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Banken: Die Gesetze der Wildnis

Die Gesetze der Wildnis

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Der Große Pandabär, lateinischer Name Ailuropoda melanoleuca. „Sinnbild bedrohter Tiere“, notiert das zoologische Lexikon. „Aufgrund seines Aussehens und seiner Friedfertigkeit ist der Pandabär eines der beliebtesten Tiere überhaupt.“

Friedfertig, beliebt, bedroht. Als Karl Samstag dem Wiener Tiergarten Schönbrunn im Juni vergangenen Jahres einen hochoffiziellen Besuch abstattete, konnte er die Tragweite dieser Symbolik nicht annähernd ermessen. Aus den Händen des umtriebigen Zoodirektors Helmut Pechlaner übernahm der Generaldirektor und Vorstandsvorsitzende der Bank Austria Creditanstalt AG am 18. Juni 2003 eine Patenschaftsurkunde für einen der beiden Schönbrunner Pandas. Samstag damals: „Pandas sind Botschafter für alle bedrohten Tierarten, die auf den Schutz durch den Menschen angewiesen sind, um auch in den nächsten Jahrzehnten noch in freier Wildbahn überleben zu können.“

Freie Wildbahn. Sieben Monate sind vergangen, das Pandapärchen YangYang und Longhui erfreut sich bester Gesundheit – und der nette Patenonkel hadert jetzt mit den Gesetzen der Wildnis.

Karl Samstag, 59, steht kaum ein Jahr nach seinem Avancement zum Chef der größten Bankengruppe des Landes vor dem vorläufigen Ende seiner Karriere. Am Montag dieser Woche tritt der Aufsichtsrat der mehrheitlich im Einflussbereich der bayerischen HypoVereinsbank stehenden Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: „Vorstandsangelegenheiten“.

Samstag, der den nunmehrigen BA-CA-Aufsichtsratspräsidenten Gerhard Randa im April 2003 als Vorstandschef beerbt hatte, wird bei dieser Gelegenheit sein Mandat zurücklegen. Vorzeitig. Sein Vertrag wäre noch bis 2005 gelaufen. Samstag: „Ich wollte dem Konzern eine langwierige Nachfolgediskussion ersparen. Es gehört auch zum Job eines Managers, sich bei einer Stabübergabe professionell zu verhalten. Auf uns warten gewaltige Herausforderungen, deshalb habe ich mich dem Thema jetzt gestellt.“ Er, Samstag, wolle einer „Verjüngung nicht im Wege stehen“.

Ärger im Revier. Die Verjüngung hört auf den Namen Erich Hampel, steht wenige Wochen vor ihrem 53. Geburtstag und soll am Montag dieser Woche mit Samstags Nachfolge bedacht werden. Auf Hampel, der als Vizegouverneur der Postsparkasse, CA-Generaldirektor und schließlich BA-CA-Vorstand hauptsächlich durch ostentative Unauffälligkeit aufgefallen war, wartet das wohl härteste Stück Arbeit seiner Karriere.

Intrigen, Eifersüchteleien und handfeste Revierkämpfe haben die Chefetage der BA-CA in den vergangenen Monaten in ein reichlich unwirtliches Reservat verwandelt. Eines, das gut und gern Stoff für eine abendfüllende „Universum“-Doku liefern könnte.

Mit 31. März des Vorjahres hatte sich Gerhard Randa nach mehr als einem Jahrzehnt als Generaldirektor an die Spitze des Aufsichtsrates verabschiedet. Randa, heute 59, wollte durch diesen Funktionswechsel nicht nur seine Doppelbelastung als Vorstandsvorsitzender in Wien und Vorstandsmitglied der Münchner HVB lindern. Auch die deutsche Bundesfinanzaufsicht hatte begonnen, seine Rolle im Konzern kritisch zu beäugen. Eile war geboten. Um ein langwieriges Auswahlverfahren zu vermeiden, verständigten sich die Münchner in kürzester Zeit auf Randas Wiener Stellvertreter und langjährigen Vertrauten Karl Samstag. Der damals 58-jährige Wiener blickte zu diesem Zeitpunkt auf eine lange und durchaus eindrucksvolle Karriere zurück: 26 Jahre in der Zentralsparkasse, zwölf Jahre im Vorstand der Bank Austria, davon sieben Jahre als deren Vizegeneraldirektor. Ein Kollege: „Man wollte dem Karl halt eine Ehrenrunde an der Spitze zugestehen.“

Samstag nahm die Berufung an. Obwohl ihn ein früherer Herzinfarkt zur Vorsicht mahnte; obwohl ihm der Umgang mit der Öffentlichkeit bis dahin eher entbehrlich erschienen war und sichtlich kein sonderliches Vergnügen bereitet hatte. Samstag stand unvermittelt im Rampenlicht, musste sich Journalisten, Analysten und Investoren stellen. Zeitgleich mit seinem Amtsantritt begannen die Vorbereitungen zur Rückkehr der BA-CA an die Wiener Börse. Der Vorstandschef, leidlich mit Schulenglisch beschlagen, spulte innerhalb weniger Wochen tausende Kilometer rund um den Globus ab. Um den Lohn der Strapazen musste er später streiten.

