Die Drei von der Tankstelle

Sind im Bermudadreieck um Jörg Haider Gaddafi-Millionen versickert?

Österreich/Libyen. Sind im Bermudadreieck um Jörg Haider Gaddafi-Millionen versickert?

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Tennis spielt er großartig, im Marathonlauf ist er ein Ass. Auch auf anderen Gebieten habe sich Gerald Mikscha, heute 39, wohltuend von manch anderem Buberl in Jörg Haiders Umgebung unterschieden, erinnert sich die frühere Vizekanzlerin und FPÖ-Obfrau Susanne Riess-Passer: „Er war wohlerzogen und höflich. Und er war der Einzige, der dem Jörg hin und wieder widersprochen hat.“ Als Mikscha dann plötzlich von der Bildfläche verschwunden sei, habe sie das sehr gewundert: „Ich hab ihn nie mehr gesehen, und auch Haider hat nie mehr von ihm gesprochen.“

In den kommenden Wochen dürfte Gerald Mikscha, der nun wieder öfter in Kärnten gesehen wird, etwas mehr ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Immerhin ermittelt seit vergangenem Herbst die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue (Aktenzahl12St187/10a-3); die erste Einvernahme fand bereits statt, wie deren Sprecher profil bestätigte. Auch weitere Zeugen seien bereits gehört worden.

Wie immer gilt auch in diesem Fall die Unschuldsvermutung. Grund für den Verdacht ist eine Eintragung in dem von den Ermittlern im Februar 2010 sichergestellten Tagebuch des Grasser-Freunds Walter Meischberger, der den Inhalt eines Telefonats mit dem ehemaligen Haider-Sekretär Franz Koloini wiedergibt. Demnach habe der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi Geld auf ein Schweizer Konto überwiesen, um das sich Gerald Mikscha gekümmert habe, zu intensiv „gekümmert“, wie Koloini offenbar ­gegenüber Meischberger andeutete. Dieser schrieb nach dem Telefongespräch in seinem Tagebuch wörtlich: „Der Mikscha hat mit 32 Millionen den Haider anständig hineingelegt. Das Geld stammte von einer 45-Millionen-Überweisung von Gaddafi.“

Meischbergers Informant Koloini war keine schlechte Quelle: Immerhin war er nach dem Ausscheiden Mikschas viele Jahre lang Haiders engster Mitarbeiter gewesen und für diesen durch dick und dünn gegangen. Und auch andere in der FPÖ hatten damals, 2004, gemunkelt, mit dem „Gerry“ und dem Gaddafi-Geld sei da etwas gewesen …

Eingeschweißt.
Aber ist es wirklich denkbar, dass Gaddafi Haider nur als Belohnung für dessen Besuche 45 Millionen Euro schenkte? War das vielleicht einfach ein Auslandskonto Gaddafis, an dem Haider manchmal ein wenig mitnaschen durfte? Oder gab es die 45 Millionen womöglich gar nicht? Ein langjähriger Vertrauter Haiders erzählte profil im vergangenen August: „Gaddafi hat uns vor Wahlkämpfen immer Geld zukommen lassen, und zwar in bar. Das war fest in Plastik eingeschweißt.“ Dabei habe es sich immer um Beträge zwischen 150.000 und 200.000 Dollar gehandelt, die man in kleinere Beträge aufgeteilt und dann bei mehreren Banken in Euro umgetauscht habe. Über das Geld dürfte Haider höchstpersönlich verfügt haben, die Partei war nachweislich stets klamm. Als sie 2005 von Heinz-Christian Strache übernommen wurde, war die FPÖ sogar schwer verschuldet.

Die mysteriösen Vorgänge um die Gaddafi-Millionen werden besser verständlich, wenn man die Vorgeschichte kennt.

