Für Leiwand, gegen Oasch: Voodoo Jürgens

Warum ich Voodoo Jürgens eines der besten Konzerte meines Lebens verdanke

Warum ich Voodoo Jürgens eines der besten Konzerte meines Lebens verdanke

Drucken

Schriftgröße

Ich verdanke Voodoo Jürgens eines der besten Konzerte meines Lebens. Genauer gesagt verdanke ich David Öllerer, dem Mann hinter Voodoo Jürgens, eines der besten Konzerte meines Lebens. Ganz genau verdanke ich seiner damaligen Band Die Eternias eines der besten Konzerte meines Leben. Es war am Ostersamstag, 19. April, vor zwei Jahren und Die Eternias spielten in einem kleinen Skateclub/Bar namens "Grindhouse" in Sofia in Bulgarien. Rund zehn Leute waren gekommen, niemand kannte die Band, der Eintritt war frei. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits ein paar Tage mit der Band unterwegs, es war die letzte Tour der Eternias vor ihrer Auflösung kurze Zeit später. Nach Stopps in Tübingen, München, Graz und Belgrad waren wir nun mit unserem kleinen Fiat am Osterwochenende zu viert in Sofia gelandet. Der Grund der Reise: Gemeinsam mit Seayou Records brachte ich mit meinem Skateboard-Label Brutal Beauty eine Platte samt dazugehörigem Die-Eternias-Skateboard heraus, das David gestaltet hatte. Die kleine Konzert- und Skateboardtour sollte den Abschluss des Projektes bilden.

In Sofia waren wir - die Zeitverschiebung hatten wir übersehen - spät dran, und als wir gegen 22 Uhr zum Club kamen, war sich niemand sicher, was dieser Abend bringen würde. Petya, die ich aus ihrer Studienzeit in Wien kannte, und ihr Freund Ivo hatten den Abend für uns auf die Beine gestellt. Normalerweise spielten im "Grindhouse" laute Hardcorebands in der Miniramp. Die Musik der Eternias fiel nicht in diese Kategorie. Zudem, so meinte Petya, seien viele Leute über Ostern ans Meer gefahren und in der Stadt sei allgemein wenig los. David und Die Eternias schien das nicht weiter zu stören. Das Trio schlüpfte wie bei jedem Konzert in seine Kostüme, stellte sich in die Miniramp und legte los. Nach dem zweiten oder dritten Lied passierte etwas Erstaunliches: Die eher harte Musik gewohnten Besucher wippten langsam mit, kamen Schritt für Schritt näher Richtung Miniramp, entspannten sich und fingen an, zu tanzen. Mit jedem Lied wurde die Vertrautheit und Intimität größer. Nach ein paar Liedern fing der Barkeeper an, Wodka an David, Bernd und Didi in der Miniramp und mich zu verteilen. Er wiederholte es ein paar Mal und alle Anwesenden stimmten mit ein. Und als alle Lieder durchgespielt waren, war trotzdem an ein Aufhören nicht zu denken. Zu viel Spaß hatte das Dutzend Leute an dieser unbekannten Band. Also gab es als Zugabe zur Zugabe zur Zugabe noch einmal den Song "Telephone" vom Album "Sould Out".

Als dieser nach zwei Minuten dem Ende zuging, war mir klar, dass es hier noch lange kein Ende geben würde. Einige der Leute stürzten auf David und den Rest der Band zu und umarmten sie, der Barkeeper hatte in der Zwischenzeit weitere Wodkastamperln auf der Theke aufgereiht und getanzt wurde von da an zu aufgelegten Platten. Kurz erholt, versuchte David daraufhin einen Kickflip von der Miniramp auf die Tanzfläche. Und als dieser nach zig Versuchen gelang, verschwand er unter einer Traube von lachenden und grölenden Gesichtern, die sich auf ihn geworfen hatte. Dieser Abend, diese Lieder, dieses Konzert standen für alles, was ich an Musik liebe. Wie aus einem Haufen Fremder für eine kurze Zeit vertraute Euphorie und Nähe entstehen kann. Und im Zentrum stand, unscheinbar und auf seine Art zurückhaltend, David. Die Lieder und die Sprache sind mit Voodoo Jürgens zwei Jahre später zwar andere geworden, das Herz der Musik und was sie bewirkt, ist allerdings gleich geblieben.

Voodoo Jürgens über sein Debütalbum und ob es ihm irgendwann einmal zu viel sein könnte.

