Szene aus Wolfgang Murnbergers Film: Luis Trenker (Tobias Moretti) und Leni Riefenstahl (Brigitte Hobmeier) vor Bergpanorama

Bergführer, Regisseur, NS-Opportunist: Film über Luis Trenker

Die Karriere des Bergführers, Regisseurs und Selbstdarstellers Luis Trenker ist ein Paradebeispiel für kulturellen und politischen Opportunismus. In einem neuen Film versucht sich nun Tobias Moretti an einem Mitläufer mit vielen Gesichtern und wenigen Prinzipien.

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Mitarbeit: Marianne Enigl, Stefan Grissemann

Ende der 1960er–Jahre. Eine Pressekonferenz mit der „Berglegende“ Luis Trenker in Innsbruck, Rummel um den Stargast. Ging es um eine geplante Filmdoku über Holztriften oder um die Neuauflage eines seiner Bücher? Keine Ahnung mehr. Wichtig war ohnehin anderes: das berühmte Zahnpasta-Lächeln und das unerschöpfliche anekdotische Geplauder, der Cordanzug und die Kopfbedeckung aus Filz. Der legendäre Trenkerhut!

Die Fassade war entscheidend; was dahinter lag, interessierte niemanden. So bastelte sich dieser Mann eine Karriere, die ungebrochen über sechseinhalb Jahrzehnte hielt. 1931 hatte der damals 39-jährige Grödentaler Alois Franz Trenker seinen Einstand als Schriftsteller gefeiert, mit „Berge in Flammen“ einen Roman „aus den Schicksalstagen Südtirols“ veröffentlicht. Das vielfach ausgezeichnete Werk stammte freilich keineswegs aus der Feder des als Luis Trenker weltbekannten Filmschauspielers, sondern von dem Münchener Alpinschreiber Walter Schmidkunz, einem Jugendfreund Trenkers. Es war nicht der einzige Text, bei dem sich das Südtiroler Bergidol eines Ghostwriters bedient hatte. Bücher wie „Sperrfort Rocca Alta“ (1937) oder „Hauptmann Ladurner“ (1940) wurden in Wahrheit von dem wenig bekannten Alpinautor Fritz Weber verfasst; die Romane „Helden der Berge“ (1935) und „Leuchtendes Land“ (1937) schrieb zum Großteil der Salzburger Karl Springenschmid, der spätere Hauptverantwortliche für die Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz am 30. April 1938.

Beginn der Filmkarriere in den 20er-Jahren

Plagiatsvorwürfe trafen Trenker auch auf seinem Kerngebiet, der Filmarbeit, zu der er nach wenig erfolgreichen Aktivitäten als Kaufmann, Architekt, Bergführer und Skilehrer eher zufällig gekommen war. 1924 hatte er sich bei den Olympischen Spielen von Chamonix als Bobfahrer im Team einer italienischen Mannschaft versucht; es belegte den letzten Platz. Der deutsche Regisseur Arnold Fanck, ein Pionier des Alpinfilms, engagierte Trenker für sein Werk „Der Berg des Schicksals“ als ortskundige Produktionshilfe. Als sich herausstellte, dass der vorgesehene Hauptdarsteller nicht klettern konnte, übernahm Luis Trenker die Rolle. Bald bezichtigte Fanck Trenker des unerlaubten Zugriffs auf seine Drehbücher. Zwar endete dieses Verfahren mit einem Vergleich, in einem anderen Fall jedoch wurde Trenker rechtskräftig verurteilt. Für den Historienfilm „Condottieri“ hatte er ein Werk des Kärntner Pfarrers Michael Paul Moser plagiiert. Die Vorstrafe wurde im Sommer 1940 gelöscht, angeblich von Adolf Hitler persönlich.

Sechs Jahre später, nach Starauftritten in Dramen wie „Der heilige Berg“ (1926, an der Seite Leni Riefenstahls), „Der Kampf ums Matterhorn“ (1928) und „Der Ruf des Nordens“ (1929), stieg der schneidige Südtiroler mit dem Abenteuerfilm „Der Sohn der weißen Berge“ (1930) zum Regisseur auf.

Das Verhältnis zwischen Trenker und dem Nationalsozialismus war alles andere als konfliktfrei, obwohl Trenkers künstlerisches Hauptthema, die Idealisierung von Heimat und Bergwelt, ganz auf Linie des NS-Regimes lag. Schon im September 1933 trat er, der seit seiner Verheiratung mit der Großindustriellentochter Hilda von Bleichert in Berlin lebte, der NS-Reichsfachschaft Film bei. Konflikte mit den NS-Machthabern wurden dennoch virulent, als Trenker nach dem Schulterschluss zwischen Hitler und Mussolini auch mit den italienischen Faschisten gute Geschäfte machte, dabei geschickt die Ressourcen beider Systeme nutzte. Seinen Opportunismus belegt ein Gespräch mit dem Hollywood-Produzenten Paul Kohner, der wissen wollte, wie weit man den Film „Condottieri“ (1937) als faschistisch bezeichnen könne. Mit entwaffnender Offenheit antwortete Trenker, dass ein Film, den die italienische Regierung finanziert habe, selbstverständlich den politischen Überzeugungen der Geldgeber entsprechen müsse. Heute gilt „Condottieri“ ob seines propagandistischen Charakters als Paradebeispiel für den faschistischen Film. Trenker übersiedelte nach Rom, ohne jedoch, worauf der Populist eigentlich stets zuerst bedacht war, seine Schäfchen tatsächlich ins Trockene zu bringen.

Trenkers "Stolperstein"

In Deutschland wurde inzwischen heftig gegen ihn intrigiert. Unvorsichtige Äußerungen gegenüber Gesprächspartnern in Amerika über die Arbeitsbedingungen in Deutschland und berufliche Verbindungen mit Juden – Antisemitismus lag ihm stets fern – machten ihn zu einem Unbequemen, dessen Popularität die Machthaber allerdings zur Zurückhaltung verpflichtete. Als Trenkers Stolperstein sollte sich sein anfängliches Zaudern erweisen, bei der den Südtirolern von den Nazis abgeforderten Option gegen Italien und für Deutschland zu stimmen. 1940 notierte Goebbels in seinem Tagebuch über Trenker, „dieses Schweinestück“ habe in Südtirol „nicht für uns optiert“. Er empfahl daher, Trenker ab sofort freundlich hinzuhalten, aber de facto „abzuservieren“. Danach hatten Trenkers Projekte bei den Nazis keine Chance mehr, wurden eingefroren oder abgesagt.

Mit erstaunlich intakter Reputation überstand Luis Trenker, der sich den Nazis – auch wenn er deren Tun in kleinerem Kreise durchaus kritisierte – weiterhin offensiv angedient hatte, das Kriegsende. Einzelne seiner literarischen Publikationen wurden in der DDR auf eine Liste „auszusondernder“ Literatur gesetzt, die US-Besatzer stellten die Untersuchungen gegen Trenker jedoch bald ein. Dieser selbst beeilte sich, in den Neuauflagen seiner Bücher alle inkriminierenden Stellen zu entfernen, tatsächlich aber galt sein Hauptaugenmerk der Chance, die weithin unaufgearbeitete, in Nostalgie verwandelte NS-Vergangenheit zu vermarkten.

Zwei Protagonistinnen drängten sich ihm dabei auf. Die eine war Leni Riefenstahl, der er 1924 den Kontakt zu Arnold Fanck vermittelt hatte und mit der er in der Folge eine kurze Affäre hatte. Das andere Objekt seiner Begierde war keine Geringere als Hitlers Geliebte Eva Braun. Ihr hatte Trenker, wie man heute weiß, lediglich einige Tage lang Skiunterricht gegeben – sie erkor er zur Protagonistin der größten Fälschungsgeschichte der unmittelbaren deutschen Nachkriegszeit. Ob Eva Braun überhaupt je Tagebuch geschrieben hat, ist ungewiss, möglicherweise vernichtete sie es vor ihrem Selbstmord im Führerbunker. Luis Trenker jedenfalls behauptete, sie habe ihm ihre Aufzeichnungen vor Kriegsende in Kitzbühel übergeben, was bald (und leicht) zu widerlegen war.

Veröffentlichungsverbot für Fälschungswerk

Nach der Veröffentlichung erster Passagen durch sensationslüsterne Zeitungsherausgeber erwirkte die Familie Braun mit Leni Riefenstahl als Nebenklägerin ein Veröffentlichungsverbot. Dieses gründete vor allem auf Textstellen, in denen sich sexuelle Unterstellungen fanden. So sollte Riefenstahl, während Eva Braun ausgesperrt war, nackt vor Hitler getanzt haben. Teile aus Trenkers Fälschungswerk wurden später als abgeschrieben erkannt: Sie variierten, teils wortident, die „Enthüllungen“ einer Gräfin Maria Luise von Larisch-Wallersee über die österreichische Kaiserin Elisabeth aus dem Jahr 1913. Jahrzehnte später behauptete Trenker, sein Name sei von Journalisten fälschlich dazu benutzt worden, die Braun-Memoiren besser zu verkaufen.

Heute, 70 Jahre nach Kriegsende, ist Luis Trenker eine Institution: Nach ihm sind Wanderwege in ganz Südtirol benannt. Sein Grab in St. Ulrich ist Pilgerstätte Tausender Verehrer und Verehrerinnen. Nun haben die Koproduktionspartner ORF und der Bayerische Rundfunk das Thema neu aufgegriffen, um in einem 90-minütigen Fernsehfilm, der den Untertitel „Der schmale Grat der Wahrheit“ trägt, das Star-Duo Tobias Moretti und Brigitte Hobmeier als Trenker und Riefenstahl vor die Kamera zu holen. Trenkers tatsächliche Leistung als Regisseur spielt in diesem Film kaum eine Rolle. Die Überblendung der Silhouette der Dolomiten mit der Skyline von New York in „Der verlorene Sohn“ (1934) wirkt auch heute noch überaus eindrücklich, sogar sein berühmter Regiekollege Roberto Rossellini lobte Trenkers Verdienste „auf dem Weg zum Neorealismus“.

Doch um die nachweisliche Begabung des Zwischenkriegsfilmemachers Luis Trenker geht es heute nicht mehr. Sie wird überdeckt von der anekdotenschleudernden Sympathiefigur, vom zähnebleckenden alpinen Tausendsassa, an dem eine florierende Retro-Bergmode bestens verdient. Aber Trenker war, anders als das öffentliche Bild es will, das die Nachwelt von ihm zeichnet, kein Spitzenbergsteiger – da gab es schon zu seiner Zeit Dutzende bessere. Auch das Bild des modernen Alpinismus hat er keineswegs geprägt. Trenker verkörpert den Heroen einer präfaschistischen Bergsteigergeneration. Deren Ideale sind aus dem Berufsbild des Bergführers längst verschwunden, haben im Zeitalter des weltweiten Alpinismus einer viel nüchterneren Einstellung zur Teilung von Risiko Platz gemacht.