Gerald Mikscha hatte Jörg Haider Anfang der neunziger Jahre auf einem Tennisplatz kennen gelernt. Man freundete sich an, 1993 wurde Mikscha, damals 22, zu Haiders Privatsekretär. Trotz der Umtriebigkeit ­seines Chefs blieb Mikscha genügend Zeit, ein Studium beim Österreich-Ableger der amerikanischen Wirtschafts-Privatuni Imadec mit Sitz am Wiener Handelskai zu beginnen. Einer seiner Kommilitonen hatte einen berühmten Namen: Saif al-Gaddafi. Der Sohn des libyschen Revolutionsführers hatte eigentlich in der Schweiz studieren wollen, aber kein Dauervisum bekommen. Also ging er nach Österreich, das seit Bruno Kreisky mit Libyen auf gutem Fuß stand.

Imadec-Chef Christian Joksch, ein FPÖ-Funktionär, machte Haider 1998 mit Gaddafi bekannt. Beim Hahnenkammrennen 1999 saßen die beiden bereits gemeinsam auf der Tribüne, wenige Wochen später besuchten sie den Opernball, wo der Wüstensohn kurz auch die Lugner-Loge mit seiner Anwesenheit beehrte.

Natürlich wollte Haider auch den Papa kennen lernen.
Im Mai 2000 reiste der Landeshauptmann zum ersten Mal nach Libyen. Mit von der Partie waren neben Haider und Mikscha zwei Herren aus dem Bankfach: Hypo-Alpe-Adria-Chef Wolfgang Kulterer und Hans-Dieter Prentner, Chef der Raiffeisen Bezirksbank Wolfsberg (RBB-Bank). Prentner galt als wirtschaftlicher Berater und heimlicher Finanzminister Jörg Haiders und war eng mit Gerald Mikscha befreundet. Seine waghalsigen Spekulationen mit Kundengeldern brachten die Bank später in bedrohliche Schieflage. Prentner musste als Vorstand zurücktreten und sich vor Gericht verantworten.

Holzgeschäfte.
Nur vier Wochen nach seinem ersten Besuch reiste Haider im Juni 2000 abermals in den Wüstenstaat – diesmal mit einer etwas größeren Wirtschaftsdelegation. Mit dabei war etwa Hans Tilly, einer der größten Waldbesitzer Kärntens und freiheitliches Urgestein. Er wollte mit Libyen ins Holzgeschäft kommen. Auch der Kärntner Mineralölhändler Erich Rudolf war mit nach Tripolis gekommen, um billig Sprit einzukaufen. Seine Beute: 25 Mil­lionen Liter. Bei Haider bedankte sich Rudolf später, indem er dessen musikalischen Erstling, die CD „Kärnt’n is lei ans“, sponserte.

Arabische Potentaten, wie später auch Saddam Hussein, fanden an Haider großen Gefallen, weil er wie sie ein internationaler Outlaw war. Überdies hatten sie gehört, dass Haider etwas gegen Juden habe, was sich
mit ihren Ansichten einigermaßen deckte. ­Saddams Sohn Udai schwadronierte anlässlich des Besuchs von Jörg Haider in Bagdad über „deutsche Tugenden“. „Sie lägen, so meinte er, dem deutschen Volk im Blute und könnten von niemandem ausradiert werden“, wie Haider in seinem Buch „Besuch bei Saddam“ schrieb. Der syrische Verteidigungsminister Mustafa Tlas zeigte Haider stolz ein signiertes Originalgemälde Adolf Hitlers, ein Blumen­motiv. „Tlas erzählte mir, er könne sich um keinen Preis der Welt von diesem Bild trennen“, hielt Haider in seinem Buch fest.

Auch Muammar al-Gaddafi mochte nicht verstehen, warum die EU wegen des Regierungseintritts der Haider-Partei solche ­Zores machte. Gaddafi damals in einem Interview: „War Haider denn während des Zweiten Weltkriegs aktiv? War er Mitglied der Nazis? Warum dann die internationale Aufregung? Sollen die Völker Europas von zionistischen Launen abhängen?“ Sohn Saif sah das alles weit weniger verkrampft: Er mochte die Gaudi am Wörthersee, den Opernball, die Schinkenfleckerln beim Heurigen am Grinzinger Reisenberg, und er mochte die Frauen, was zu einem dramatischen Zwischenfall führte. Als er einmal eine seiner Gespielinnen verließ, kletterte diese in Strümpfen auf einen Baum im Garten seiner Döblinger Villa, um so über den Balkon in sein Zimmer zu gelangen. Die Frau, eine Ukrainerin, stürzte ab und wurde schwer verletzt. Gerüchte, sie sei in Wahrheit von seinen Leibwächtern misshandelt worden, konnten trotz wiederholter Ermittlungen nicht bestätigt werden. Auf seiner dritten Reise nach Libyen nahm Haider auch Gattin Claudia und den späteren Vizekanzler Hubert Gorbach mit.

