Helmut Zilk war Prags Mann in Wien.

"Deckname Holec": Liebesgrüße aus Brünn

Herbert Lackner über "Deckname Holec“, die mildtätige Verfilmung von Helmut Zilks Spionage-Abenteuern.

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Vielleicht hätte ihm dieser Film sogar gefallen. Möglicherweise hätte er nach der Vorstellung gebrummt, eigentlich sei er keineswegs so tollpatschig gewesen in jenen Tagen und Nächten im kommunistisch-grauen Prag. In Wahrheit habe er immer alles im Griff gehabt, und diese lächerliche "Spionagegeschichte“ sei wohl heillos übertrieben worden. Aber grosso modo habe es der Novotny Franz - wie lange kennt er den schon! - durchaus erfasst: Helmut Zilk ist letztlich ein Superbursch, im Fernsehen wie im Bett.

"Deckname Holec“ heißt der Film, der angeblich auch auf den 2009 erschienenen profil-Berichten über die Spionagetätigkeit Helmut Zilks für den tschechoslowakischen Geheimdienst in den Jahren 1965 bis 1969 basiert. Am Montag kommender Woche feiert er seine Premiere, ab 29. Juli läuft er regulär in heimischen Kinos.

Franz Novotny, den Immer-schon-Filmemacher, inzwischen 67, kennt jeder irgendwie. 20 Kinofilme zieren sein Werkverzeichnis, darunter die Proleten-Kultcomedy "Exit“. 18 Fernseh-Dokus hat Novotny gedreht, Werbefilme für Firmen und Spots für alle: ÖBB und SPÖ, Suchard und Ferrero, Römerquelle und Swatch, Kreisky, Vranitzky und auch Zilk. Für hitzige Debatten im Nationalrat sorgte 1977 Novotnys treffliche Fernsehrevue "Staatsoperette“, in der er zur Musik von Otto M. Zykan die christlich-soziale Elite der Zwischenkriegszeit gnadenlos vorführte: Engelbert Dollfuß als kleine Aufziehfigur, den Prälatenkanzler Ignaz Seipel als Kriecher vor dem faschistischen Duce. Den Mussolini gab Peter Turrini. Die ÖVP tobte.

Im echten Leben gab es keine Erpressung, alles geschah freiwillig gegen Bezahlung.

Mit Helmut Zilk ging Novotny naturgemäß pfleglicher um. Dieser hatte ja auch keinen Bürgerkrieg vom Zaun gebrochen. Zilk war ein ausgezeichneter Bürgermeister, einer der besten, die Wien jemals hatte. Aber er hat halt früher ein bisserl für die damals noch kommunistische Tschechoslowakei gespitzelt.

Novotny packt dieses eher schattige Kapitel in Zilks Leben zwar an, kuschelt es aber in die Watte einer grenzüberschreitenden Lovestory, die sich so nicht zugetragen hat, was aber egal ist. Vieles hat sich anders zugetragen als in diesem auf Authentizität nicht eben erpichten Film. Novotny will laut Pressetext ja bloß einen Mann der 1960er-Jahre zeigen, der sich "aus einem selbst gesponnenen Knäuel befreit, wie es ihm gelingt, Erpressung und Zwang abzuschütteln und seine Karriere zu befördern“.

Im echten Leben gab es keine Erpressung, alles geschah freiwillig gegen Bezahlung. Und die Karriere gelang, weil die österreichische Staatspolizei den Akt Helmut Zilk einfach beiseite schaffte. Die Stapo war dem inzwischen zum Fernsehdirektor des ORF Beförderten 1969 mit Hilfe der CIA auf die Schliche gekommen.

Aber das gäbe im Kino wohl zu wenig her.

Zu den Fakten. profil bekam im März 2009 ein dickes Aktenkonvolut, aus dem Unerhörtes hervorging: Helmut Zilk, damals Starjournalist des österreichischen Fernsehens, hatte sich im Dezember 1965 als Informant des tschechoslowakischen Geheimdienstes STP anwerben lassen. Genaue Prüfungen der profil zugegangenen Dokumente durch Zeithistoriker aus Wien und Prag ergaben dasselbe Resultat: Das Material war echt.

Zilk war damals oft in Prag, wo er zwei Talkshows über den Eisernen Vorhang hob, die legendären "Stadtgespräche“. Die Geheimdienstler hatten vor der Anwerbung des Promi-Journalisten dessen Verhältnisse ausspioniert: Er lebe auf großem Fuß, liebe die Frauen und gebe oft mehr aus, als er verdiene, berichteten sie an die Zentrale.

