Inside Job

Verdacht auf Insiderhandel im Raiffeisen-Umfeld

Affäre. Die Justiz ermittelt gegen 15 Personen aus dem Raiffeisen-Umfeld. Der Verdacht: Insiderhandel

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Montag, 22. Februar 2010, der Wiener Aktienmarkt hat bereits dichtgemacht, als eine Depesche auf die Reise geht: „Raiffeisen International und RZB prüfen Zusammenschluss als mögliche strategische Option“, meldet die börsennotierte Raiffeisen International Bank-Holding AG an Nachrichtenagenturen und Börse. Aus Sicht der Raiffeisen-International-Anleger ist der Handelstag eher unspektakulär verlaufen.

Eröffnungskurs:
39,92 Euro; Schlusskurs: 39,75 Euro; Differenz: minus 17 Cent. Als die Handelssysteme tags darauf wieder angeworfen werden, geht es allerdings bergab. Der Markt nimmt die Nachricht des Vorabends nur bedingt wohlwollend auf. Am späten Nachmittag des 23. Februar wird der Kurs bei 34,96 Euro zu liegen kommen, bis 25. Februar fällt er auf 31,4 Euro. Ergibt ein Minus von 21 Prozent in drei Tagen.

Oktober 2012: Der Zusammenschluss von Raiffeisen International und Raiffeisen Zentralbank (RZB) zur Raiffeisen Bank International AG ist längst Realität, der Kursverlauf der jüngeren Vergangenheit: 41 Euro Ende 2010; 14 Euro Ende 2011; 31 Euro zu Redaktionsschluss Ende vergangener Woche. Und wie sich jetzt erst herausstellt, sind die Vorkommnisse um den 22. Februar 2010 ein Fall für die Justiz.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt seit Monaten gegen 15 Personen aus dem Umfeld von Raiffeisen wegen mutmaßlichen Insiderhandels in Aktien von Raiffeisen International – ausgelöst durch eine Sachverhaltsdarstellung der Finanzmarktaufsicht. Die FMA hatte ihrerseits mehr als zwei Jahre hindurch Abläufe rekonstruiert und aus Tausenden Transaktionen einzelne herausgefiltert, ehe sie im April dieses Jahres einen Verdacht zur Anzeige brachte: Im Vorfeld der Anlegerinformation vom 22. Februar sollen Raiffeisen-Insider – unter ihnen ein leitender Angestellter – einen Informationsvorsprung zu Geld gemacht, genauer: ­erwartbare Verluste durch rechtzeitige ­Verkäufe vermieden haben. Es gilt die ­Unschuldsvermutung. profil nennt aus medienrechtlichen Gründen keine Namen. Aktive Vorstände oder Aufsichtsräte von Raiffeisen International oder RZB – diese besteht in veränderter Form weiter und kontrolliert 78,5 Prozent von Raiffeisen International – sind nicht unter den Verdächtigen. Die FMA will die Causa nicht kommentieren. Nur so viel: „Da es sich um strafrechtliche Tatbestände handelt, liegt die Kommunikation bei der Justiz“, sagt FMA-Sprecher Klaus Grubelnik. Erich Mayer, Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSTA), dazu: „Wir ermitteln gegen 15 Beschuldigte wegen mutmaßlichen Insiderhandels.“

Nach profil-Recherchen war den Raiffeisen-Organen bereits im Vorfeld der Ad-hoc-Meldung vom 22. Februar 2010 sehr wohl bewusst, dass die Bekanntgabe der Fusionspläne den Kurs nicht notwendigerweise beflügeln würde: Das Auslandsgeschäft war erst fünf Jahre zuvor aus der RZB abgespaltet worden. So gesehen war der Zusammenschluss die Restrukturierung der Restrukturierung. Und das machte in dem seit Ausbruch der Finanzkrise allgemein aufgeheizten Marktumfeld keinen schlanken Fuß.

Tatsache ist, dass die Fusionspläne ab Herbst 2009 laufend in den Gremien von Raiffeisen International und RZB abgewogen wurden. Tatsache ist auch, dass die Ad-hoc-Meldung vom 22. Februar 2010 noch im Konjunktiv blieb – ab wann der „möglichen strategischen Option“ das „möglich“ genommen wurde, ist bis heute strittig. Die Mitteilung an sich war aber, wie sich in den Tagen darauf zeigen sollte, durchaus kursrelevant.

Wie profil-Recherchen weiter ergaben, besteht der Verdacht, dass die Information über eine nahende Ad-hoc-Meldung aus den Raiffeisen-Gremien hinausgetra­gen worden ist, woraufhin mehrere Personen vorab Aktien auf den Markt warfen. Laut WKSTA soll der dabei erzielte „Vermögensvorteil“ in Summe vergleichsweise bescheidene 87.000 Euro betragen haben. Nicht alle Beschuldigten haben auch tatsächlich Aktien gehandelt. Schon die Weitergabe einer Insiderinformation ohne jeden materiellen Nutzen ist mit bis zu sechs Monaten Haft bedroht. Für so genannte Primärinsider – also Mitarbeiter, die in Entscheidungsprozesse eingebunden sind – liegt der Strafrahmen bei bis zu fünf Jahren Haft. RZB-Sprecher Andreas Ecker-Nakamura hält dazu fest: „Wir kennen die Anzeige nicht. Ich kann nur festhalten, dass nicht einmal theoretisch Informationen missbräuchlich ausgenutzt werden konnten.“ So sei bis 19. April 2010 unklar gewesen, „ob diese Transaktion tatsächlich zustande kommen kann. Dies wäre aber die Voraussetzung für Insiderinformation gewesen.“

Für Raiffeisen International doppelt bitter:
Unabhängig von den Ermittlungen in der Insider-Causa verhängte die FMA bereits Verwaltungsstrafen in der Höhe von insgesamt 120.000 Euro gegen sechs 2010 verantwortliche Führungskräfte des Unternehmens. Begründung: Die Öffentlichkeit hätte früher über die „mögliche strategische Option“ des Zusammenschlusses informiert werden müssen, also nicht erst am 22. Februar 2010. Vier Manager fassten jeweils 15.000 Euro Strafe aus, der bis heute amtierende Vorstandschef Herbert Stepic und dessen Finanzchef Martin Grüll jeweils 30.000 Euro. Die Strafbescheide sind nicht rechtskräftig, die Betroffenen haben diese vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat beeinsprucht. Ecker-Nakamura will sich zu dem „laufenden Verfahren“ nicht äußern, betont aber: „Ein mehrstufiger Entscheidungsprozess mit offenem Ausgang kann nach unserer Auffassung nicht ad-hoc-pflichtig sein.“