Der Verkauf der BA-CA-Aktien lief nicht gerade berauschend, die Bank hatte vielmehr alle Mühe, ihre jungen Aktien zum vorgesehenen – hohen – Preis loszuschlagen. Am 9. Juli 2003 wurden schließlich 22,5 Prozent der BA-CA an der Börse platziert, die HVB zog sich auf 77,5 Prozent zurück. Nicht nur, dass der Verkaufspreis von 29 Euro das Stück deutlich unter den frühen Erwartungen der Deutschen blieb, auch der Aktienkurs der BA-CA kam in den ersten Wochen kräftig unter Druck und fiel unter den Ausgabepreis. Was nach Erinnerung von Beobachtern zu einer Reihe durchaus heftiger Wortwechsel zwischen Samstag und Randa geführt haben soll.

Neuer alter Rudelführer. Randas neue Rolle in Wien gestaltete sich obendrein von Anfang an eher konfliktreich. Obwohl funktional nicht länger für das Tagesgeschäft zuständig, klinkte sich der Aufsichtsratsvorsitzende immer wieder aktiv ein – in Personalentscheidungen ebenso wie in Werbekampagnen und wichtige Transaktionen im Ausland. Und kam dabei nicht nur Karl Samstag, sondern auch dem Auslandschef des Hauses, Friedrich Kadrnoska, in die Quere. Im kleinsten Kreis ließ Randa immer öfter durchblicken, dass es den beiden in der Zentralsparkasse groß gewordenen Bankern am „nötigen Biss“ fehle. Überhaupt die Zentralsparkasse: jenes erfolgreiche Institut, das Randa schon zu Länderbank-Zeiten ein Dorn im Auge gewesen war, ehe er es 1991 mit der Länderbank zur Bank Austria fusionieren durfte.

Am 19. Oktober 2003 schließlich sollte es erstmals auch halb öffentlich zum Eklat kommen. Bei einer Führungskräftetagung der Bank Austria Creditanstalt im burgenländischen Loipersdorf ergriff Aufsichtsratschef Gerhard Randa unmittelbar nach Generaldirektor Samstag das Wort. Das Protokoll seiner Rede vor 400 Anwesenden liegt profil vor. Ein Auszug: „Positiv ist, dass wir über viele Jahre stabile Kosten haben. Aber … diese Kostenentwicklung ist hauptsächlich durch eine deutliche Reduktion der Mitarbeiterzahl erzielt worden. Und wenn man den Mitarbeiterstand so stark reduziert und alles, was damit erreicht wird, stabile Kosten sind, dann läuft irgendetwas fundamental falsch.“ Sprach’s und forderte vom Management unmissverständlich einen schärferen Kurs. „Die Ergebnisse sind nicht gut genug. Ich würde nicht sagen, Schande über uns, aber wir verdienen noch immer viel zu wenig Geld“.

Die Bankengruppe hatte zu diesem Zeitpunkt drei Viertel eines letzten Endes durchaus erfolgreichen Wirtschaftsjahres hinter sich. 2003 dürfte die BA-CA eine Eigenkapitalrendite von jedenfalls acht Prozent nach Steuern eingefahren haben. Dass Randa in seinem Abschiedsjahr 2002 auf bloß 6,5 Prozent gekommen war, ließ er bei seiner Gardinenpredigt wohlweislich unerwähnt. Dass die Bank unter Karl Samstag die ursprünglichen Budgets nicht nur erreicht, sondern teilweise sogar übertroffen hatte, ebenso. Und dass die Konzernmutter HVB von Renditen dieser Größenordnung allenfalls träumen kann, natürlich auch. Randa heute: „Das Ergebnis 2003 ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber zu unserem Ziel einer Eigenkapitalverzinsung von 13 Prozent bis 2006 ist es noch ein weiter Weg. Dazu bedarf es noch großer Anstrengungen.“

Ausgerechnet Karl Samstag, dessen „Expertise“ und „Engagement“ Gerhard Randa noch im Frühjahr 2003 gewürdigt hatte, muss sich heute nachsagen lassen, die Umsetzung der Münchner Direktiven zuletzt eher leidenschaftslos angegangen zu sein. „Er ist“, weiß ein langjähriger Vertrauter, „immer ein aufrechter Sozialdemokrat gewesen. Da plagst dich halt mit solchen Sachen.“ Die „Sachen“ sind der von Konzernchef Dieter Rampl inzwischen ultimativ eingeforderte Abbau von zumindest 1500 der derzeit 11.500 Mitarbeiter in Österreich und die Reform des kostspieligen BA-CA-Dienstrechts.