Ausgestellt.
Im selben Jahr, 2002, gründete er mit großem Pomp die „Österreichisch-Libysche Gesellschaft“. Erster Präsident: Haider – wer sonst? Als Freund Saif 2004 die vor allem dem eigenen malerischen Schaffen gewidmete Ausstellung „Die Wüste schläft nicht“ im Wiener Palais Auersperg eröffnete, rekrutierte Haider Bundeskanzler Wolfgang Schüssel für den Ehrenschutz.

Gerald Mikscha begleitete Haider zwar immer noch auf seinen Tripolis-Trips, ging beruflich aber schon eigene, wenn auch seltsam verschlungene Wege. Einmal trat er als „General Manager“ eines im liechtensteinischen Vaduz ansässigen Unternehmens, „City Angels – Business Incubators“, auf. Dann ließ er – kurioserweise abermals in Liechtenstein – eine Firma namens „Ateia AG“ eintragen, die sich dem Vertrieb einer Sonnencreme verschrieb, aber schon nach einem Jahr ihre Aktivitäten einstellte.

2004 hieß es in der FPÖ plötzlich, Mikscha sei verschwunden und mit ihm viele Millionen. Haider schwieg. Ein Jahr später machte das Gerücht die Runde, Mikscha sei in der Schweiz und berate einen steinreichen Scheich. Andere wollten wissen, der ehemalige Haider-Sekretär habe sich nach Paraguay abgesetzt und lebe dort auf einer prächtigen Hacienda. Haider habe zweimal Emissäre zu ihm geschickt, um ihn zur Rückkehr zu bewegen, zuletzt im Wahljahr 2008, kurz vor Haiders Unfalltod. Davon erzählte Mikschas Nachfolger bei Haider, Franz Koloini, offenbar auch Walter Meischberger, der in seinem Tagebuch festhielt: „Haider hat ihn suchen lassen, aber Gerry hat nur gesagt: Wenn man mir drohen will, dann werden wir halt darüber reden, woher das Geld kommt. Und noch auf zwei weitere wunde Punkte Haiders soll er seine Finger gelegt haben. Jedenfalls war die Sache damit erledigt.“

Faktum ist, dass Mikscha am Tag des Haider-Begräbnisses in Klagenfurt war. Faktum ist auch, dass er in Klagenfurt im Haus seiner Mutter gemeldet ist. Von seiner Frau, der Mutter seiner 16-jährigen Tochter, lebt er getrennt. Sie ist Sekretärin im Büro von Landeshauptmann Gerhard Dörfler. Er selbst wurde in den vergangenen Monaten wiederholt im Villacher Stadtteil Völkendorf gesehen, wo seine Lebensgefährtin, eine Psychologin, eine Villa bewohnt.

Mikscha wollte vergangene Woche mit profil nur über den E-Mail-Anschluss seines Anwalts in Kontakt treten. Die Frage, welcher Beschäftigung er derzeit nachgehe, wollte er nicht beantworten: „Ich bin Angestellter. Da ich mich nicht als Person des öffentlichen Interesses sehe, sind die Firmendetails für die Öffentlichkeit auch nicht relevant.“ Immerhin bestätigt er, längere Zeit im Ausland gewesen zu sein. Mit Walter Meischberger habe er wegen dessen Tagebucheintrag nicht Kontakt aufgenommen. Aber warum dieses Versteckspiel? Mikscha: „Mit der Öffentlichkeit (Politik und Medien) habe ich seit dem Jahr 2000 nichts mehr zu tun. Man wird ohnedies oft genug und ungewollt in die Öffentlichkeit gezerrt.“ Freund Saif hat da derzeit noch ganz andere Probleme.