Die Notengebung an Österreichs Schulen ist willkürlich und hängt von Zufälligkeiten ab

Bildung. Die soziale Schieflage im Bildungssystem wird dadurch massiv verstärkt

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Die Figur des überstrengen, ungerechten Lehrers gelangte mit „Gott Kupfer“ aus dem „Schüler Gerber“ von Friedrich Torberg zu literarischer Berühmtheit. Seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat sich an Österreichs Schulen viel geändert. Aber Reste der preußischen Unterrichtstradition haben allen Demokratisierungswellen getrotzt: Der Unterricht dauert 50, die Pinkelpause zehn Minuten. Und Leistung wird mit Ziffern benotet.

Die Salzburger Gymnasiastin Martina Griesmayr fühlte sich von ihrer Englischlehrerin oft ungerecht behandelt. Als sie im Abschlusszeugnis ein Nicht genügend bekam, obwohl sie in der letzten Schularbeit einen Dreier geschafft hatte, reichte es ihr. Griesmayr berief beim Landesschulinspektor gegen die Note. Der Schülerin wurde Recht gegeben, der Fünfer auf einen Vierer korrigiert. Die Beurteilung der Lehrerin habe „ein sehr uneinheitliches Bild“ ergeben, rügte der Landesschulinspektor.

Das Beispiel ist kein Einzelfall.
Die Notengebung an Österreichs Schulen gleicht mehr einer Zahlenlotterie denn einer gerechten Bewertung. Dieselbe Leistung kann zwischen Sehr gut und Nicht genügend ­benotet werden. Ob jemand im Notenlotto zu den Verlierern oder Gewinnern zählt, hängt von vielen Zufälligkeiten ab: Ortsgröße, Bildungsstand der Eltern, Geschlecht. Das Zeugnis im nationalen Bildungsbericht fällt entsprechend vernichtend aus: In manchen Schulstufen „finden sich kaum noch nennenswerte Zusammenhänge zwischen Note und gemessener Leistung“, heißt es dort. Das ist umso dramatischer, als Noten über (Bildungs-)Karrieren mitentscheiden. Die Willkür der Notengebung verstärkt damit die massive soziale Schieflage im Schulsystem: Nach wie vor werden Akademikerkinder fast automatisch an höhere Schulen gehievt, während Arbeiterkinder überdurchschnittlich oft in Hauptschulen und Migrantenkinder in Sonderschulen landen. Auch wegen der mangelnden Chancengleichheit urteilt Georg Neuweg, Leiter der Abteilung für Wirtschaftspädagogik an der Uni Linz: „Es ist unerträglich, wie wenig objektiv die Notengebung in Österreich ist.“

Schwammig. Gerecht, leistungsbezogen und landesweit vergleichbar sollen Noten laut Schulunterrichtsgesetz sein. Welche Leistungen Schüler pro Schulstufe erbringen müssen, steht in den Lehrplänen, welche Noten für welchen Wissensstand angemessen sind, in der Leistungsbeurteilungsverordnung. Praktisch nutzen die wortreichen Vorschriften nichts. „Die Rechtsbegriffe sind so schwammig, dass Lehrer gar nicht gerecht benoten können, beim besten Willen nicht“, sagt Noten­experte Neuweg. Manchmal fühlen sich ­ganze Klassen ungerecht beurteilt, erzählt Schüler Lucas Hofbauer. Wie beliebig die Notenvergabe ist, zeigt eine Spezial­auswertung der PISA-Erhebung 2008:
74 Prozent der Schüler, die beim PISA-Mathematiktest das oberste Leistungs­niveau erreichten, hatten im Zeugnis ein Sehr gut oder Gut, 26 Prozent nur Befriedigend oder Genügend, ein Prozent gar ein Nicht genügend. Umgekehrt konnten sich zwei Prozent der schwächsten PISA-­Leistungsgruppe über einen Einser im ­Zeugnis freuen. Die PISA-Auswertung stützte eine langjährige Vermutung: Das Leistungsniveau in manchen Hauptschulen auf dem Land ist höher als in manchen Gymnasien in Städten. Weder für Erfolg noch Misserfolg sind klare Kriterien definiert. Um ein Genügend zu erlangen, muss der Schüler laut Gesetz das „Wesentliche überwiegend beherrschen“. Was das „Wesentliche“ ausmacht, steht aber nirgendwo. So setzte sich durch, dass 50 Prozent der zu erreichenden Testpunkte für einen Vierer genügen. „Das ist absolut ­willkürlich“, klagt die Bildungsexpertin der ­Arbeiterkammer (AK) Wien, Susanne ­Schöberl.
Neben der Definition des „Wesentlichen“ fehlt im Gesetz auch ein Leistungsmaßstab für die Notengebung. Den Lehrern bleibt somit nichts anderes übrig, als sich an der Durchschnittsleistung ihrer Klasse zu orientieren. Ist das Klassenniveau hoch, wird es für Schüler schwieriger, eine gute Note zu erreichen. Schneiden hingegen zu viele Schüler negativ ab, vereinfachen Pädagogen die Prüfungen – auch um sich Ärger zu ersparen. Denn für schlechte Noten werden oft die Lehrenden verantwortlich gemacht.

