Eatdrink: Klaus Kamolz

eatdrink von Klaus Kamolz Feinkost-Match

Feinkost-Match

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Der Meinl am Graben, war dieser Tage zu lesen, müsse sich warm anziehen, denn der neue Flagshipstore aus dem Hause Rewe, ein Merkur auf dem Hohen Markt, drei Gehminuten vom Graben entfernt, gehe es „noch nobler“ an. Aber wie gut ist eigentlich dieser neue Merkur? Hier das Fazit zweier ausgedehnter Spaziergänge durch die Regalreihen der beiden Konkurrenten. Es ging nur darum, das frische Warenangebot für Kunden, die gerne selber kochen, zu bewerten – plus Wein und Restaurant.

Ambiente
Das Gefühl, ein Delikatessen-Dorado zu besuchen, will sich im Merkur nicht einstellen: eher kaltes Licht, viele Gänge mit dem konventionellen Convenience-Angebot, prominent platzierte, hier dann doch eher unpassend wirkende Billig-Eigenmarken. Damit kommt man gegen die Holzvertäfelungen und die vielen appetitanregend drapierten Vitrinen ­drüben auf dem Graben nicht an.
Meinl – Merkur: 1:0

Öffnungszeiten
Wochentags 8.30 bis 21 Uhr im Merkur, 8 bis 19.30 Uhr im Meinl. Ausgleich!
Meinl – Merkur: 1:1

Logistik
Auf dem Hohen Markt gab es schon Szenen, die an After-Show-Randale auf einer ORF-Studiobühne heranreichten. Genervte City-Ladys und Hofräte vs. Touristen, die nur schauen kommen – das kann nicht gut gehen. Warum? Viel zu enge Bereiche vor den Kassen, winzige Lifte in einem dreigeschoßigen Laden, in die nur zur Not ein zweiter Einkaufswagen passt (im Meinl gehen sich vier locker aus). Dazu: Chaos im Obst-Gemüse-Bereich: Viele Waren haben keine Nummer für die Waage.
Meinl – Merkur: 2:1

Obst und Gemüse
Überraschend viel so genanntes „Steirereck-Zeug“ beim Herausforderer: Raritäten wie Beta-Sweet-Karotten, Buddhas-Hand-Zitronen, alte Erdäpfelsorten („rosa Tannenzapfen“), exotische Zuchtpilze und Kräutervielfalt. Meinl hält mit viel gängigem Premium-Obst und höheren Preisen mehr schlecht als recht dagegen. Tor wird gegeben.
Meinl – Merkur: 2:2

Fleisch
Mit einem breiten Angebot an heimischem und amerikanischem Rindfleisch (dry aged und Bio) und Bio-Mangalitzafleisch überrollt Merkur den Platzhirsch. Ein Preisbeispiel, Wagyu-Beiried betreffend: Merkur 179 Euro/­Kilo, Meinl 279 Euro/Kilo (außer Konkurrenz, die exakte Herkunft und der Marmorierungsgrad sind nicht angegeben).
Meinl – Merkur: 2:3

Geflügel

Bereits in der Vitrine ­neben dem Rind der rasche Ausgleich: Wildgeflügel, Tauben, Stubenküken, hochwertige Hühner bei Meinl, mattes Angebot auf dem Hohen Markt.
Meinl – Merkur: 3:3

Fisch
Aberwitzig teure Luxusware aus Meer und heimischen Gewässern am Graben, guter heimischer Fisch, eher wenig aus dem Meer (und deutlich güns­tiger kalkuliert) bei Merkur. Lattenpendler für Merkur, aber es bleibt beim Zwischenstand.
Meinl – Merkur: 3:3

Käse

Immer noch unschlagbar, was Auswahl und Beratung betrifft: Meinl am Graben.
Meinl – Merkur: 4:3

Wein
Ziemlich enttäuschendes Sortiment beim Neuen: viel zu viel Supermarktware, viel zu wenige Premium-Weine (vor allem bei den heimischen Roten). Da lässt der Meinl-Keller nichts anbrennen.
Meinl – Merkur: 5:3

Restaurant
Im Merkur wurde als Attraktion Sohyi Kim engagiert, die dort jetzt ab und an bestaunt werden darf, wenn sie hinter Glas kocht. Viele Wien-Besucher tun das: „Mei, schau, isch des net die Chim?“ Kulinarisch ist das weniger aufregend: halbwegs ordentliche Asia-Freestyle-Küche plus Wiener Schnitzel. Und außerdem muss man Essen zwischen herumrollenden Einkaufswägen auch mögen (Service-Chaos inklusive). Das Meinl-Restaurant bleibt vom Feinkostbetrieb unbehelligt. Die klassische Küchenlinie feiert – wie hier unlängst zu lesen war – unter Metin Yurtseven ein Comeback und wurde vor wenigen Tagen wieder mit zwei Hauben versehen. Trotzdem: Derart verschiedene Konzepte kann man nicht vergleichen.

Endstand
Es bleibt bei 5:3 für Meinl am Graben, aber wer umsichtig und kostenbewusst einkaufen will und die Zeit dazu hat, ist gut beraten, sich das Beste aus beiden Läden zu ­holen; sie sind eh fast Nachbarn.

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