Eklat um den Langzeitdirektor Peter Noever

Eklat um den MAK-Direktor Peter Noever

Kulturpolitik. Wie viel Schaden richtete seine ­Selbstherrlichkeit tatsächlich an?

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Wer sich Donnerstag vergangener Woche in der Pressestelle des Wiener Museums für Angewandte Kunst (MAK) nach Peter Noever erkundigte, hatte wenig Glück: Man solle sich bitte entweder an das Kulturministerium wenden, so wurde knapp mitgeteilt, oder an den Kuratoriumsvorsitzenden des Museums, Erste-Bank-Chef Andreas Treichl. Für Noever sei man nicht mehr zuständig.

Noch einen Tag zuvor war dieser als Direktor des Hauses am Stubenring im Amt – bis zum Nachmittag. Da reichte er bei der zuständigen Ministerin Claudia Schmied sein Rücktrittsgesuch ein; eine Kontrolle des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Price­waterhouseCoopers (PwC) hatte ergeben, dass Noever dem MAK mindestens 100.000 Euro zurückzuzahlen habe – Kosten, die im Laufe der Jahre für Geburtstagsfeste der Mutter des Direktors entstanden waren und die Noever aus dem MAK-Haushalt beglichen hatte. Aus diesem Grund erstattete das Kuratorium am Donnerstag Strafanzeige gegen Noever. Neben PwC wird demnächst auch der Rechnungshof prüfen, was der grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl (siehe Interview) bereits vor Wochen beantragt hatte. Bis Redaktionsschluss am Freitag vergangener Woche stieg die Summe, die Noever an das MAK zu retournieren haben wird, auf kolportierte 132.000 Euro an. Als Sicherheit musste er laut Schmied 220.000 Euro – museumsintern spricht man von 260.000 Euro – auf einem Treuhandkonto hinterlegen. Denn auf Noever können noch weit höhere Rückzahlungen zukommen: Derzeit werden die Kosten für seine Selbstdarstellung mittels Publikationen und Website ebenso wie das von ihm gern in Anspruch genommene Limousinenservice und ausgedehnte Reisen überprüft.

Enttäuscht.
Claudia Schmied, die den Direktor bis vor Kurzem stets in Schutz genommen hatte und sich von ihm in Kunstfragen gerne beraten ließ, fand nun außergewöhnlich deutliche Worte, sprach von „Malversationen“ und „betrügerischer Absicht“; sie fühle sich „persönlich enttäuscht“ von Noever. Ebenso klar äußerte sich Treichl, der den nunmehrigen Ex-Direktor ebenfalls bis vor Kurzem noch verteidigt hatte: In einer Aussendung ließ er verlauten, dass die „Vertrauensbasis zwischen Herrn Noever und dem Kuratorium nicht mehr gegeben“ sei. Allerdings muss man sich ernstlich fragen, ob nicht auch die Leichtfertigkeit Schmieds und Treichls im Umgang mit dem MAK-Direktor (Treichl hatte Noever angeblich sogar seine Blanko-Unterschrift überlassen) zu dessen finanziellen Entgleisungen beigetragen hat. Bis zum 23. März – dann soll der Endbericht von PwC vorliegen – wollen weder Ministerium noch Kuratorium, noch die interimistische MAK-Direktorin Martina Kandeler-Fritsch zur Causa Stellung nehmen. Auch der ehemalige Direktor selbst weist eine Interview-­Anfrage von profil zurück: „Ich bin zurzeit damit beschäftigt, mich auf die Klärung und Bereinigung dieser Angelegenheit zu konzentrieren, und bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich mich zum jetzigen Zeitpunkt außerstande sehe, ein Interview zu geben“, schreibt er in einem SMS.

Sein Vorgehen erinnert ein wenig an jenes des deutschen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg: Dieser hatte seinen Doktortitel zurückgezogen, als nicht mehr zu verheimlichen war, dass seine Dissertation ein Plagiat war. Ebenso hätte Noever, nachdem die Strafanzeige eingebracht worden war, wohl ohnehin gehen müssen; fünf Minuten vor zwölf zog er die Reißleine. Erst nachdem eine für die Veranstaltungen zuständige freie Mitarbeiterin den Wirtschaftsprüfern entsprechende Rechnungen vorgelegt hatte, wurde das wahre Ausmaß der Kosten bekannt: Angeblich wurden aus der MAK-Kassa Rechnungen an Catering-Unternehmen beglichen, die erst später ihre Leistungen lieferten – für Noevers Partys. Durch diese Rechnungen konnte zudem das MAK die entsprechende Umsatzsteuer einbehalten – was aber bedeutet, dass das Museum nun dem Finanzamt die sich daraus ergebenden Summen schuldet. Einem Insider zufolge soll Noever aus diesem Grund bereits Tage vor seinem Rücktritt Selbstanzeige bei der Finanz erstattet haben; keiner der Beteiligten will sich derzeit zur Sache äußern, und das Finanzamt darf keine Mitteilung über Selbstanzeigen geben.