"Holec hat Sinn für Abenteuer, aber Fehlen von Prinzipien." (Starek)

Das erste Monatshonorar wurde Zilk am 20. Dezember 1965, dem Tag seiner Anwerbung, vorab ausbezahlt: 5000 Schilling in bar, damals das Doppelte eines durchschnittlichen Angestelltengehalts in Österreich. Er unterschrieb die Quittung mit vollem Namen (Zahlungsgrund: "Rückgabe“). Später signierte er mit "Johann Mair“. Dafür bekam er Arbeitsaufträge: Er musste etwa dem damaligen Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP) bei einem Mittagessen Hintergrundinformationen zur Ostpolitik der ÖVP-Regierung entlocken. Der neue SPÖ-Vorsitzende Bruno Kreisky sollte ihm schriftliche Materialien der Sozialistischen Internationale anvertrauen. Vergebliche Mühe. Zilk beschrieb Kreisky daraufhin in seinen Berichten als "schleimigen Politiker“ vom rechten Flügel der SPÖ, der ständig antikommunistische Propaganda betreibe.

Seine Analysen waren nicht immer unfundiert: "Bundeskanzler Klaus meint es mit der Annäherung an die sozialistischen Staaten ehrlich. In dieser Frage steht Klaus, links’ und Kreisky, rechts‘.“ Das traf zu.

Die Tschechen forderten auch die geheimen Positionen der Österreicher in den damals bevorstehenden Restitutionsverhandlungen für die vertriebenen Sudetendeutschen ein. Helmut Zilk, Prags Mann in Wien, lieferte sie. Alle zwei Wochen traf er seine Auftraggeber, meist in Prag oder Brünn. Oft verabredete sich Zilk mit seinem Führungsoffizier im Sacher. Oder dieser kam zu ihm in die Wohnung im Hochhaus am Wiener Matzleinsdorferplatz, einem kommunalen Promi-Bau der 1960er-Jahre mit Tanzcafé am Dach, in dem damals auch "Krone“-Herausgeber Hans Dichand wohnte.

Führungsoffizier Starek musste jedem Bericht eine aktuelle Einschätzung des Persönlichkeit des "Informators“ beifügen, um dessen Motivlage zu beschreiben. Für Starek war diese eindeutig: "Holec hat Sinn für Abenteuer, aber Fehlen von Prinzipien. Sein Hauptmotiv ist materielles Interesse. Ich habe ihm wieder 5000 Schilling gegeben“, schrieb er im Jänner 1967 ernüchtert an die Oberbehörde. Der Kino-Zilk schaut eher verblüfft, wenn ihm wieder einmal ein Geldpäckchen zugesteckt wird. Besonders perplex ist er, als er eines Abends nach Hause kommt und ein enormer Bleikristall-Luster an der Wohnzimmerdecke am Matzleinsdorferplatz hängt.

Tatsächlich verschaffte der Fernsehsehdirektor seinem nach Wien abgesprungenen Führungsoffizier Starek einen Posten im ORF.

An dieser Stelle hätte die Regie durchaus die wahre Geschichte erzählen können, die noch weit amüsanter war. Zilk war 1967 unter Gerd Bacher Fernsehdirektor geworden und hatte fortan ausreichend verdient. Also stieg er in seinem Agenten-Nebenjob von Geld auf Sachleistungen um. Einmal waren es Likör und Zigaretten aus Dänemark, dann wieder ein Pelz für Gattin Erika oder ein Zuschuss für Schwiegerpapas Kur.

Den Luster aus böhmischem Kristall bestellte Zilk aus einem vom Geheimdienst vorgelegten Katalog in Maximalgröße. Das brachte die Bürokratie gehörig auf Trab. Die Lieferzeit betrage mindestens vier Monate, Zilk könne das Gerät keineswegs, wie von Führungsoffizier Starek versprochen, bei seinem nächsten Prag-Besuch mitnehmen, hieß es in einem Aktenvermerk des Beschaffungsamts. Der Luster war nach sechs Monaten immer noch nicht da. Zwischen Geheimdienst und Beschaffern flogen die Fetzen. Dann wurde das Bleikristall-Trum endlich geliefert.

Hätte das Drehbuch in dieser Causa eher an der Realität bleiben sollen, verhält es sich in Sachen Sex genau umgekehrt. Während es im Film eine wild-romantische Beziehung mit einer schönen Schauspielerin gibt, mit der es der - von Johannes Zeiler dargestellte - Film-Zilk vornehmlich a tergo treibt, war die Wirklichkeit eher nüchtern: Die Geheimdienstler schickten ambulante Damen vom Wenzelsplatz ins Hotel Alcron und vermerkten akribisch: "17.20 empfängt Besuch von Dame. 19.05 mit Dame ausgegangen.“ Die Zeit dazwischen ließen sie diskret aus, wiewohl das Zimmer natürlich verwanzt war. Einmal ermahnt Zilk die ihn besuchenden Agenten, der mitgereiste Gerd Bacher wohne im Nebenzimmer, er bitte um höchste Vorsicht.

Ein Happy End gibt es im Film und in Wirklichkeit: Im Kino lässt sich der tapfere Zilk nicht mit der Forderung erpressen, am Tag des Einmarsches der Truppen des Warschauer Pakts einen Propagandafilm im österreichischen Fernsehen laufen zu lassen. Tatsächlich verschaffte der Fernsehsehdirektor seinem nach Wien abgesprungenen Führungsoffizier Starek einen Posten im ORF.

Österreich halt.