Der lange Weg des Martin Schlaff

Porträt: Der lange Weg des Martin Schlaff

Vom Osthändler zum Vertrauten des Kanzlers

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Es war ein Gespräch von Mann zu Mann. Die Atmosphäre: freundschaftlich. Der Ton: amikal. Das Thema: vertraulich.

Anfang Jänner wurde Bundeskanzler Wolfgang Schüssel von einem Herrn aufgesucht. Der Besucher kam auf Geheiß eines überaus diskreten Mannes: Martin Schlaff, Milliardär, Philanthrop, Mäzen. Vorstand und Miteigentümer der Holz- und Papierhandelsgruppe Robert Placzek. Ein Wiener Geschäftsmann mit sorgsam gepflegter Öffentlichkeitsscheu. Ein Mann, dem die Republik zu Dank verpflichtet ist. Und der nun gedenkt, diesen Dank einzufordern.

Schüssel musste sich nicht lange um einen Termin in Sachen Schlaff bitten lassen. Man kennt und schätzt einander immerhin schon ein paar Jahre.

Schlaff, ausgewiesener Sozialdemokrat, hält große Stücke auf den konservativen Schüssel, seit sich dieser als Regierungschef um die Rückgabe von NS-Raubgut verdient gemacht hat.

Schüssel wiederum ist Schlaff seit dem Sommer 2002 gewogen, als ihm der Geschäftsmann einen wertvollen Dienst erwies. Um die Normalisierung der nach der schwarz-blauen Wende abgebrochenen Beziehungen zwischen Israel und Österreich zu erreichen, ließ Schlaff seine exzellenten Kontakte in den Nahen Osten spielen – namentlich zu Premierminister Ariel Sharon. Mit Erfolg. Seit 2003 hat Israel wieder einen Botschafter in Wien, im Jahr darauf absolvierte Präsident Moshe Katzav einen Versöhnungs-Staatsbesuch in Österreich.

Jetzt, Anfang 2005, ließ Schlaff dem Kanzler ein Anliegen in eigener Sache vortragen: Mit einem Konsortium um den Industriellen Josef Taus (einen Ex-ÖVP-Obmann) und den Unternehmensberater Herbert Cordt (einst Assistent von SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch, später Länderbank-Vorstand) will er den 25,1 Prozent großen Staatsanteil der zur Privatisierung anstehenden Telekom Austria übernehmen. Kaufpreis: nicht unter 1,8 Milliarden Euro. Schlaff soll über den Ausgang der Unterredung seines Emissärs mit dem Kanzler durchaus erbaut gewesen sein.

Vom Graben auf den Ballhausplatz. Von seinem unprätentiösen Büro im noblen Trattnerhof am Wiener Graben, dem Sitz der Robert Placzek AG, sind es nur ein paar Schritte auf den Ballhausplatz hinüber. Kein weiter Weg.

Und dennoch hat Schlaff Jahre gebraucht, um dorthin vorzudringen.
Es ist gar nicht lange her, da war der heute 51-jährige Unternehmer – akkurat gestutzter Schnurrbart, Maßanzug, feins-tes Schuhwerk, souveränes Auftreten – einer jener Menschen, denen man gerne das Attribut „schillernd“ verpasst. Einer, mit dem sich Wolfgang Schüssel öffentlich nur ungern hätte blicken lassen: in den achtziger Jahren in mäßig transparente Geschäfte mit der DDR und Erich Honeckers Einheitspartei SED verwickelt; in den Neunzigern von westlichen Geheimdiensten als mutmaßlicher Stasi-Spion gejagt; von der deutschen Justiz wegen mutmaßlich illegaler Geldtransfers vorübergehend per Haftbefehl gesucht.
Schlaff war ein Outcast.

Die vergangenen zehn Jahre verbrachte er damit, die Vorwürfe vor Gerichten in Österreich, der Schweiz und Deutschland zu bekämpfen. Heute ist er rehabilitiert.

Und verkehrt auf höchster politischer Ebene. Vorzugsweise als stiller Vermittler zwischen allen Fronten – der israelischen Regierung und der palästinensischen Autonomiebehörde. Jörg Haider und Ariel Muzicant, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde. Oder eben Wien und Jerusalem.

Nebenprodukt der Bemühungen: das eine oder andere Geschäft. Inzwischen wird das Privatvermögen Schlaffs auf rund zwei Milliarden Euro taxiert.

In der Tat: ein weiter Weg. Er begann Ende der siebziger Jahre in den Geschäftsräumen der Robert Placzek AG.

Die Robert Placzek AG war und ist vorwiegend im „Großhandel mit Rohstoffen, Halbwaren, Altmaterial und Reststoffen“ tätig. Ihre Produktpalette umfasst so spannende Erzeugnisse wie Bahnschwellen, Dachpappe, Papier und Parketten. Dahinter verbirgt sich freilich ein weit verzweigter Konzern mit vielen anderen Geschäftsfeldern: Immobilien, Textilien, Unternehmensbeteiligungen.

