Demolition Man: Roland Emmerich, 60, geboren in Stuttgart, als Regisseur seit über 20 Jahren in Hollywood aktiv, gilt als Spezialist für Katastrophen- und Science-Fiction-Filme.

Regisseur Emmerich: "Amerika ist so seltsam geworden"

Regisseur Emmerich: "Amerika ist so seltsam geworden"

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profil: Sie haben vor Jahren schon betont, dass Sie eigentlich gegen Sequels seien. Roland Emmerich: Bin ich immer noch, ja.

profil: Und Ihre Fantasy-Apokalypse "2012“ bezeichneten Sie vor sieben Jahren als Ihren definitiv letzten Katastrophenfilm. Emmerich: Stimmt, das hätte ich nicht sagen sollen.

profil: Die Frage liegt also nahe: Warum haben Sie eine Fortsetzung von "Independence Day“ gedreht? Emmerich: Weil "Independence Day“ vor 20 Jahren der Film war, der meine Karriere nach dem moderaten Erfolg von "Stargate“ (1994) auf Volltouren brachte. Ich dachte damals, das sei ein Film, der für sich allein stehen müsse, von dem es keine Fortsetzung geben dürfe. Ich wollte den Erfolg lieber dazu nutzen, anderes zu drehen. Dann begann sich die Filmtechnik radikal zu wandeln, ermöglichte ganz neue Arbeitsweisen, für die man erstmals keine Schere im Kopf mehr haben musste. Ich fragte mich deshalb, was ich mit diesen technischen Fortschritten anstellen könnte, wenn ich mich erneut des Stoffs von "Independence Day“ annehmen würde? Und es war gut, dass ich so lange gewartet hatte, denn nun konnte ich eine ganz andere Welt erzeugen, so etwas wie ein Paralleluniversum.

Über Donald Trump hat erst jeder nur gelacht - und plötzlich soll er ein ernstzunehmender Präsidentschaftskandidat sein?

profil: Die Technik war Ihr Hauptargument? Emmerich: Ja, aber Technik heißt für mich: Bilder. Ich weiß noch, dass ich, obwohl wir für den ersten "Independence Day“ den Visual-Effects-Oscar gewonnen hatten, damals enttäuscht war. Ich hatte vor meinen Mitarbeitern oft darüber geklagt, dass wir bestimmte Bilder einfach nicht herstellen konnten. Ich hörte, wenn ich Ideen hatte, immer nur: "It’s not possible, Roland.“ Man könne natürlich alles machen, es würde nur nicht gut aussehen. Ich musste mir also viele gute Ideen abschminken. Für mich ist aber nicht so sehr die Technologie an sich entscheidend wie der Umstand, dass meine Fantasie freien Lauf braucht.

profil: Die US-Präsidentin in Ihrem neuen Film lässt, statt über Strategien im Umgang mit Außerirdischen nachzudenken, lieber gleich scharf schießen. Ist "Independence Day: Wiederkehr“ auch als herbe Kritik an amerikanischer Aggressionspolitik zu verstehen? Emmerich: Absolut!

profil: Haben Sie keine Bedenken, dass man Ihre Arbeit als anti-amerikanisch begreifen könnte? Emmerich: Ich weiß nicht, ob ich mich um solche Fragen noch kümmern sollte. Amerika ist ohnehin ein sehr seltsames Land geworden. Es ist in sich vielfach gespalten. Sogar die Demokraten sind zerrissen zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders. Das ist schrecklich mitzuerleben. Über Donald Trump hat erst jeder nur gelacht - und plötzlich soll er ein ernstzunehmender Präsidentschaftskandidat sein? Das ist alles so seltsam, dass ich mir gar nicht mehr groß den Kopf darüber zerbreche, wen ich politisch möglicherweise provozieren könnte.

