Öffentlichkeitsarbeiterpartei

Wien-Wahl: Rund 15 Millionen pumpt die Gemeinde Wien in hiesige Zeitungen

Wien-Wahl. Rund 15 Millionen pumpt die Gemeinde Wien in hiesige Zeitungen

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Wenn bereits die geschmeidigen Fragen des Interviewers die Antworten des Bürgermeisters erahnen lassen, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Gespräch zwischen einem Reporter der Tageszeitung „Österreich“ und Michael Häupl. Etwa über Themen der inneren Sicherheit: „Hat Ministerin Maria Fekter ihr Versprechen gebrochen, dass es mehr Polizei in Wien gibt?“ (Ausgabe vom 4. Juli); oder zu Fairness und Umverteilung: „Bleibt die SPÖ beim Thema soziale Gerechtigkeit auch nach den Wahlen hart?“ (29. Mai); oder über den politischen Gegner Numero eins: „Straches Kampf um Wien ist nur eine Schmähparade?“ (7. Februar).

Michael Häupl dürfte bei den Antworten („Ich fürchte, Innenministerin Fekter glaubt ihre eigene Propaganda selbst“; „Sozialdemokraten werden dafür gewählt, dass sie sich wie Sozialdemokraten benehmen“; „Strache will nur was werden. Präsident, Bürgermeister oder Vizekanzler. Hauptsache ein Amterl“) nicht allzu sehr ins Schwitzen geraten sein. Journalistische Milde im Umgang mit dem Ober-Wiener ist freilich kein exklusives Phänomen der „Österreich“-Zeitung, die in Wien laut Media-Analyse 313.000 Leser hat. Auch in den zwei größten Massenblättern der Bundeshauptstadt, der „Kronen Zeitung“ (536.000 Leser) und dem Gratisblatt „Heute“ (512.000 Leser), ist der unangestrengte Umgang mit Häupl Regel ohne Ausnahme.

Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.
Denn so gering der journalistische Wert der Bürgermeisterpflege, um so höher der kaufmännische: Geschätzt 15 Millionen Euro pumpen die Gemeinde Wien und deren Betriebe jährlich in „Kronen Zeitung“, „Österreich“ und „Heute“ – zum Nutzen der Stadt-SPÖ, zum Nachteil der Steuerzahler.

In Jänner und Februar, aus Mediensicht eher umsatzschwache Monate, protokollierten und bewerteten die Wiener Grünen detailliert Anzeigen der Gemeinde Wien in österreichischen Medien. Das Ergebnis, konservativ geschätzt und ohne Berücksichtigung des Großinserenten Wiener Linien: Die „Kronen Zeitung“ lukrierte mit 730.000 Euro das höchste Inseratenvolumen. Auf Platz zwei folgte „Heute“ mit 690.000 Euro.

„Österreich“ kassierte von der Stadt Wien 440.000 Euro aus Anzeigen. Zum Vergleich: „Die Presse“ erhielt 215.000 Euro, „Der Standard“ 190.000 Euro (profil: 52.000 Euro). Der grüne Gemeinderat Martin Margulies: „Eine unglaubliche Sauerei, statt sinnvoll in Bildung und Soziales zu inves­tieren, verschwendet die Wiener Stadtregierung Geld für Propaganda im Sinne der SPÖ.“

PR-Maschine.
Brennkammer der PR-Maschine ist die Magistratsabteilung 53, Presse- und Informationsdienst (PID), die dem Stadtrat für Bildung, Jugend, Information und Sport, Christian Oxonitsch, untersteht. Das Jahresbudget des PID für 2010 laut Voranschlag: 47 Millionen Euro. Offizieller Zweck laut Website: „Der Presse- und Informationsdienst ist im ständigen Dialog mit den Menschen. Seine Aufgabe ist es, über die Stadt aktuell zu informieren, Kontakte herzustellen und Servicestelle zu sein.“ Inoffizieller Nebenzweck: Verteilung der Inseratenmillionen nach medialer Nutzenoptimierung. Für direkte Inserate gab der PID 2009 laut Rechnungsabschluss 13,5 Millionen Euro aus, etwa ein Drittel davon ging an „Krone“, „Heute“ und „Österreich“. Dazu kommen Sonderaktionen. So vermarktete der Informationsdienst Ende Mai das zweitägige städtische Selbstbelobungsfestival „Wien. Für Dich“. Die große Leistungsschau zwischen Kläranlage und Kraftwerk sollte die Bürger laut PID darüber informieren, „wovon Bewohner anderer Städte nur träumen können“, „welche einzigartige Daseinsvorsorge ihre Stadt bietet“ und „warum Wien die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität ist“. Gesamtkosten des „Wien. Für Dich“-Spektakels: eine Million Euro.
Das Jahr 2010 bereitet den drei mutmaßlichen Hauptprofiteuren der Öffentlichkeitsarbeit im Rathaus einen Inseratenboom. Allein für die Bewerbung der umstrittenen Volksbefragung im Februar (Ergebnis: Ja zu Kampfhunde-Prüfung, Hausmeister und Nacht-U-Bahn) gab die Gemeinde 4,4 Millionen Euro extra aus. Zum Vergleich: Die Gesamtkosten der Volksbefragung 1991 zu Expo und Donaukraftwerk Freudenau betrugen 400.000 Euro. Das Informations­bedürfnis ihrer Bürger muss aus Sicht der Stadtoberen exorbitant zugenommen haben. Die Kosten der Öffentlichkeitsarbeit für die Gemeinderatswahl 2005 lagen bei 918.000 Euro. Für die Gemeinderatswahlen am 10. Oktober sind 3,6 Millionen Euro budgetiert – ein Plus von 400 Prozent.

Doch nicht nur das Rathaus, auch Gemeinde-Unternehmen, Wiener Wohnen und ausgegliederte Einheiten wie der Fonds Soziales Wien schütten spendabel an die Big Three aus. Die Wiener Stadtwerke investierten laut dem Werbebeobachter Focus ­allein im Jahr 2008 zwei Millionen Euro in Inserate in „Krone“, „Heute“ und „Österreich“. Das Stadtwerke-Unternehmen Wien Energie gilt ohnehin als Hauptquelle für politisch opportune Finanzierungen aller Art. Ohne die Sponsormillionen des Stromversorgers wäre der rot dominierte SK Rapid Wien (Präsident: Rudolf Edlinger; Kuratoriumsmitglied: Norbert Darabos) mittlerweile ein Regionalligaverein.

Bürokratisches Bollwerk.
Insgesamt, so die Schätzungen der Oppositionsparteien, geben die Gemeinde Wien und ihre Unternehmen jährlich zwischen 80 und 100 Millionen Euro für Werbung aller Art aus – doppelt so viel wie die Bundesregierung.

Doch sämtliche Versuche, den Kapitalfluss aus den öffentlichen Budgets in die Einnahmenrechnung der meistbegünstigten Verlage aufzuklären, scheitern am bürokratischen Bollwerk der mit absoluter Mehrheit regierenden SPÖ. Anfragen von ÖVP und Grünen an Bürgermeister und Stadträte zum Inseratenvolumen bleiben ohne Ergebnis, weil, so die Standardantwort aus dem Rathaus, „die gewünschte Aufschlüsselung einen zeitlichen und administrativen Aufwand erfordert, der wirtschaftlich nicht gerechtfertigt scheint“.

In einer Gemeinderatssitzung Ende ­April kam es beinahe zu einem Eklat. ÖVP, FPÖ und Grüne kritisierten in ungewohnter Eintracht und Schärfe die „intransparenten Werbebudgets“ der Stadt, attackierten die „Brot und Spiele“-Strategie des Rathauses und warfen der SPÖ vor, den Boulevard mit Inseratengeschenken politisch willfährig zu machen. Der zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch weist die Vorwürfe zurück: Die Stadtverwaltung müsse „über ihre Serviceleistungen und Angebote ­informieren“. Dazu bediene man sich „auch, aber nicht ausschließlich der auflagenstarken Tageszeitungen“.

Wahre Perfektionisten der Medienarbeit durch Inseratensteuerung sind Werner Faymann und sein Allzeit-Begleiter Josef Ostermayer. Als Wiener Wohnbaustadtrat erfand der heutige Bundeskanzler so genannte Me­dienkooperationen. Die „Krone“ wurde mit Dauerinseraten aus dem Wohnbau-PR-­Budget (insgesamt eine Million Euro jährlich) verwöhnt und revanchierte sich bei ­Faymann mit Berichterstattung auch zu Kleinstevents wie dem „Infotag Wohnanlage Fernkorngasse“ oder „Gratisberatung für Hobbygärtner“. Was in Wien begann, fand im Bund seine Fortsetzung: Im Büro des heutigen Medienstaatssekretärs Oster­mayer ist eine Vollzeitkraft allein dafür abgestellt, gemeinsame Projekte mit befreundeten Zeitungen auszuhecken und abzuwickeln. Im Wahljahr 2008 hatten derartige Medienkooperationen den SPÖ-Vorsitzenden in die Bredouille gebracht.

Interne Unterlagen von ÖBB und Asfinag belegten, dass Faymann als Verkehrsminister beide Unternehmen anwies, Anzeigen in Millionenhöhe in den drei Boulevardblättern zu schalten (siehe profil 33/2008).

Doch auch ohne politischen Befehl funktioniert die staatswirtschaftliche Verteilungsmaschinerie. Dem Werbebeobachter Focus zufolge schalteten ÖBB und Asfinag zwischen Jänner 2008 und Juni 2009 Inserate in Höhe von 4,9 Millionen Euro in „Krone“, „Heute“ und „Österreich“. An alle Bundesländer-Zeitungen zusammen gingen im gleichen Zeitraum bloß 723.000 Euro.

Quid pro quo – wer zahlt, wird publizistisch verwöhnt. So stellte „Österreich“-Chef Wolfgang Fellner in einem Kommentar fest, „der Herr Bürgermeister“ habe sich das „erhaltene Goldene Ehrenzeichen redlich ­verdient“. Am 9. Februar heurigen Jahres durfte „Österreich“ exklusiv vermelden: „Michael Häupl ist verliebt.“ „Heute“-Chefredakteur ­Richard Schmitt elogierte im September 2009: „Erneut lieferte der Wiener Bürgermeister einen Beweis dafür, dass er noch einer der wenigen Politiker ist, der unsere Sprache spricht.“ Die „Krone“ würdigt Häupl allumfassend in Wort und – noch wichtiger – Bild. Ein bunter Ausschnitt der letzten Wochen: Häupl im Gespräch mit japanischen Touristinnen vor dem Johann-Strauß-Denkmal im Stadtpark, Häupl auf Beisl-Tour in der ­Josefstadt, Häupl als Opferanwalt der „Loisl Oma“, 97, aus Wien-Landstraße, die laut „Krone“ trotz ihres betagten Alters einen Räuber „mit dem Gehstock aus hartem Nussholz“ in die Flucht schlug.

„Österreich“-Boss Wolfgang Fellner
nahm gegenüber profil als einziger Verlagschef Stellung. Seine Zeitung erhalte von der Stadt Wien deutlich weniger Inserate als „Krone“ oder „Heute“. Insgesamt machten die Anzeigen der Gemeinde nur drei Prozent des Gesamtvolumens von „Österreich“ aus. Und keinesfalls würden Inseratenschaltungen „zu einer bevorzugten Behandlung der Wiener SP֓ führen. Im Gegenteil: „,Österreich‘ hat von allen Wiener Tageszeitungen die kritischste Berichterstattung über die Stadt.“

Zumindest der Bürgermeister bleibt von den journalistischen Barrakudas der „Öster­reich“-Redaktion bisweilen verschont.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.