Millionen Euro bestätigt.
Um das Problem zu umgehen, bediente man sich offenbar jener Methode, die schon Wolfgang Kulterer in der „Swap-Affäre“ den Job gekostet hatte: Die Verluste wurden nicht gleich realisiert, sondern auf mehrere Jahre „verteilt“. Über ein Liechtensteiner Vehikel sollen die an sich wertlosen Lehman-Positionen zu einem fiktiven Preis an eine namentlich vorerst nicht bekannte weitere Bank abgegeben worden sein. Im Gegenzug soll die Hypo Investmentbank Anleihen dieser Bank angekauft haben, deren Verzinsung allerdings deutlich unter dem ohnehin schon bescheidenen Marktniveau lag. Der Effekt: Die Hypo Niederösterreich war die Belastungen aus den Lehman-Geschäften mit ­einem Schlag los. Und führt seither Papiere in den Büchern, die aufgrund der miserablen Konditionen gegenüber anderen Veranlagungen rechnerisch zwar einen Zinsverlust bedeuten – aber eben verteilt auf mehrere Jahre.
Die Finanzmarktaufsicht wähnt darin nun einen Verstoß gegen Paragraf 255 des Aktiengesetzes, wonach das Verschleiern, Verschweigen oder auch nur die unrichtige Wiedergabe „erheblicher Umstände“ mit bis zu einem Jahr Haft zu ahnden ist.

Dicker Polster
Völlig unklar bleibt, warum das Management sich all dem überhaupt ausgesetzt hat. Die Hypo Investmentbank AG – sie ist ungeachtet des vermeintlich pfiffigen Namens nicht viel mehr als eine auf Landes- und Gemeindefinanzierungen spezialisierte biedere Bank – zählt zwar zu den kleineren Geldhäusern des Landes, zum
30. Juni 2009 lag die Konzernbilanzsumme bei gerade einmal 11,27 Milliarden Euro. Mit einem ausgewiesenen Kernkapital – also im Wesentlichen das vom Land Niederösterreich eingezahlte Grundkapital nebst Reserven – von 380,43 Millionen und einer Kernkapitalquote von zuletzt 11,05 Prozent war die Bank jedoch durchaus solide (und ist es immer noch). Sie hätte einen Ausfall von rund zehn Millionen Euro 2008 locker verkraften müssen. Gerüchte, wonach sehr viel höhere Beträge im Spiel gewesen sein sollen, ließen sich nicht verifizieren.
Für die niederösterreichische Landespolitik ist die Affäre mehr als nur peinlich. Die Hypo Investmentbank ressortiert zu ÖVP-Finanzlandesrat und Landeshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Sobotka, der wegen der missglückten Veranlagung öffentlicher Wohnbaugelder (profil berichtete ausführlich) ohnehin in der Bredouille steckt. Es deutet immer mehr darauf hin, dass der mit Sobotkas Vertrauensleuten durchsetzte Aufsichtsrat der Hypo Niederösterreich – an dessen Spitze sitzt der langjährige Vorstandschef der Niederösterreichischen Versicherung Herbert Fichta – überhaupt erst Ende 2009, also mit fast einjähriger Verspätung, von den ausgebuchten Verlusten erfuhr. Sollte das zutreffen, erhebt sich die Frage, was oder wen genau das Kontrollgremium der Bank bisher eigentlich kontrolliert hat. Das war in Kärnten seinerzeit nicht ­anders.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.