Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Stronach die Daumen drücken!

Stronach die Daumen drücken!

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Das politische System ist verkommen, die Parteien stecken im tiefen Korruptionssumpf, ein Skandal jagt den anderen. Und das Vertrauen der Bevölkerung in die politische Klasse tendiert gegen null. Das war die Situation Italiens vor zwanzig Jahren. Tangentopoli – das System implodierte. Christdemokraten und Kommunisten, die traditionellen Großparteien, verschwanden, und der Medientycoon Silvio Berlusconi trat mit dem Versprechen auf die politische Bühne, mit jenen Methoden das Land wieder aufzurichten, mit denen er als Geschäftsmann reich geworden ist. Viele glaubten ihm.

Die Parallele drängt sich auf. Erlebt nun Österreich mit dem Einstieg des austrokanadischen Milliardärs Frank Stronach in die heimische Politik seinen „Berlusconi-Moment“? Das wäre durchaus möglich, meint Joachim Riedl in einem Leitartikel des deutschen Wochenblatts „Die Zeit“: Eine „Forza Stronach“ könnte von den Österreichern als rettende Kraft angesehen werden, die das Land aus der Misere zu führen imstande wäre.
So verlockend es erscheint, die Parallele zu Italien Anfang der neunziger Jahre zu ziehen, und so viele Ähnlichkeiten zwischen Silvio und Frank auch bestehen mögen – der Vergleich ist dennoch weit überzogen. Ja, den Regierungsparteien hierzulande geht es schlecht, und der Degout der Wähler ihnen gegenüber ist groß. Das „System“, gegen das Stronach nun in die Schlacht zieht, ist angeschlagen. Vor seinem Ende steht es aber keineswegs. Die politische Architektur hat Risse, gewiss. Einsturzgefährdet ist sie aber noch lange nicht. Vor allem erlebt Österreich, im Unterschied zu Italien von damals, seine aktuelle Krise der Politik vor dem Hintergrund eines durchaus funktionierenden Staatswesens und einer trotz aller Probleme dynamischen Wirtschaft.

Und Berlusconi besaß – als er sich anschickte, Italien aufzumischen – mit seinem Medienimperium bereits eine gewaltige politische Macht. Die Sympathie, die Stronach bei Teilen des österreichischen Boulevards findet, ist nichts dagegen. Der Großteil der Öffentlichkeit im Land begegnet dem g’stopften Onkel aus Kanada eher mit hämischer Ironie.
Ein Austro-Berlusconi wird er mit Sicherheit nicht.

Man muss auch sagen: Quereinsteigende Milliardäre sind nur in den seltensten Fällen erfolgreich. Neben Berlusconi, der Italien fast zwei Jahrzehnte beherrschte – aber das Land nur weiter bergab führte –, gibt es wenige Beispiele von Superreichen, die in der Politik reüssierten.
Selbst in Amerika, wo Reichtum anders als in Europa weniger auf Neid denn auf Bewunderung stößt, misslingt der Umstieg von Big Business zu Big Politics meist. Der mächtige Medienmann Steve Forbes scheiterte trotz prall gefüllter Wahlkampfkassen mit seinen präsidentiellen Ambitionen ebenso wie Ronald Lauder, der Erbe eines der größten Kosmetikkonzerne der Welt. Und Mitt Romney, der mit seiner Private-Equity-Firma ein gewaltiges Vermögen schuf, machte zwar nach seinem Umstieg in die Politik einen passablen Job als Gouverneur des kleinen Bundesstaats Massachusetts, ist aber jetzt gerade dabei, den Kampf ums Weiße Haus zu verbocken und eine gewaltige Niederlage gegen Barack Obama einzufahren.

Michael Bloomberg kann als Ausnahme gelten: Der Gründer der Nachrichtenagentur gleichen Namens und Besitzer einer Reihe anderer Medien hat sich als einer der fähigsten Bürgermeister in der Geschichte New Yorks erwiesen. Der parteilose Politiker rangiert auf der Liste der reichsten Amerikaner auf Platz zehn.

Ein österreichischer Bloomberg wird Stronach wohl auch nicht. Dazu fehlt dem achtzigjährigen Magna-Gründer nicht zuletzt das intellektuelle Format. Aber wenn man schon nach Vergleichen sucht, dann bietet sich am ehesten ein Mann an, der schon seit Langem von der politischen Bildfläche verschwunden ist: Ross Perot, der führende IT-Unternehmer, der im Jahre 1992 bei der US-Präsidentschaftswahl als dritter Mann gegen George Bush Vater und Bill Clinton ins Rennen ging. Ein ebenso beeindruckender Selfmademan wie der einstige Werkzeugmacher aus der Steiermark, gab sich Perot – so wie jetzt Stronach – als wirtschaftsfreundlicher Anti-Establishment-Kandidat. Und erzielte als Außenseiter im traditionellen US-Zweiparteiensystem ein sensa­tionelles Ergebnis von über 18 Prozent der Stimmen.

Ins Weiße Haus zog Perot natürlich nicht ein. Er nahm aber George Bush entscheidende Stimmen weg. Ohne ihn wäre der Demokrat Bill Clinton nie und nimmer Präsident geworden. Die Republikaner hätten auch in den neunziger Jahren die amerikanische Politik beherrscht. Ross Perot erwies sich also als geschichtsmächtig.

So darf auch Stronachs Aussage – der Tag der Präsentation seiner Bewegung könnte als wichtiges Datum in die Geschichte eingehen – nicht bloß als Großsprecherei belächelt werden. Zwar weiß man nicht, welche der beiden Großparteien er mehr schwächt: die SPÖ oder die ÖVP. Dass der Magna-Populist aber H. C. Strache massiv schadet, das ist sicher. Und Stronachs Populismus ist nicht ausländerfeindlich, nicht rassistisch und ohne historische Belastung – ein zivilisierterer als jener der FPÖ jedenfalls.
Doch, doch: Frank wird geschichtsmächtig. Und das ist gut so. Man muss ihn ja nicht wählen. Ihm die Daumen drücken sollte man aber doch.

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