"Star Wars": Das Kino als Nebenschauplatz

"Star Wars": Das Kino als Nebenschauplatz

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Wenn die Macht erwacht, ist mit Erregungszuständen zu rechnen. Für Science-Fiction-Besessene steht dieser Tage weniger Weihnachten als vielmehr die dritte Geburt des Großen Sternenkrieges vor der Tür: ein Ereignis von kosmischen Ausmaßen und quasi-religiöser Wucht - der Beginn einer neuen Trilogie, die direkt an die mythische erste, an die zwischen 1977 und 1983 veröffentlichte "Star Wars“-Initialzündung, anschließt; die 1999 bis 2005 erschienenen ersten drei Episoden der Saga kamen als "Prequel“-Dreiteiler in die Kinos und erzählten somit nur die Vorgeschichte.

Zweifel an der Profitabilität der siebenten Eintragung ins große Buch des Sternenkrieges sind ohnehin nicht angebracht, der laufende Kartenvorverkauf hat das erwartete Hysterie-Niveau längst erreicht.

Episode VII der bald 40 Jahre alten "Star Wars“-Filmserie trägt den Titel "Das Erwachen der Macht“ ("The Force Awakens“). Nun also soll diese Urgewalt -"die Macht“ ist bekanntlich eine Art Energiefeld, das die tapferen Jedi-Ritter kräftigt und die "Star Wars“-Galaxie im Innersten zusammenhält - nach allen Regeln der Filmhochtechnologie wieder entfesselt werden. Worauf genau dies inhaltlich hinausläuft, steht zur Stunde nicht fest. Denn es gilt strengste Geheimhaltung mit Schweigegelübde für alle Produktionsbeteiligten, erst unmittelbar nach der Weltpremiere des Films in Los Angeles am 14. Dezember dürfen unter Hochsicherheitsbedingungen Pressevorführungen stattfinden, dann aber soll alles sehr schnell gehen: Bereits zwei Tage später steht der globale Kinostart an (auch in Österreich ist "Das Erwachen der Macht“ für den 17. Dezember terminisiert). Zweifel an der Profitabilität der siebenten Eintragung ins große Buch des Sternenkrieges sind ohnehin nicht angebracht, der laufende Kartenvorverkauf hat das erwartete Hysterie-Niveau längst erreicht.

Das popkulturelle Phänomen "Star Wars“, das in den späten 1970er-Jahren die amerikanische Filmindustrie in ein Blockbuster-Schlaraffenland verwandelte, setzte von Anfang an auf kalte Regression, auf die spielerische Kernfusion von Religion, Technik, Business, Moral und Ideologie, auf den Übertritt von der realen in die virtuelle Welt. "Star Wars“ war bereits 1977 ein retro-futuristisches, prä-digitales Disneyland, zugleich ein Katalog des Hollywood’schen Entertainment-Totalitarismus: Fun ist ein Riefenstahlbad. Und "Star Wars“ war passenderweise nie nur im Kino daheim, sondern vor allem auch im Fernsehen, in Videospielen, Büchern, Tonträgern, Comics, Spielzeug und unzähligen anderen Merchandising-Artikeln: Der geschätzte Gesamtwert des "Star Wars“-Franchise liegt bei rund 30 Milliarden Dollar. Die kommerzielle Gewalt allein ist es aber nicht, die so viele Menschen an dieses Epos bindet: Am "Krieg der Sterne“ arbeiten sich auch renommierte Denker wie Slavoj Zizek ab - vor wenigen Wochen erst widmete das "Philosophie Magazin“ dem Phänomen eine ganze Ausgabe.

Im Reich der zeitlosen Unterhaltung ist nicht einmal der Krieg negativ besetzt.

32 Jahre nach "Return of the Jedi“ treten die Haudegen der Originaltrilogie noch einmal an: Harrison Ford, 73, hat die Rolle des Han Solo wieder übernommen, Mark Hamill, 64, gibt Luke Skywalker und Carrie Fisher, 60, erneut die wehrhafte Leia. Und auch hinter den Kulissen wirken "Star Wars“-Veteranen: John Williams hat die Musik komponiert, Lawrence Kasdan am Drehbuch mitgeschreiben. Im Regiebereich gab es immerhin eine Rochade. Nicht mehr Serienerfinder George Lucas saß bei Episode sieben im Chefsessel, er musste - nach dem Verkauf seines Unternehmens an den Disney-Konzern 2012 - an eine jüngere Branchengröße übergeben: Fantasy-Dynamo und "Lost“-Erfinder J.J. Abrams hat "Das Erwachen der Macht“ inszeniert, mitverfasst und koproduziert.

Lucas’ Lehren aber sind unverbrüchlich: Im Reich der zeitlosen Unterhaltung ist nicht einmal der Krieg negativ besetzt. Lucas räumte 1977 auf mit dem Zynismus des New Hollywood und setzte auf kindliches, neoheroisches Feelgood-Entertainment, das rückhaltlos positiv sein sollte - ein nostalgischer Spaß wie damals, als Flash Gordon seine außerirdischen Abenteuer erlebte. Das Bedürfnis nach simplen moralischen Fronten und jugendlicher Revolution hat sich erhalten. Die Welt ist aufregend, aber noch zu retten. Man muss nur fest daran glauben.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.