Schon als ich Anfang der 1990er-Jahre nach Amerika kam, war mir klar, dass ich frei sein wollte.

profil: Halten Sie die USA nicht auch für ein bisschen beängstigend? Emmerich: Durchaus. Zum Glück hab ich ein Haus in London. Ich kann also immer noch auswandern.

profil: Derzeit leben Sie noch in Los Angeles? Emmerich: Wenn man in Hollywood produziert, muss man dort auch wohnen, denn die Filme werden dort über Jahre vorbereitet und nachbearbeitet.

profil: Haben sich die Produktionsbedingungen für Hollywood-Blockbuster in den vergangenen Jahren stark verändert? Emmerich: Man wagt sich immer weniger an Originalstoffe. Ohne Figuren mit Superkräften und Faschingskostümen entstehen in Hollywood leider kaum noch große Produktionen. Das ist schon sehr hart geworden.

profil: Viele Stoffe werden im jahrelangen Kreislauf der Script-Doktoren und Studiobeamten zu Tode bearbeitet. Wurden Sie auch aus Lust an der Autonomie Produzent? Emmerich: Das wurde mir in die Wiege gelegt. Mein Vater hat mich so erzogen: Man ist sein eigener Herr. Schon als ich Anfang der 1990er-Jahre nach Amerika kam, war mir klar, dass ich frei sein wollte. Ich erfand damals eine Methode, die inzwischen viele praktizieren: Man schreibt ein Drehbuch, erstellt ein Budget, erklärt sich selbst zum Regisseur und wendet sich mit diesem Paket dann an die großen Studios. Wenn es gut läuft, kann man sich das beste Angebot aussuchen. So verschafft man sich nebenbei auch den Ruf, seine eigenen Dinge zu machen. Ich habe eigentlich nur einen einzigen Film gemacht, der auf dem Drehbuch eines anderen basierte: "White House Down“.

Ich finde, ich habe den besten Beruf der Welt.

profil: Führte das nicht auch dazu, dass Sie in Hollywood inzwischen als Kontrollfreak gelten? Emmerich: Vielleicht, aber es ist ja eher so, dass die Leute dann wissen, was sie bekommen. Studiochefs, die dir 150 oder 200 Millionen Dollar überweisen, wollen schon wissen, ob du auch kannst, wofür du bezahlt wirst. Aber wenn man das ein paar Mal bewiesen hat, es immer gut aussah und relativ erfolgreich war, erleichtert das die Entscheidung.

profil: Sind Sie nicht manchmal frustriert von den zeitraubenden Abläufen und endlosen Debatten, ehe eine Produktion abgesegnet wird? Emmerich: Klar. Man ist einerseits frustriert, andererseits wüsste ich aber nicht, was ich sonst machen sollte. Ich finde, ich habe den besten Beruf der Welt. Filmregisseur zu sein, ist schon ziemlich cool.

profil: … wenn man Geduld hat. Emmerich: Ja, aber die habe ich. Geduld braucht man ja auch beim Drehen. Ich bin Perfektionist, entscheide über jede Kleinigkeit selbst, muss tatsächlich jedes Requisit überprüfen. Später, wenn wir uns an die visuellen Effekte machen, wird mein Kontrollzwang noch extremer. Ich kann mir stundenlang Action-Details ansehen und darüber grübeln, während Assistenten all meine Kommentare notieren. Diese Anmerkungen werden dann an die Firmen weitergeleitet, die bestimmte Special-Effects-Shots produzieren.

Es gibt nur gute und schlechte Filme.

profil: Die digitale Technologie ist avancierter, auch billiger geworden. Verschlang der neue "Independence Day“ dennoch ebenso viele Millionen wie der erste? Emmerich: Wenn man die Inflation mit einrechnet, war "ID: Wiederkehr“ allenfalls fünf bis zehn Prozent teurer. Der erste Film kostete rund 72 Millionen Dollar, das wäre heute das Doppelte, also etwa 145 Millionen. Und auf rund 155 Millionen, glaube ich, belief sich das Budget des neuen Werks. Alles im Rahmen also.

profil: Was fasziniert Sie denn noch immer so am - auch ein wenig in die Jahre gekommenen - Format Blockbuster? Emmerich: Schon als ich in München die Filmhochschule besuchte, war ich der Einzige, der von "Star Wars“ oder "Unheimliche Begegnung der Dritten Art“ schwärmte. Mir gefielen diese Filme einfach besser als das europäische Autoren-Kino.

profil: Liegt Ihnen nicht auch die Trivialität der B-Pictures nahe? Emmerich: Ja, John Carpenter ist einer meiner absoluten Heroes. Aber ganz egal, ob man die Kategorie A oder B bedient: Es gibt nur gute und schlechte Filme.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.