Liebe, Hass und Verrat beim BZÖ

Die Orangen kämpfen mit Personalmangel

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Die Wahlgeschenke sind von vor­ges­tern: „BZÖ-Liste Westenthaler“ steht auf den orangen Kugelschreibern, die Elisabeth Marjanov beim Wahlkampfstand im vierten Wiener Bezirk verteilt. Wes­tenthaler ist zwar nicht mehr Listenführer, aber für neue Kulis bräuchte man Geld – und vor allem einen neuen Spitzenkandidaten. Marjanov ist eigentlich im fünften Bezirk BZÖ-Vorsitzende und hilft auf der Wieden nur ein wenig aus. „Wir sind nicht so viele“, räumt sie ein. Auf mehr als 50 Wahlhelfer kommen die Orangen in Wien nicht, die SPÖ kann mehr als das Hundertfache aufbieten. Die allgemeine Notlage des Bündnis Zukunft Österreich erfordert Eigeneinsatz: Pensionistin Marjanov hat ihr oranges T-Shirt selbst gekauft.

Freitag Früh vergangener Woche setzt sie eher auf Undercover-Strategie: „Das Volksbegehren hat mit dem BZÖ nichts zu tun“, versucht Marjanov Passanten zur Unterschrift unter das orange Teuerungsvolksbegehren zu bewegen. Marjanovs verzweifelte Distanzierung von ihrer Partei hilft wenig: Am Montag sammelt sie fünf Unterschriften, am Freitag nicht viel mehr. Zahlreicher sind die Beschimpfungen: „Manche sagen ,Euer Westi ist ein Raufer‘“, seufzt Marjanov. Sie wünscht sich Jörg Haider als Spitzenkandidaten: „Dann wüssten die Leute, dass er beim BZÖ ist. Viele wählen die FPÖ, weil sie glauben, dort ist der Haider.“

Es ist ein Wahlkampf mit Hindernissen, zu dem das BZÖ antritt. Der Starmoderator des Wahlkampfs 2006, „Taxi Orange“-Mann Walter Watzinger, ist verhindert, er wartet auf seinen Prozess wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen. Der damalige Spitzenkandidat Peter Westenthaler ist (nicht rechtskräftig) zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und im Law-and-Order-Wahlkampf nur bedingt einsetzbar. Manchmal leidet die Partei bereits unter Realitätsverlust. „Politiker, die lügen, sollen Strafe zahlen!“, rückte die „Kronen Zeitung“ noch zwei ­Tage vor Westenthalers Verurteilung eine aktuelle BZÖ-Forderung ins Blatt.

Schiedsgericht. Parteistrukturen der Orangen sind drei Jahre nach der Gründung außerhalb Kärntens kaum vorhanden: Bei der Landtagswahl in Niederösterreich übersprang das BZÖ im März nicht einmal die Einprozentmarke, in Tirol trat es wegen mangelnder Erfolgsaussichten gar nicht erst an. Und die kleine Wiener Landesgruppe streitet sogar darum, wer eigentlich das BZÖ ist. Jörg Haider soll nun alles retten: Im Mediawatch-Polit­ranking der Vorwoche war er der Politiker mit der stärksten Präsenz, vor allem dank seiner laut Verfassungsjuristen widerrechtlichen Asylantenverschiebungen. „Wir werden im Wahlkampf eine viel stärkere Haider-Schiene fahren als 2006“, sagt Peter Westenthaler. Am Abend nach seiner Verurteilung erklärte er, dass er als bundesweiter Spitzenkandidat abgelöst sei. Selbst sein Antreten als einfaches Listenmitglied in der Bundeshauptstadt wackelt. Am Montag dieser Woche sollen gleich zwei Wiener BZÖ-Listen vorgestellt werden: eine von Landesobmann Michael Tscharnutter und eine von Hans-Jörg Schimanek. Letzterer sieht sich als „Vertreter des legitimen BZÖ in Wien“, kämpft mit seiner – für BZÖ-Maßstäbe – mitgliederstarken Floridsdorfer Gruppe vor dem Schiedsgericht gegen seinen Parteiausschluss und hat Westenthaler nicht auf dem Ticket.