Auch leistungsunabhängige Faktoren beeinflussen die Notengebung, etwa die Größe des Schulstandorts: In Wien haben Kinder mit 49 Prozent eine weit höhere Chance, die Volksschule mit einem Einser in Rechnen zu beenden als in kleinen Ortschaften (39 Prozent). Im Bildungsbericht führen Experten dies auf den Druck der Wiener Eltern zurück, die ihr Kind im Gymnasium sehen wollen.

Daneben spielen viele Zufälle eine Rolle.
Wer wortreich antwortet, wird wohlwollender benotet. Schöne Handschriften schneiden gegenüber Gekrakel besser ab. Das Tragen von Brillen wirkt sich positiv aus. Sogar die Vornamen der Schüler beeinflussen die Notengebung. „Kevin“ assoziieren Lehrer laut einer Studie der Universität Oldenburg mit verhaltensauffällig, „Chantal“ mit leistungsschwach. Von Namen wie „Marie“ oder „Alexander“ schließen Lehrer hingegen auf Leistungsstärke – und das wirkt sich positiv auf die Noten aus.

„Die soziale Herkunft der Schüler und die entsprechende Erwartungshaltung der Lehrer fließen leider oft in die Beurteilung ein“, klagt PISA-Experte Günter Haider. Selbst wohlmeinende Lehrer können sich nicht von Klischees lösen. Das ist seit den siebziger Jahren bekannt. Damals wurde ein Schüleraufsatz mehreren Lehrern zur Beurteilung vorgelegt, manchen mit dem Kom­mentar, der Schüler sei Spross eines Chefredakteurs, den anderen mit der Pseudo-Info, das Kind lese nur Comics. Das ­Resultat: Nicht nur der Stil wurde anders benotet, sogar Rechtschreibfehler wurden unterschiedlich gewichtet. Das vermeintliche Chefredakteurskind erhielt weit bessere ­Noten.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Noch immer erhalten Kinder, deren Eltern nicht über den Pflichtschulabschluss hinausgekommen sind, tendenziell schlechtere Noten, ergab die Volksschul-Lesestudie Pirls: Bei gleicher Lesekompetenz werden Schüler aus bildungsfernen Schichten nur halb so oft mit Sehr gut benotet wie Akademikerkinder. Die Bildungslaufbahn entscheidet sich schon bei der Geburt. „In keinem anderen europäischen Land ist der Bildungsstand der Eltern so entscheidend für die Bildungschancen der Kinder wie in Österreich“, bemängelt Josef Lucyshyn, Direktor des Instituts für Bildungsforschung (Bifie).

Noten bilden zudem die Klischees ab, die Lehrer über Mädchen und Buben im Kopf haben. Christiane Spiel, Vorständin des Ins­tituts für Bildungspsychologie an der Universität Wien, erforscht seit Jahren die Frage, warum die Bewertungen zwischen den Geschlechtern so weit auseinanderklaffen. Mädchen entsprechen eher dem Stereotyp der Braven, sie bekommen daher bessere Noten, ohne unbedingt bessere Leistungen zu zeigen. Interessanterweise ist das für Mädchen kein Vorteil. Sie werden öfter geschont, ihr Leistungspotenzial entfaltet sich daher seltener. Buben hingegen gelten vielen Lehrern als begabter, analysiert Spiel: „In Naturwissenschaften etwa werden Knaben öfter drangenommen und mehr gefordert.“ Die Auswirkungen zeigten sich bei den Aufnahmetests für das Medizinstudium: Mädchen traten mit besseren Schulnoten als Burschen an – und schnitten deutlich schlechter ab.