Über das Unternehmen ist nicht viel mehr bekannt als über dessen Eigentümer, der nichts so sehr hasst wie Publizität. Die Robert-Placzek-Gruppe macht in Österreich offiziell jährlich 100 Millionen Euro Umsatz. Zusammen mit ihren internationalen Beteiligungen dürfte sie ein Vielfaches davon erwirtschaften.

Ende der siebziger Jahre war Martin Schlaff bei dem von seinem Vater und den beiden Geschäftsmännern Ladislaus Moldovan und Friedrich Wiesel 1954 gegründeten und hauptsächlich im Osthandel tätigen Unternehmen eingestiegen.

Handelspartner. Der damals knapp 30-jährige Absolvent der Wiener Wirtschaftsuniversität lernte die Regeln des Geschäfts mit Ostblockstaaten im Allgemeinen und der DDR im Besonderen sehr schnell. Als der Arbeiter-und-Bauernstaat 1989 kollabierte, war Schlaff zu einem der engsten Handelspartner des SED-Regimes avanciert.
Was ihm einerseits viel Geld, zugleich aber auch mächtig viel Ärger einbringen sollte.

Unmittelbar nach der Wende ließ die deutsche Bundesregierung von Kanzler Helmut Kohl umgerechnet knapp 43 Millionen Euro beschlagnahmen, die Schlaffs Konglomerat zuvor aus Festplattenlieferungen an die DDR kassiert hatte. Begründung: Die Computerteile seien in Wirklichkeit nie geliefert worden, der Deal nur ein Scheingeschäft gewesen. Zudem bezichtigte ihn der US-Geheimdienst CIA unter Berufung auf Dokumente aus DDR-Archiven, für die Stasi im Westen spioniert zu haben – als „Inoffizieller Mitarbeiter (IM) Landgraf“.

Es folgten ein Haftbefehl, hochnotpeinliche Hausdurchsuchungen an Schlaffs Wiener Adressen und Observationen durch die österreichische Staatspolizei.

Die jahrelangen behördlichen Investigationen führten ins Nichts. 1996 stellte die Staatsanwaltschaft Wien die Ermittlungen wegen des Verdachts des „geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs“ ein. Zwei Jahre später schloss auch der Generalbundesanwalt beim deutschen Bundesgerichtshof sein „Ermittlungsverfahren wegen Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit“.

Die bislang größte Genugtuung wurde Schlaff weitere vier Jahre später zuteil. Im April 2002 sprach ein Schweizer Gericht seiner Unternehmensgruppe die Erlöse aus dem umstrittenen DDR-Computerdeal zu. Die Deutschen mussten zahlen – und verzichteten auf jedes Rechtsmittel gegen das Urteil.

Schlaff hat zu seiner Rolle in der damaligen DDR nur einmal Stellung genommen. Zitat aus dem einzigen Interview seines Lebens, das er im Jahr 2002 gewährte (profil 18/02): „Ich war kein Stasi-Spitzel. Nach der Wende haben mir allerdings vier Geschäftspartner gestanden, dass sie getarnte Stasi-Mitarbeiter waren. Das Festplatten-Geschäft wurde vertragsgemäß und völlig korrekt abgewickelt.“

Die langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen brachten Schlaff in jene Situation, die er am meisten verabscheut: mediale Präsenz, noch dazu ohne jede Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen.

Öffentlichkeitsscheu. Von raren Einzelfällen – etwa bei Prozessen gegen unbotmäßige Journalisten – abgesehen, gibt ein Martin Schlaff prinzipiell keine Stellungnahmen ab. Die Fotos, die von ihm existieren, lassen sich an einer Hand abzählen. Selbst die hochoffizielle Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien, das ihm Anfang der neunziger Jahre vom damaligen SPÖ-Bürgermeister Helmut Zilk ans Revers geheftet worden war, fand als geschlossene Veranstaltung statt. Schlaff bekam den Orden, weil er dem jüdischen Museum der Bundeshauptstadt die weltweit größte Sammlung von Antisemitika überlassen hatte. Dass der Presse später Bilder der Zeremonie zugespielt wurden, bezeichnete Schlaff im kleinen Kreis als „Gemeinheit“.

Was Schlaff bei der Entfaltung und Pflege seiner persönlichen, geschäftlichen und politischen Aktivitäten am wenigsten brauchen kann, sind begehrliche Blicke von außen.

Wohl kein anderer Österreicher verfügt über ein derart fein gewobenes Netz von Beziehungen – und zwar quer durch alle Lager: Ex-ÖVP-Obmann Taus gehört ebenso zu seinen Geschäftspartnern wie der frühere FPÖ-Chef Norbert Steger. Mit dem ehemaligen SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky verbindet ihn eine persönliche Freundschaft. Vom derzeitigen ÖVP-Regierungschef Wolfgang Schüssel wird er jederzeit empfangen.