Die Kandidatensuche der Orangen treibt unterdessen skurrile Blüten. Veit Schalle, ehemals Billa-Chef und seit 2006 BZÖ-Parlamentarier, tat vergangenen Dienstag bei seinem Herrenfriseur in der Wiener Innenstadt kund, er wolle wieder antreten. „Aber nicht als Nummer eins“, meinte er später gegenüber profil, „obwohl es eigentlich wurscht ist, an welcher Stelle.“
Bei Haiders ehemaliger Frontfrau, Susanne Riess-Passer, musste Peter Westenthaler auf Order Haiders anklopfen, ob sie zu einem Treff bereit sei. Die nunmehrige Wüstenrot-Chefin erteilte ihm eine Abfuhr. Im Gespräch war auch der ehemalige Justizminister Dieter Böhmdorfer. Darauf angesprochen, lacht Böhmdorfer laut und winkt ebenfalls ab.

Bei der FPÖ macht es vielen großen Spaß, Ewald Stadler, Haiders ehemaligen Mann fürs Grobe und späteren wüsten Gegner, als neuen BZÖ-Spitzenkandi­daten ins Gerüchterennen zu schicken. ­Stadler, Spitzname „Dobermann“, war zuletzt wilder Abgeordneter im blauen Klub. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky will definitiv wissen, dass Haider und ­Stadler sich am vorvergangenen Wochenende in Velden getroffen hätten. Und Andreas Mölzer, FPÖ-Abgeordneter im EU-Parlament, beteuert, zu Stadlers angeblichem Schwenk „sich verdichtende Informationen aus mehreren Ecken des BZ֓ zu haben.

„Verräter“. Das wäre mehr als absurd: Ewald Stadler war seinerzeit mit Hohn über das BZÖ hergefallen: „Ganz Österreich lacht über diese Neugründung. Die BZÖ-Mitglieder werden bald merken, dass ihr ‚Bündnis‘ nichts anderes als ein sekto­ider Anbetungsverein ist. Ich wünsche ihnen viel Spaß mit den nächsten Eskapaden des Herrn Haider!“ FPÖ-Mann Vilimsky: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“ Und Mölzer hat auch schon ein mögliches Motiv für den Fall von Stadlers BZÖ-Spitzenkandidatur: Rache an Strache. Stadler war für das Auftauchen der Fotos mit Strache bei wehrsportähnlichen Übungen verantwortlich gemacht worden und wurde daraufhin FPÖ-intern demontiert. Mölzer: „Liebe, Hass, Verrat spielen auch im dritten Lager eine Rolle.“ Zum Stimmenfischen eigne sich Stadler auch nicht: „Im rechts-nationalen Bereich gilt er seit der Fotogeschichte als echter Verräter.“

Freilich: Auch bei den Orangen ist ­Stadler alles andere als beliebt. Helene Partik-Pablé überlegt für den Fall des Falles jedenfalls bereits den Rückzug aus dem BZÖ: „Ob ich für einen Radikalinski wie Stadler wahlkämpfe, weiß ich nicht.“ Die orangen Abgeordneten warten die Kür des Spitzenmanns schicksalsergeben ab: „Ich bin für alle offen, die uns irgendwie helfen, in der Situation, in der wir sind“, sagt Sozialsprecher Sigisbert Dolinschek. Die Wahlkämpfer im vierten Wiener Bezirk versuchen derweil tapfer, Broschüren mit „113 orangen Initiativen“ unters Volk zu bringen. Eine davon bekämpft etwa „Flugreiseverbote“. Begründung: „Gäste aus Japan und China werden sicher nicht mit dem Fahrrad nach Österreich kommen.“

Von Marianne Enigl und Eva Linsinger