Karl Markovics: „Vor Gott würde ich mich fürchten“

Karl Markovics: „Vor Gott würde ich mich fürchten“

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profil: Ihren Film „Superwelt“ siedeln Sie in einer niederösterreichischen Kleinstadt an. Warum haben Sie Ihren Schauplatz in diese spürbar beengende Lebenswelt verlegt? Karl Markovics: Das ist ja kein österreichisches Phänomen. Diese kleine Siedlung spiegelt die Lebensrealität eines Gutteils der Menschen wider. Das ist der Traum vom kleinen Glück, mit einem eigenen Haus am Stadtrand – und doch so zivilisiert, dass man die Umgebung nicht mehr wirklich als Natur erkennen muss. Die Natur als Bedrohung existiert hier nicht mehr.

Die Menschen suchen nach Uniformität, um damit auch einen Wunsch nach Sicherheit zu befriedigen

profil: In Ihrem Film sieht das durchaus bedrohlich, sehr uniform aus. Markovics: Das ist ja nicht nur negativ. Die Menschen suchen nach Uniformität, um damit auch einen Wunsch nach Sicherheit zu befriedigen. Ich selbst komme aus einer ähnlichen Gegend; ich kenne diese so genannten einfachen Menschen. Ich wollte aber diesmal keine intensive Feldforschung betreiben, mich lieber auf die Odyssee der Hauptfigur konzentrieren.

profil: Eigene Traumata arbeiten Sie nicht auf? Markovics: Aufarbeitung wäre zu viel gesagt. Aber natürlich hat die Lebensweise in diesem Soziotop auch bedrohliche Facetten. Vor allem, wenn man dann Sätze hört wie: „Jetzt hab ich nur noch drei Jahre zur Pension.“ Das sind kleine existenzielle Katastrophen.

Trailer zu "Superwelt"

profil: Ihre Protagonistin, gespielt von Ulrike Beimpolt, muss sich plötzlich mit existenzialistischen Fragen nach dem Sinn ihres Lebens und dem Grund ihrer Existenz herumschlagen. Markovics: Ich wünsche mir Zuseher, die einen Aha-Effekt erleben und ihr eigenes Dasein hinterfragen: Wer ist der Mensch, dieses Wesen, das Glück empfinden kann? Das ist ja das eigentliche Wunder.

Der Film ist ein Versuch über Gott – und dieses scheinbare Im-Stich-Lassen ist der zentrale Punkt

profil: Diese Konfrontation mit Gott, der plötzlich im Kopf der Heldin zu sprechen beginnt, verpacken Sie in ein Suspense-Szenario. Ist die Begegnung mit Gott so bedrohlich? Markovics: Das ist kein Zufall. Vor allem der Beginn des Films sollte sehr klassisch sein. Ich habe damals gerade das Interview-Buch von Hitchcock und Truffaut gelesen. Für mich war die Frage wichtig, wie es einem Menschen ergehen muss, der zum ersten Mal in seinem Leben eine Stimme in sich hört und erkennen muss, dass es sich um die Stimme Gottes handelt. Ich würde mich fürchten, wenn mich plötzlich Gott oder ein Engel ansprechen würde.

profil: So schnell diese Stimme erscheint, verschwindet sie auch wieder. Markovics: Das ist das Faszinierende. Der Film ist ein Versuch über Gott – und dieses scheinbare Im-Stich-Lassen ist der zentrale Punkt. Im einen Moment fühle ich mich von einer göttlichen Schöpfung aufgefangen, im nächsten völlig alleingelassen – hinausgeworfen in ein großes Nichts, umgeben von völliger Sinnlosigkeit.

profil: Im Vergleich zu Ihrem Regiedebüt „Atmen“ wirkt „Superwelt“ deutlich inszeniert. Wollten Sie die Kleinstadtidylle bewusst ins große Bild rücken? Markovics: Das war keine Spielerei. Beim Schreiben des Films wurde mir klar, dass ich diese Größe und Weite der Kameraarbeit brauche. Die Idee war, die göttliche Schöpfung in einer Art von Ganzheitsanspruch zu zeigen.

profil: „Superwelt“ haben Sie inszeniert und geschrieben. Ist Ihnen die Arbeit als Filmemacher mittlerweile wichtiger als die des Schauspielers? Markovics: Nach „Atmen“ hatte ich das Gefühl, dass ich da angekommen war, wo ich immer hinwollte. Ich wollte stets Geschichten erzählen, schöpferisch tätig sein. Das ist das Wunderbare an der Filmkunst: aus dem Nichts etwas entstehen zu lassen. Die Regiearbeit allein wäre mir aber zu wenig.

Karl Markovics im Gespräch mit profil-Redakteur Philip Dulle

profil: Bereuen Sie es heute nicht, nach dem Oscar-Erfolg mit „Die Fälscher“ als Schauspieler nicht eine internationale Karriere angestrebt zu haben? Markovics: Ich kann mit unbestimmten Möglichkeiten relativ wenig anfangen. Die Vorstellung, jeden Tag auf Produzententour und Klinken putzen zu gehen, ist für mich undenkbar. Mir fällt auch keine Antwort auf die Frage ein, mit welchem internationalen Regisseur ich gerne zusammenarbeiten würde. Ich hatte nie eine Traumrolle oder eine Bühne, auf der ich am liebsten gespielt hätte. Mir geht es immer um den Stoff – und um die Menschen, die an einem Projekt beteiligt sind.

profil: Sie sind Mitbegründer der Akademie des Österreichischen Films. Worin liegen die aktuellen Herausforderungen für das heimische Kino? Markovics: Wir brauchen die Vielfalt im Kino. Wir müssen wegkommen vom falschen Image österreichischer Feel-Bad-Movies. Die Herausforderung liegt darin, das heimische Publikum in österreichische Produktionen zu bringen. Denn man kann sich in österreichischen Filmen auch bestens unterhalten.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.