Gleich geblieben scheint mir auch der Mensch dahinter: Konsequent darin, die Geschichten und Menschen, die ihn beschäftigen, erzählen zu müssen und ihnen eine Stimme zu geben. Aber auch sensibel und sich seiner selbst nicht immer sicher. Als unsere kleine Reise vor zwei Jahren in Tübingen begann, meinte der Tontechniker beim Soundcheck etwas wirsch und genervt, warum denn Davids Gitarre und Gesang so komisch klingen würden. Dem guten Mann dürfte die beiläufige Härte seiner kurzen Frage nicht bewusst gewesen sein. Denn nach dem Soundcheck schien David verzwickt und für kurze Momente an seinen Fähigkeiten zu zweifeln. Natürlich ohne Grund. Aber wer zehn Jahre lang Musik macht, alles in Eigenregie auf die Beine stellt, T-Shirts selbst druckt, Artworks selbst zeichnet und sich trotz geringen Erfolgs immer wieder auf die Bühne stellt, um sich die Aufmerksamkeit von manchmal nur einer Handvoll Leute zu erspielen, der darf auf hin und wieder zweifeln.

Zweifellos ist jedoch für mich die Tatsache, dass sich die steigende Aufmerksamkeit für Davids Musik daraus ergibt, dass er sich als Voodoo Jürgens noch verletzlicher und offener auf die Bühne stellt, als das mit Die Eternias der Fall war. Die Sprache ist seine, die Geschichten - vor allem natürlich Tulln - sind seine und die Art und Weise diese zu erzählen - auf und abseits der Bühne. Das hat eine gewisse Zeit gebraucht. Im Sommer 2014 - Die Eternias waren Geschichte und Voodoo Jürgens noch nicht ganz geboren - spielte er mit dem Krachmandlorchester im Wiener Celeste ein paar Lieder. Beim Public Viewing zur Fußball-WM im Garten dürften mehr Leute zugesehen haben, als danach beim Konzert anwesend waren. David spielte teilweise mit dem Rücken zum Publikum und alles schien sehr improvisiert. Unter den wenigen Songs war eine erste Version des Liedes "Gitti", das nun zu den Höhepunkten auf dem Voodoo Jürgens-Debütalbum zählt (Erscheinungstermin: 30. 09.2016). Das Telefongespräch zwischen dem Strizzi Robert und seiner Ex-Freundin Gitti war prägnant, lustig erzählt und doch beinahe traurig. Gleichzeitig hing das Lied in der Luft, war nicht klar, wohin es David bringen will. Das hat sich geändert, und die 13 Lieder auf seinem Album "Ansa Woar" nehmen dich Schritt für Schritt mit in die Mitte der Geschichten, in die Mitte der erzählten Leben.

Viel erzählt hat mir auch eine meiner letzten Begegnungen mit David und Voodoo Jürgens. Im Oktober 2015 war ich auf der Suche nach einem Musiker, der bei der Eröffnung des Ateliers meines oben erwähnten Labels Brutal Beauty spielt. Ich suchte jemanden, dem die Skateboardkultur nicht fremd ist und der mit improvisierten Umständen umgehen kann. David sagte zu und spazierte an jenem regnerischen Samstagabend Anfang Oktober gemütlich mit Gitarre und Verstärker in den kleinen Raum. Das Mikrofon fixierten wir mit Gaffa-Tape an einer kleinen Leiter und David begann, seine Lieder zu spielen. An diesem Abend hörten ich und rund 50 andere Menschen das erste Mal "Tulln", ein Lied das in die österreichische Musikgeschichte eingehen wird. Ich hatte ganz vergessen mit David über eine Gage zu reden, er meinte nach dem Konzert jedoch nur, dass er gerne gespielt hätte und keine Gage bräuchte und wenn mir in Zukunft wieder eine Zusammenarbeit einfallen würde, solle ich mich einfach melden.

Die Zukunft für David und Voodoo Jürgens sieht nun jede Menge Konzerte und die Release seines Debütalbums im Herbst vor. Aufmerksamkeit und Gagen, die er sich nach all den Jahren hart erarbeitet hat. Sein Publikum wir das hoffentlich zu schätzen wissen - so wie die zehn Leute im "Grindhouse" in Sofia. Und er wird sich hoffentlich genauso daran erfreuen können.

Voodoo Jürgens eröffnet am Donnerstag, 28. Juli, um 18:30 das Popfest am Karlsplatz in Wien.