Franziska Pflaums grandioser Kurzfilm "So schön wie du"

Neue Heldinnen: Franziska Pflaums grandioser Kurzfilm "So schön wie du"

Film. Franziska Pflaums grandioser Kurzfilm "So schön wie du"

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„Wir hauen ab – für immer“, sagt die 15-jährige Tina, bevor sie sich mit ihrer besten Freundin Marlene wieder einmal aufmacht, dem tristen Teenager-Alltag ein Schnippchen zu schlagen. Das Abhauen aus Prenzlau, einer kleinen Stadt in der ostdeutschen Einöde, zweieinhalb Autostunden von Berlin entfernt, ist aber alles andere als einfach – und das ist nur die eine Seite des Problems. Dazu kommt, dass Tina nicht nur schön und beliebt, sondern auch mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein gesegnet ist; Marlene hingegen ist eher das Gegenteil ihrer besten Freundin. Mit ersten sexuellen Experimenten versuchen die beiden, ihrem Dasein zwischen Sozialplattenbau, Hartz IV, Alkoholsucht und wenig elterlicher Liebe ein Gefühl von Leben einzuhauchen, was letztlich nur dazu führt, dass sich ihre Einsamkeit noch verstärkt. In den Nächten ziehen sie mit befreundeten Burschen durch die Gegend, leben zwischen Alkoholexzessen, Fußballplatz und Dorfdisco. Vor allem Marlene entfernt sich immer mehr von sich selbst.

Die Wiener Filmemacherin Franziska Pflaum, die für „So schön wie du“ soeben mit dem Deutschen Kurzfilmpreis 2014 ausgezeichnet wurde, haucht ihren beiden jungen Heldinnen (grandios: Anna Lena Klenke (links im Bild) und Runa Greiner) soviel Leben und Energie ein, dass man sich trotz Eskalation, Zerwürfnis und düsterem Finale kaum Sorgen um die beiden jungen Frauen machen muss. Man weiß, es ist nicht alles so trostlos, wie es im ersten Moment scheinen mag; vom Leben haben Tina und Marlene noch eine Menge zu erwarten.


Regisseurin Franziska Pflaum

Im Rahmen der Kurzfilmreihe „Cinema Next“ sprach profil online mit Regisseurin Franziska Pflaum über starke Frauenrollen, Konkurrenzdenken unter jungen Filmschaffenden und die Leichtigkeit erster Regieversuche.

profil online: Wie nähern Sie sich einem Filmstoff?
Franziska Pflaum: Zuerst gibt es nur eine vage Idee. Bei „So schön wie du“ wollte ich die immer stärker werdende Bebilderung des Alltags behandeln. Inspiriert wurde ich dabei von einer heute 14jährigen Schauspielerin, die ihr Leben in den sozialen Netzwerken dokumentiert und dadurch ihre Identität definiert. Mich hat fasziniert, dass sie so gut wie jedes Gefühl mit einem Foto auf Facebook bebildert.

profil online: Worin liegt der Reiz einer Coming-of-age-Geschichte?
Pflaum: Ich wollte sehen, ob Jugendliche neben diesem Facebook-Leben noch zu sich selbst finden können. Mir selbst habe ich die Frage gestellt, ob es für junge Menschen ein Leben abseits dieser Bilder überhaupt noch gibt.

profil online: Ihr Film changiert zwischen dokumentarischer Beobachtung und strenger Regiearbeit. Lassen Sie Ihren Darstellern auch Platz zur Improvisation?
Pflaum: Ich habe bei „So schön wie du“ nur mit Schauspielern gearbeitet, wollte einen Spielfilm im dokumentarischen Stil machen. Ein gutes Jahr lang habe ich dafür in einem Jugendhaus in Brandenburg gearbeitet und dokumentarisches Material für die Geschichte gesammelt. Das Drehbuch musste ich den Jugendlichen am Ende nur noch vom Mund abschreiben.

profil online: Worauf achten Sie bei Schauspielern, wenn Sie bei Ihnen für Rollen vorsprechen?
Pflaum: Zunächst war für diesen Film natürlich der optische Aspekt wichtig. Es ist gar nicht einfach, eine junge Schauspielerin zu finden, die den gängigen Schönheitsidealen nicht entspricht. Die Mädchen sollten außerdem richtig schlagfertig und tough sein. Der Film dreht sich auch explizit um Sex. Ich wollte die Schauspielerinnen nicht in Rollen drängen, in denen sie sich nicht zurechtfinden.

profil online: Am Schluss des Films hat man das Gefühl, dass sich die beiden Freundinnen nur auf sich selbst verlassen können. Liegt auch Trost in dieser Trostlosigkeit?
Pflaum: Als Zuseher sollten wir über die verfahrene Situation für die beiden Mädchen nicht urteilen. Dieser Moment, die Schlussszene, gehört nur ihnen beiden. Aber man soll sich keine Sorgen machen: Die beiden besitzen eine solche Stärke, dass sie auf jeden Fall zurechtkommen werden. Trostlos ist dieses Ende für mich jedenfalls nicht.

profil online: Abgesehen von einschlägigen Uni-Studien: Wie wird man eigentlich Filmregisseurin?
Pflaum: Man muss Interesse an den Menschen haben. Die reine Beschäftigung mit sich selbst hilft einem als Filmemacher nicht weiter.

profil online: Gibt es starke Konkurrenz unter jungen Filmschaffenden?
Pflaum: In Deutschland auf jeden Fall. Da gibt es nicht nur sehr viele Filmemacher, sondern auch unzählige Filmhochschulen. Im Prinzip schaffen es nur wenige, von dieser Arbeit leben zu können.

profil online: Muss man als Filmemacherin Österreich verlassen, um erfolgreich zu sein?
Pflaum: Es ist immer ratsam, Österreich eine Zeitlang zu verlassen. Soviel ich weiß, sind die filmischen Fördersysteme in Österreich aber besser als in Deutschland. Österreicher machen ja auch die besseren Filme.

profil online: Wie beurteilen Sie heute Ihre ersten Regieversuche?
Pflaum: Ich mag nicht alle Filme, die ich bisher gemacht habe. Einige davon liegen mir aber wirklich am Herzen. Vor allem mag ich die Verspieltheit meiner alten Filme. Umso mehr Geld jetzt in einem Film steckt, desto schwieriger wird es, bestimmte Sachen einfach auszuprobieren. Bei kleineren Filmen kann man einfach mal etwas riskieren.

Franziska Pflaum, 1987 in Wien geboren, Absolventin der Akademie für Bildende Kunst in Wien, danach Regiestudium an der Filmuniversität „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg, Meisterschülerin bei Barbara Albert. Lebt in Berlin und Wien. „So schön wie du“ gewann den Deutschen Kurzfilmpreis.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.