Willkür.
Die Diskussion über Noten ist fast so alt wie das Prinzip Benotung selbst. Schon vor 120 Jahren monierte ein britischer Gelehrter die Willkür der Notengebung, ein russischer Arzt wollte sogar Beweise dafür gefunden haben, dass Prüfungen gesundheitsschädigend sind. „Eine Lösung für das Notenproblem hat aber noch niemand gefunden“, seufzt Winfried Kronig, Bildungsforscher an der Uni Freiburg.

Daher wird experimentiert. Wer die Ganztagsvolksschule in Wien-Landstraße betritt, hört lautes Lachen und Lärm. Der Unterricht findet im Stiegenhaus statt: Die Siebenjährigen springen die Treppen hinauf und nehmen immer zwei Stufen auf einmal. So sollen sie Zahlen-Zweierreihen lernen. Vor schlechten Noten brauchen sie sich vorerst nicht zu fürchten. Bewertet wird nur mit zwei Symbolen: Können die Kinder etwas gut, winkt ihnen eine lachende Sonne, fällt ihnen etwas schwerer, schiebt sich eine Wolke davor.

Julia, Jasmin und Zeno werden heuer die Volksschule verlassen. Kichernd sitzt Zeno im Büro des Direktors und erzählt, dass er Politiker werden und das Klima retten will. Die Wochen davor seien stressig gewesen, sagt der Zehnjährige: In der vierten Klasse bekommen die Schüler erstmals Zeugnisse mit Noten zwischen eins und fünf. Und Zeno musste sich ordentlich anstrengen, „um gute Noten in Mathematik zu bekommen und in mein Wunschgymnasium zu dürfen“.

Gerade in Wien ist der Andrang an Gymnasien so groß, dass manche Schulen nur Kinder mit lauter Einsern nehmen. Die Arbeiterkammer Wien weiß von Dutzenden überehrgeizigen Eltern pro Schuljahr zu berichten, die irgendwie erreichen wollen, dass ihr Kind die vierte Klasse Volksschule wiederholen darf, um vielleicht bessere Noten und die Wunsch-AHS zu erreichen.

Kein Wunder: Der mit zehn Jahren eingeschlagene Weg ist meist eine Einbahnstraße. Während 60 Prozent der Gymnasiasten mit 14 Jahren in die Oberstufe wechseln und weitere 31 Prozent über eine berufsbildende höhere Schule die Matura ansteuern, wandern lediglich sechs Prozent der Hauptschulabgänger in die AHS-Oberstufe weiter. Bildungsforscher wie Winfried Kronig plädieren daher seit Jahren dafür, nicht schon die Noten Zehnjähriger über die AHS-Reife entscheiden und alle Kinder bis 14 in einer gemeinsamen Schule zu lassen: „Mit Noten als Selektionskriterium verhält es sich wie mit dem Wetter: Je früher die Prognose gemacht wird, umso wahrscheinlicher sind Fehler.“

Zurückgepfiffen.
An der ÖVP prallen solche Erkenntnisse ab. Wer, wie jüngst Wissenschaftsministerin Beatrix Karl, für eine gemeinsame Schule plädiert, wird zurückgepfiffen. Deshalb ist die Neue Mittelschule nicht mehr als ein Schulversuch, an dem sich nur zehn Prozent der Schulen beteiligen dürfen. Der Andrang von Schulen und Kindern wäre weit höher. Bildungsministerin Claudia Schmied hofft, dass „sich die ÖVP nicht gegen die Eltern stellt“ und ihren Widerstand gegen die Gesamtschule aufgibt. Viele Anzeichen dafür gibt es bisher nicht. Katharina Cortolezis-Schlager, die am neuen Bildungskonzept der ÖVP arbeitet, hält die „Frage der Türschilder“ nicht für wichtig. Dabei ist Österreich, neben Deutschland und der Schweiz, einer der letzten Bildungsnachzügler, die noch keine Gesamtschule haben.

Ein anderes Unikum des heimischen Bildungswesens ist das Sitzenbleiben. Österreich ist eines der letzten Länder in Europa, in denen es dieses Instrument noch gibt. Rund 30.000 Schüler pro Jahr müssen eine ganze Klasse wiederholen, weil sie in mindestens einem Gegenstand scheiterten.
Im Akademischen Gymnasium in Salzburg wird seit drei Jahren die „Modulare Oberstufe“ getestet, eine Schule ohne Sitzenbleiben. Die 15-Jährigen bekommen eine Art Vorlesungsverzeichnis, aus dem sie neben Basismodulen zusätzliche Wahlmodule wie „Kriminalpsychologie“, „Nuntii Latini – aktuelle Nachrichten in Latein“ oder „Rhetorik“ wählen können. Wer in ­einem Gegenstand auf Nicht genügend steht, muss die Note im nächsten Semester ausbessern, kann in allen anderen Fächern aber die nächste Modulstufe absolvieren. Projektkoordinator Karl Lahmer sieht als zusätzlichen Vorteil dieses Modells, dass die „Schüler zu selbstständiger Planung motiviert werden“.

Kollegen, die ebenfalls die Modulare Oberstufe ausprobieren, bilanzieren ähnlich positiv. Gerda Lichtberger, Direktorin des Ursulinen-Gymnasiums in Graz: „Wir können mehr Begabungsförderung machen, seit wir die Modulare Oberstufe haben.“ Friedrich Anzböck, Direktor des Gymnasiums Draschegasse in Wien: „Das Modell ist für Lehrer attraktiv, weil sie wirklich Interessierte im Unterricht sitzen haben.“

Diese Schulen sind Ausnahmen.
Ein paar Wochen vor Schulschluss beginnt deshalb die Hochsaison der Nachhilfeinstitute. Jeder vierte Gymnasiast, jeder fünfte Hauptschüler und sogar jeder achte Volksschüler poliert sein Wissen mit außerschulischer Hilfe auf – in Summe erhalten 240.000 Schüler Nachhilfe. Im Durchschnitt kostet sie 694 Euro pro Kopf und Jahr. Wie sehr ein Kind gefördert wird, hängt also von der Geldtasche der Eltern ab. 126 Millionen Euro ist den Österreichern die außerschulische Förderung ihres Nachwuchses pro Jahr wert, drei Viertel aller Eltern lernen zudem mit ihren Kindern. 80 Millionen Stunden verbringen sie auf diese Weise pro Jahr als Hilfslehrer, errechnete die Arbeiterkammer.

Im 14. Wiener Gemeindebezirk steht eine alte Fabrikshalle. Hinter den roten Backsteingemäuern verbirgt sich moderne Architektur – und die Privatschule Walz, in der Teamarbeit zwischen Lehrern und Schülern getestet wird. Auf gemütlichen Sofas sitzen Schüler, duzen ihre Lehrer und diskutieren über die Projektarbeit in Psychologie. Max Bogensberger, 17, und Sophie Grimmer, 18, erzählen, dass sie in ihren früheren Schulen von Lehrern ungerecht benotet worden seien.

In der Walz wird versucht, subjektive Einflüsse bei der Notengebung auszuschalten. Alle Prüfungen werden ausschließlich von externen Prüfern abgenommen. Die Lehrer sind deshalb eher in der Rolle
von Trainern als in jener von strengen Schiedsrichtern. Das führt zu einem anderen Unterricht, sagt Psychologielehrerin Claudia Killermann: „Wir Lehrer verfügen hier nicht über das Machtinstrument
Note, das oft missbraucht wird. Wir können nur mit interessantem Unterricht punkten.“

Genau dafür werden Lehrer zu wenig ausgebildet, Jungpädagogen zu früh mit ihren Klassen alleingelassen. Bifie-Direktor Josef Lucyshyn fordert daher eine grundlegende Reform der Lehrerausbildung: Junglehrer sollten in ihren ersten drei bis vier Unterrichtsjahren intensiv gecoacht werden und lernen, in Konfliktsituationen mit schwierigen Schülern richtig zu reagieren.
Eine neue Lehrerausbildung wird derzeit zwischen Unterrichtsministerin und Lehrergewerkschaft verhandelt. Der Zeitpunkt dafür wäre gut: Ab 2013 geht die Hälfte der Pädagogen in Pension, eine Generation neuer Lehrender wird an den Schulen einziehen.