Ganz en passant schafft er es auch, selbst hoffnungslos verhärtete Fronten aufzubrechen: Im Jahr 2001 hatte Kärntens FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider bei einer seiner berüchtigten Aschermittwochs-Reden Ariel Muzicant, den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, mit einem bösen Wortspiel beleidigt. Nach einjährigem Gerichtsstreit wurde die Causa außergerichtlich beigelegt – auf Vermittlung von Martin Schlaff. Geschäftspartner Herbert Cordt: „Er ist ein gut vernetzter Unternehmer mit hervorragendem Verhältnis zu allen Parteien.“

Von seinen internationalen Kontakten gar nicht zu reden: Schlaff war einer der Letzten, die mit dem 1995 ermordeten israelischen Premierminister Yitzhak Rabin sprachen. „Nachmittags kam zuerst Martin Schlaff, ein Freund aus Wien, zu Besuch“, schildert Rabins Witwe Lea in ihren Memoiren den Todestag ihres Mannes.

Geschäfte und Beziehungen. Mit der Familie des nun amtierenden, rechtskonservativen Premiers Ariel Sharon pflegt Schlaff ebenso engen Umgang. Bis heute halten sich Gerüchte, denen zufolge er Sharon im Jänner 2002 zusammen mit dem südafrikanischen Geschäftsmann Cyril Kern unter höchst konspirativen Umständen ein günstiges Darlehen über 1,5 Millionen US-Dollar verschafft haben soll. Schlaff hat seine Beteiligung daran stets dementiert.

Tatsache ist: Bei der Normalisierung der österreichisch-israelischen Beziehungen hat der Geschäftsmann eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Am Pfingstsonntag 2002 reiste er im Auftrag von Wolfgang Schüssel in geheimer diplomatischer Mission nach Jerusalem – zusammen mit Josef Taus, der ihm beim Kanzler ein entsprechendes Entree verschafft hatte. In Israel konferierten Schlaff und Taus mit Premierminister Sharon. Bis heute gilt das Treffen als ausschlaggebend für das Ende der bilateralen Eiszeit.

Auch um den Nahost-Friedensprozess hat sich Schlaff offenbar verdient gemacht. So organisierte er im Jänner 2001 in seiner Wiener Wohnung ein Treffen zwischen Sharons Sohn Omri und Muhammad Rashid, dem Berater des jüngst verstorbenen Palästinenser-Präsidenten Yassir Arafat.

Yassir Arafat war es gewesen, der Schlaff und den Casinos Austria 1998 die Eröffnung des Oasis Casino Jericho im palästinensischen Autonomiegebiet ermöglicht hatte (das Casino ist seit Ausbruch der zweiten Intifada allerdings geschlossen).

Martin Schlaff wiederum fädelte für Arafat die Anschaffung eines Flugzeugs für die palästinensische Regierung ein. Der hochmoderne Canadair-Businessjet vom Typ Challenger ist an seinem Heimatflughafen Wien-Schwechat unter der österreichischen Kennung OE-IYA registriert.

Auch Schlaff benutzte ihn in den vergangenen Jahren gerne – zumal Arafat seinen Regierungssitz in Ramallah ohnehin nur selten verlassen konnte.

OE-IYA hob beispielsweise am 26. März 2003 in Richtung Sofia, Bulgarien, ab. Zweck der Reise: die Eröffnung der Zentrale des bulgarischen Mobilfunkbetreibers Mobiltel. Schlaff hatte das Unternehmen im Jahr zuvor gemeinsam mit Josef Taus, Herbert Cordt und der Bawag erworben.

An Bord des Flugzeugs: eine illustre Delegation um Kanzler Schüssel, Casinos-Austria-Chef Leo Wallner, den damaligen Bawag-General Helmut Elsner, Staatsoperndirektor Ioan Holender – und Musikliebhaber Schlaff.

Beim anschließenden Empfang in der Oper von Sofia konnte Schüssel den bulgarischen Ministerpräsidenten Simeon Sakskoburggotski ans Herz drücken. Und hatte obendrein das Vergnügen, dem Musikkonservatorium der bulgarischen Hauptstadt mehrere Bösendorfer-Flügel zu überreichen. Welch schöner Gleichklang: Die Wiener Klaviermanufaktur Bösendorfer steht im Eigentum der Bawag, die wiederum an Mobiltel beteiligt war.

Harmonie. Auch für Casinos-Chef Wallner, Schlaffs Partner in Jericho, verlief die Reise durchaus harmonisch: Er konnte ungestört mit Bulgariens Finanzminister Milen Veltchev plauschen – jenem Mann also, der für die geplante Privatisierung der staatlichen Lotterien zuständig ist. Wallner damals gegenüber profil: „Wir sind sehr interessiert. Ich habe Herrn Veltchev gesagt, dass Bulgarien an einem Partner wie uns kaum vorbeigehen wird können.“

Und Schlaff selbst: steht gemeinsam mit Taus und Cordt unmittelbar davor, die Mobiltel mit sattem Gewinn an die österreichische Mobilkom zu verkaufen. Die wiederum der Telekom Austria gehört, an der er sich über Urgenz bei Schüssel demnächst den Staatsanteil sichern möchte. Ein Vertrauter des Geschäftsmannes: „Ich denke, wir werden sie auch bekommen.“ Gewusst wie.