Kuschelkurs. Samstag freilich soll in dieser delikaten Frage auch den Argumenten des BA-CA-Betriebsrats und dessen resoluter Vorsitzenden Hedwig Fuhrmann zugänglich gewesen sein. Was seinem Ansehen in München nicht eben förderlich gewesen sein dürfte. Der scheidende Generaldirektor bestreitet die ihm unterstellte Laschheit vehement: „Ob man mit einem Betriebsrat nun laut oder leise, freundlich oder unfreundlich diskutiert, ist nicht die Frage. Ich habe immer die Kosten im Auge gehabt. Und da war und ist die Reform des Dienstrechts ein vorrangiges Thema.“ Betriebsratsvorsitzende Fuhrmann selbst schweigt dazu vorerst.

Wie unüberbrückbar die Gräben gegen Ende der Ära Samstag waren, macht der geplatzte Verkauf der von der BA-CA kontrollierten Schoellerbank deutlich. Im Oktober vergangenen Jahres war der HVB ein Offert der angesehenen Luxemburger Kredietbank zur Übernahme des Wiener Bankhauses zugegangen. Woraufhin der Vorstand der BA-CA den Auftrag erhielt, das Angebot zu prüfen (profil berichtete).

Über den weiteren Verlauf der Affäre gehen die Wahrnehmungen nun diametral auseinander. Samstag und sein unter anderem auch für das Beteiligungsgeschäft verantwortlicher Vorstand Friedrich Kadrnoska sollen – in enger Absprache mit Gerhard Randa – innerhalb weniger Wochen einen unterschriftsreifen Vertrag mit den Luxemburgern ausverhandelt haben. Randa wiederum will davon nicht in vollem Umfang und jedenfalls viel zu spät gewusst haben. Die Konsequenzen waren mehr als peinlich. Während Manager der Kredietbank am Dienstag vorvergangener Woche in Wien weilten, um die Übernahme zum vereinbarten Kaufpreis von 300 Millionen Euro zu besiegeln, bliesen Randa und Rampl die Sache in München wieder ab.

Nebenbuhler. Der Ausritt könnte auch für Samstags Stellvertreter Kadrnoska Konsequenzen haben. Zu Redaktionsschluss stand eine Beschneidung seiner Kompetenzen, möglicherweise sogar eine vorzeitige Auflösung seines Vorstandsvertrags im Raum. Die Entscheidung darüber fällt in einem Vieraugengespräch mit Gerhard Randa am Montagvormittag.

Als sicher gilt, dass der Aufsichtsrat Erich Hampel zum neuen Generaldirektor bestellen wird. Der passionierte Tennisspieler verfügt zwar über einen knallharten Aufschlag. Doch Management by Brechstange ist seine Sache nicht. Hampel, der sich vielmehr nachsagen lassen muss, über den „Killerinstikt eines Goldfisches“ zu verfügen, hat sich auf seine ganz persönliche Art für einen der härtesten Bankjobs des Landes empfohlen.

1997, unmittelbar nach der Übernahme der Creditanstalt durch die Bank Austria, hatte ihn Gerhard Randa zum CA-Chef gemacht. Hampel dankte es ihm mit unverbrüchlicher Loyalität. Auch wenn das bei einem Mann wie Gerhard Randa nicht immer ganz einfach gewesen sein mag. So mühte sich Hampel einst jahrelang und ganz im Sinne seines Mentors, der Öffentlichkeit den tieferen Sinn eines getrennten Marktauftritts von Bank Austria und Creditanstalt nahe zu bringen. Als Randa dann im Jahr 2001 das Ende der „2-Marken-Strategie“ und die Fusion beider Häuser beschloss, stand Hampel in vorderster Reihe.

Viele der früheren CA-Mitarbeiter haben ihm das bis heute nicht verziehen – und ihm den mäßig schmeichelhaften Beinamen „Zweigstellenleiter“ verpasst. Sehr viel mehr als ein solcher wird Hampel auch als Chef der Bank Austria Creditanstalt nicht sein müssen. Solange es Gerhard Randa gibt.