Die Lehrergewerkschaft sperrt sich – wie meist.
Eva Scholik, die Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft, hält nicht einmal eine Diskussion über eine andere Notengebung an den Gymnasien für notwendig. Reformbedarf sieht sie nur bei den Kollegen an den Volksschulen: „Dort benotet man zu wenig streng.“ Ihrem Kollegen Walter Riegler, Chef der Pflichtschullehrergewerkschaft, ist zwar das Problem der subjektiven Notengebung bewusst, und er gesteht ein: „Gerechtigkeit gibt es nicht.“ Er glaubt aber, dass viele Eltern das Bedürfnis nach Noten für ihre Kinder haben und bei einer verbalen Beurteilung fragen: „Und was ist das jetzt für eine Note?“

Solche Wünsche dokumentieren jahrzehntelange Gewohnheiten – auch jene der Lehrer. „Es ist klar, dass die Lehrergewerkschaft die Ziffern verteidigt. Alle alternativen Bewertungssysteme fordern Lehrer mehr“, meint Josef Tutschek, Bezirksschulinspektor im niederösterreichischen Mödling. Im Bezirk Mödling bewertet die Hälfte aller Schulen nach alter­nativen Methoden. Gerade in den Volksschulen hält Tutschek das für sehr wichtig: „Wir nehmen den Kindern den Notendruck.“

Alternativen.
Bereits seit den siebziger ­Jahren werden an manchen Volksschulen so genannte „Pensenbücher“ verwendet, in denen die Lernfortschritte der Schüler kontinuierlich eingetragen werden. Die „lernzielorientierte Beurteilung“ ist eine weiterentwickelte Form des Pensenbuchs: Zu Schulbeginn werden Lernziele erstellt. Die Schüler müssen die Leistung nicht mehr zu einem bestimmten Zeitpunkt – etwa bei einem Test – erbringen, sondern dann, wenn sie so weit sind. Die derzeit von Wissenschaftern favorisierte Alternative ist die „kommentierte direkte Leistungsvorlage“: Einmal pro Semester zeigen die Lehrer den Schülern und deren Eltern die Zeichnungen, Rechenblätter und Aufsätze und besprechen die Fortschritte des Kindes.

Trotz deren Unzulänglichkeit hängen die Österreicher an Ziffernnoten. Laut profil-Umfrage finden 56 Prozent das aktuelle Beurteilungssystem gerecht, dennoch sind nur 17 Prozent so zufrieden, dass sie daran nichts ändern möchten. Fast jeder Zweite fordert die Einführung von österreichweit gleichen Tests, damit Schülerleistungen besser vergleichbar seien.

Die im Vorjahr beschlossene Zentralmatura zielt in diese Richtung. An einigen Gymnasien erhielten Schüler schon heuer nur jene Aufgaben zur schriftlichen Reifeprüfung, die Bifie-Experten zusammengestellt hatten. Ab dem Schuljahr 2013 müssen dann alle AHS-Maturanten die gleichen Aufgaben lösen.

Damit nicht nur die Schüler-, sondern auch die Schulleistungen vergleichbar sind, wurden die so genannten Bildungsstandards eingeführt: In der vierten und achten Schulstufe werden ab kommendem Schuljahr mit landesweit einheitlichen Tests die Kenntnisse in Deutsch, Mathematik und Englisch abgefragt. Die Ergebnisse dürfen nicht in die Schülerbenotung einfließen, sie zeigen den Lehrenden lediglich das Unterrichtsniveau. Ministerin Schmied erwartet sich von den Bildungsstandards „enorm viel“: „Sie werden die Haltungen aller Beteiligten positiv verändern.“

Manches Faible für die althergebrachte Notengebung zwischen Sehr gut und Nicht genügend ist ohnehin relativ leicht aus der Welt zu schaffen. Bei Bezirksschulinspektor Tutschek meldete sich einmal eine Großmutter, die sich bitter beklagte, dass keine Noten von eins bis fünf im Zeugnis stehen. Nach längerem Nachfragen rückte die Oma mit dem Hintergrund ihrer Beschwerde her­aus: „Wie soll ich meinem Enkerl für einen Einser Geld geben, wenn es keine Noten mehr gibt?“