Die überaus aufwändigen Feste deklarierte Noever vor dem Kuratorium zunächst als „Mischveranstaltungen“, da sie unter anderem dem Einwerben von Sponsoren gedient hätten. Die Wirtschaftsprüfer fanden freilich keine Hinweise darauf, welche ­Gelder konkret das MAK bei den Festen akquirieren konnte. Die MAK Art Society (MARS), der Freundesverein des Museums, dagegen erklärte in einem Schreiben vom 28. Jänner an PwC, dass die Feiern „als Plattform“ benutzt worden seien, um „wichtige Personen und potenzielle Sponsoren an das MAK zu binden“. Der Verein sei gern bereit, „Kosten, die für diese Veranstaltungen entstanden sind und die nun durch Ihre Prüfung beziffert wurden, abzudecken“. Damals war freilich nur von rund 10.000 Euro die Rede gewesen.

Die MARS sprang bereits früher für Noevers Eigeninteressen ein: So finanzierte der Verein jenes Buch mit („peter noever. chronisch obsessiv“), das im Haus als „Noever-Bibel“ bekannt ist und in dem die Schriften des Direktors – teils von Ghostwritern erstellt – publiziert sind.

Bauchtänzerinnen.
Durch die Belegschaft des Museums selbst zieht sich mittlerweile ein tiefer Graben. Es ist längst wohlbekannt, dass Mitarbeiterinnen Besprechungen mit dem bisweilen cholerischen Direktor oft weinend verließen. Auf der anderen Seite stehen allerdings all jene, die mit Noever durchaus gut auskamen und seine zweifelsohne vorhandenen Verdienste um das MAK, seine unkonventionelle Herangehensweise an die Herausforderungen des Museums, seine innovative Neuaufstellung des Hauses loben. Noevers Leidenschaft wirkte gewiss auf viele Mitarbeiter ansteckend.

Es gibt aber auch Kollegen, die davon erzählen, wie ihre wissenschaftliche Tätigkeit hintertrieben wurde. So soll Noever Kuratoren verboten haben, in Büchern ­anderer Museen zu publizieren. Auch wird ­berichtet, dass der Museumsdirektor eine Mitarbeiterin zwecks Anwerbung von Bauchtänzerinnen anlässlich der mütterlichen Geburtstagsfeste in Nachtclubs schickte; dass er die vertrauliche Post des Betriebsrats öffnen ließ und unliebsamen Kritikern Kompetenzen entzog. Jene, die ihm unangenehm wurden, stellte er aufs Abstellgleis. „Oft hatte man den Eindruck, dass Noever alle Leute, die von außen kamen, als toll empfand – und jene im eigenen Haus geradezu als Dreck“, meint ein langjähriger MAK-Mitarbeiter.

Bei einer Versammlung der Belegschaft anlässlich des Rücktritts Noevers am Donnerstag vergangener Woche soll sich diese Spaltung drastisch gezeigt haben. „In einer Ecke stand die Noever-Entourage, auf der anderen Seite jene Mitarbeiter, die nicht ­direktionsnah waren“, beschreibt ein An­gestellter die Situation. Wer auch immer Noever folgen wird – unter den 58 Bewerbern für die MAK-Direktion finden sich etwa Design-Kuratorin Lilli Hollein, Ex-­documenta-Chef Roger Buergel sowie Kandeler-Fritsch –, wird mit der schlechten Stimmung im Haus zu kämpfen haben.

Debattier-Lust.
Als öffentliche Figur wird der schillernde Noever zweifellos fehlen: Seine markigen Sprüche und sein Programm sorgten für hitzige Debatten. Als er im Vorjahr eine Ausstellung über nordkoreanische Kunst präsentierte, diskutierte die Wiener Kunstszene wochenlang über nichts anderes. Bis zuletzt scheute Noever keine Konfrontation – und war sich nicht zu schade, Medien gegenüber Unmut zu artikulieren, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte. Auf die auch in profil geübte Kritik an seiner Nordkorea-Schau reagierte er mit einem Gastkommentar, in dem er seine Skeptiker der Kunstfeindlichkeit zieh (siehe profil 23/2010). Auf eine derartige Lust an der medial geführten Debatte trifft man im Kunstbereich selten.

Pikanterweise verlieh Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny Noever erst vor drei Monaten das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien; die Laudatio hielt der ehemalige Direktor des Guggenheim-Museums, Thomas Krens. Noevers Netzwerk ist dicht geknüpft, und es reicht weit. In seinem Buch publizierte er Testimonials, ähnlich wie in der Werbebranche; Kulturschaffende aus aller Welt loben darin den Museumsprinzipal. „Peter ist ein großartiger Charakter mit einer unglaublichen Energie“, schwärmt etwa Stararchitektin Zaha Hadid; der Kunsthistoriker Beat Wyss feiert Noevers „philosophische List, architektonische Planspiele, künstlerische Unverfrorenheit“, und der Philosoph Paul Virilio schreibt: „Mit Peter Noever beginnt der Widerstand.“ Etwas merkwürdig freilich erscheint heute jener Buchbeitrag, in dem Hadids Kollege Wolf D. Prix über die Gestalt des gebürtigen Innsbruckers Noever sinniert: „Warum sehen alle Tiroler aus wie der Patscherkofel? Massiv, breitschultrig, leicht nach vorne gebeugt mit starkem Nacken, auf dem sie weiland die Heuballen in die Scheune transportierten – heute tragen sie damit statt Holz moralische Verantwortung.“

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer