Goldener Boden

Maria Fekter: Dubiose "Lex Schotter"

Fekter. Warum Bodenschätze wie Schotter überraschende Privilegien genießen

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Bärtige Abenteurer, die auf wilden Pferden zum Fluss reiten, dort Sand sieben und manchmal ein paar Nuggets finden, sieht man im Salzburger Lungau nicht. Auch die anderen Western-Zutaten eines Goldrauschs sind im abgelegenen Gebirgsgebiet in den Hohen Tauern nicht vorhanden. Der Goldgräber des 21. Jahrhunderts geht hoch technisiert vor, kommt mit dem Hubschrauber, entnimmt in einer Tiefe von 280 Metern Probebohrungen und lässt die Funde von Wissenschaftern genau analysieren. Ob in den alten, im Jahr 1920 stillgelegten Bergbauminen nahe dem Sonnblick genug Gold schlummert, um den Abbau lohnend zu machen, ist eher ungewiss.

Es wäre eine Rarität in Österreich:
Nur fünf Regionen, alle in den Bergen Salzburgs, Kärntens und der Steiermark, erscheinen den professionellen Goldgräbern der Noricum AG lohnend genug, um überhaupt Proben zu ziehen. Die Chance, auf dem eigenen Grundstück Gold zu finden, liegt hierzulande statistisch noch unter der auf einen Lottosechser. Also nahe null.

Wesentlich öfter kommt ein anderer Bodenschatz vor: Schotter. Auch er kann sich quasi als Goldgrube erweisen.

Doch der Reihe nach: Wenn jemand mit seinem Grund und Boden plötzlich, quasi über Nacht, reich wird, begibt sich das meist nicht durch Goldfunde, sondern durch den bürokratischen Akt einer Umwidmung. Sobald so aus Grünland Bauland wird, kann eine bis dato fast wertlose Wiese schnell, je nach Gegend, ein heftig nachgefragter Baugrund und bis zu 400 Euro pro Quadratmeter wert sein. Derartige Gewinne sind recht häufig: Jeden Tag mutieren rund 25 Hektar von Grün- zu Bauland, die Wertsteigerungen durch diese Umwidmungen werden auf knapp 3,5 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Bisher war das ein Glücksfall für den Grundbesitzer und ein Nullsummenspiel für den Staat, denn bis April dieses Jahres waren derartige Umwidmungsgewinne steuerfrei. Wer seinen einst spottbillig erworbenen Acker als teuren Baugrund verkaufte, blieb vom Finanzamt unbehelligt.

Seit mit dem Sparpaket auch die so genannte Immobilienertragsteuer beschlossen wurde, gehen derartige Transaktionen nicht mehr ohne einen Cent Steuer über die Bühne. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt das Grundstück erworben, je nachdem, wann eine Immobilie gekauft wurde und ob sie der eigene Wohnsitz war oder nicht, sind beim Weiterverkauf neuerdings bis zu 25 Prozent Steuern auf den Wertzuwachs abzuliefern. Es kommt recht selten vor, dass eine neue Steuer reihum von allen Experten begrüßt wird – bei dieser war das aber der Fall, verletzte die alte Regelung mit einem Steuersatz von null Prozent doch das Gerechtigkeitsempfinden erheblich.

Aber mancher Boden bleibt auch mit der neuen Steuer golden. Und Finanzministerin Maria Fekter scheint ihrem alten Spitznamen „Schotter-Mitzi“ gerecht geworden zu sein.

Um Rechtssicherheit zu schaffen, wurden dem seit April gültigen Gesetz nun noch einige Klarstellungen des Finanzministeriums hinterhergeschickt. So wird penibel erläutert, wie beim Grundstücksverkauf zu unterschiedlichen Zeitpunkten errichtete Gebäude zu besteuern sind, auch weitere Details sind ausführlich präzisiert. Nur eine Variante, wie Acker oder Wiese an Wert gewinnen, fehlt bemerkenswerterweise völlig: der Fund von Bodenschätzen. Also der extrem seltene Fall von Goldvorkommen, der auch nicht viel häufigere von Erdöl oder Erdgas – und der viel weniger rare von Schotter.

Schotter klingt viel unspektakulärer als eine Ölquelle oder eine Goldader, ist aber erstens in Österreich recht alltäglich und zweitens erstaunlich lukrativ. „Im Schotterabbau steckt sehr viel Geld. Da sind Millionen zu machen“, weiß Werner Doralt, eine Koryphäe des österreichischen Steuerrechts. Denn: „Wenn ich als Bauer auf meinem Grund Schotter finde, habe ich einen Lottotreffer gemacht.“

Im Finanzministerium wurde eigentlich intern darüber nachgedacht, auch den Fund von Bodenschätzen in die Immobilienertragsteuer mit einzubeziehen. In einem Gesetzesentwurf der Fachabteilung werden im Zuge der nun erfolgten Klarstellung explizit „mineralische Rohstoffe“ genannt. Das hätte im Klartext bedeutet: Der Fund von Öl, Gas, Gold oder Schotter auf einem Grundstück hätte einen Wertzuwachs bedeutet, und dieser wäre beim Verkauf des Grundstücks zu besteuern gewesen.

Hätte, wäre, könnte:
Die Regelung kam über den Konjunktiv nicht hinaus. Im Gesetzesentwurf, den das Finanzministerium dann an den Budgetausschuss des Parlaments weiterleitete und der noch im November im Nationalrat beschlossen werden soll, fehlt interessanterweise die Passage über die „mineralischen Rohstoffe“ völlig. Werner Doralt kann sich dar­über in Rage reden: „Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Es stört mich sehr, dass die mineralischen Rohstoffe nicht enthalten sind.“

Warum entschied sich das Finanzministerium so? Die Ministeriumssprecherin sagt: Es sei normal, dass einem Begutachtungsentwurf umfangreiche fachliche Überlegungen vorausgehen.
Gunter Mayr, Sektionschef für Steuerpolitik, präzisiert: „Es könnte einem allgemeinen Empfinden entsprechen, dass ­Bodenschätze zum Grundstück gehören. Allerdings folgt das Steuersystem nicht immer dem menschlichen Empfinden.“ Der Verwaltungsgerichtshof hatte einst entschieden, dass Bodenschätze wie Schotter ein eigenes „Wirtschaftsgut“ sind, das mit dem Grundstück eigentlich nichts zu tun hat. Die Beamten hatten nun angedacht, eine vom Verwaltungsgerichtshof abweichende Rechtslage zu schaffen. Ob das sinnvoll gewesen wäre? Mayr: „Das wäre nur im Rahmen einer größeren Steuer­novelle möglich.“ Vielleicht folgt diese, irgendwann.

Vorerst aber bleiben die Bodenschätze unerwähnt. Johann Neuner ist ein Steuerberater aus Klagenfurt, der sich in die Immobilienertragsteuer vertieft hat. Für ihn bleibt die Steuer durch das Fehlen der mineralischen Rohstoffe ein unvollendeter Versuch: „Wenn man aus einem abgerundeten System ein Stück herausschießt, hat man auf einmal statt einem Gebiss eine Zahnlücke.“

Unbestritten ist: Bei der gesetzlichen Regelung handelt es sich im Grunde um eine „Lex Schotter“. Bergbaukundler wie Peter Moser von der Montanuniversität Leoben können zwar mit Salz, Kohle oder Erdgas eine Menge mineralische Rohstoffe aufzählen. Die meisten haben aber, neben dem Nachteil, extrem selten vorzukommen, noch andere Haken.

Öl oder Gas etwa ist, wie Salz, ein „bundeseigener“ Rohstoff. Das Öl- und Gasunternehmen OMV und die Rohöl-Aufsuchungsgesellschaft RAG bohren zwar rund 20-mal pro Jahr auch in Österreich, die RAG etwa derzeit im Raum Steyr. Falls Öl oder Gas entdeckt wird, gehört der Rohstoff aber automatisch der Republik (und zwar unabhängig von der Tiefe des Fundes) – der Grundstückseigentümer kann dann seinen Boden nur für die Dauer der Förderung an OMV oder RAG verpachten.

Gold firmiert wie Silber in der Kategorie „bergfrei“ – es gehört, vereinfacht gesagt, demjenigen, der es entdeckt, nicht dem Grundstückseigentümer. Die einzigen Rohstoffe, die eine veritable Wertsteigerung für den Grundbesitzer darstellen, sind die so genannten „grundeigenen“ Rohstoffe, also Sand, Kies oder Schotter. Bergbauprofessor Moser: „Von Öl oder Gold auf seinem Grund hat der Grundbesitzer nichts – im Gegensatz zu Schotter. Wie viel ein Schotterfund aber wert ist, hängt von vielen Parametern ab, etwa dem, ob es eine Bürgerinitiative gegen den Schotterabbau gibt oder nicht.“

Der Name Maria Fekter ist untrennbar mit der Schotterindustrie verbunden. Schon als sie 1990 zur Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium aufstieg, sorgte ihr Status als Mitglied einer oberösterreichischen Kies- und Schotterdynastie für Aufregung – und für eine Unvereinbarkeitsdebatte. Als Neo-Regierungsmitglied musste sie ihre Anteile am Familienbetrieb, den Niederndorfer Kieswerken, zurücklegen. Doch der Spitzname „Schotter-Mitzi“, den Fekter nie hatte leiden können, blieb – und wurde immer wieder neu genährt. Etwa durch den seinerzeitigen Vorwurf vom ­Koalitionspartner SPÖ, Verhandlungsführerin Fekter habe die Berggesetznovelle verzögert. Oder durch Termine am Gemeindeamt in Oberösterreich: „Nur ein bisserl dabeigesessen“ sei sie beim Gespräch ihres Mannes, dem Geschäftsführer des Schotterbetriebs, mit dem Bürgermeister über den Schotterabbau, recht­fertigte sich Fekter damals. Als es ums Geschäft ging, sei sie aber ohnehin auf den Golfplatz gegangen.

Seit Fekter 2008 wieder zu Regierungsehren kam, arbeitete sie eher an Spitznamen wie „Austro-Thatcher“ und argumentiert hartnäckig gegen „Reichensteuern“ an.

„Man sieht die Handschrift der ÖVP-Finanzministerin“, lautet denn auch die Bilanz des Steuerexperten Johann Neuner über die Immobilienertragsteuer. Denn Privatpersonen, die Grundstücke oder Immobilien verkaufen, müssen dafür nun erstmals maximal 25 Prozent Steuern abliefern. Unternehmen und Personengesellschaften zahlten aber schon davor Ab­gaben, und zwar bis zu 50 Prozent. Nun fallen auch sie unter die günstigere 25-Prozent-Steuerregel. „Ich verstehe nicht, warum der Steuersatz heruntergesetzt wurde. Ich dachte, der Staat braucht Geld“, wundert sich nicht nur Finanzwissenschafter Doralt über diese Begünstigung.

Geld braucht nicht jeder, und sogar Goldfunde können manchem höchst ungelegen kommen. Dem Papierindustriellen und früheren Politiker Thomas Prinzhorn etwa. Er wehrt sich gegen die Hubschrauber der Goldsucher im Salzburger Lungau, hat er doch dort von den Bundesforsten eine Jagd gepachtet: „Der Hubschrauber verjagt die Gams.“ Wenn Prinzhorn sich zwischen Gold und Gams entscheiden muss, sind seine Prioritäten klar: Gams.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin