Peter Michael Lingens: Krieg mitten in Europa

Das Flüchtlingsproblem befördert das Terrorproblem.

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Der Ausnahmezustand in Frankreich signalisiert Krieg mitten in Europa.

Europa konnte nicht mehr vermeiden, sich am Krieg gegen den Islamischen Staat und den Islamismus zu beteiligen – Islamischer Staat und Islamismus reagieren mit Krieg gegen Europa.

Hatten die Terroristen beim Attentat auf die Redaktion von „charlie hebdo“ noch einzelne Personen angegriffen, die in ihren Augen den Propheten beleidigt hatten, so wurde diesmal die französische Bevölkerung angegriffen: ausschließliche„Zivilisten“ wurden auf eine so wahllose Weise niedergemetzelt wie sie nicht einmal für „Krieg“ sondern für Kriegsverbrechen charakteristisch ist.

Hauptgrund dafür, dass sich Europa aus dem Krieg in Syrien nicht mehr heraushält, ist der„Flüchtlingsstrom“. Da die Union auf keinen Fall immer mehr Flüchtlinge aufnehmen will, hat sich bei fast allen Staatsführungen die Überzeugung durchgesetzt, dass Europa sich am Kampf gegen den IS und die diversen islamistischen Gruppierungen der Region beteiligen muss. Frankreich oder Großbritannien fliegt ebenso Angriffe gegen den IS-Staat wie Russland oder die USA, und selbst Deutschland liefert den Peschmerga -Kämpfern Waffen. Es ist militärisch logisch, dass nach einem russischen Passagierflugzeug eine französische Konzerthalle Ziel eines islamistischen Angriffs wurden.

Und es war das sicher nicht der letzten Anschlag auf eine Europäische Metropole.

(Österreich kann sich einmal mehr glücklich schätzen, dass ihm seine Neutralität ernsthafte militärische Einsätze in Krisenregionen erspart.)

Die Reaktion fast aller Staatsführungen wird in einer Verstärkung der Überwachung und vermehrten Kompetenzen für Nachrichtendienste bestehen – mit allen zugehörigen Problemen. Dennoch wird sich unser Verständnis für die gleiche Entwicklung in den USA etwas erhöhen - ohne dass es gelingen wird Terrorakte völlig zu vermeiden. Wir werden mit dem Terror leben müssen. Vielleicht werden die Bewohner von Metropolen sogar wie Ägypter oder Tunesier erfahren, welche Einbußen für den Tourismus Terrorismus mit sich bringen kann.

Es ist absurd, einen Zusammenhang mit dem Glauben zu leugnen, wenn noch jeder Attentäter seine Morde mit dem Ruf ‘Allah ist groß‘ begleitet hat.

Paris wird auch massive Rückwirkungen auf unser Verhältnis zu Flüchtlingen haben. In der Theorie sollten wir jetzt noch besser verstehen, warum so viele Menschen vor der unglaublichen Grausamkeit islamischer Fanatiker fliehen. In der Praxis wird die Sorge überhand nehmen, dass der Flüchtlingsstrom Terroristen ins Land spült. Und mit Sicherheit werden FPÖ oder AFL diese These vertreten. Auch wenn Paris sie in keiner Weise stützt: Frankreich hat fast keine Flüchtlinge aufgenommen. Wahrscheinlich wird sich herausstellen, dass die Attentäter seit längerem im Land gelebt haben, aus einer zweiten oder dritten Einwander- Generation stammen und mangels Job und Integration in irgendeiner Moschee radikalisiert wurden.

Dass der „Islam“ nichts mit dem Terror zu tun habe, ist in meinen Augen eine seit Jahrzehnten unhaltbare These. Es ist absurd, einen Zusammenhang mit dem Glauben zu leugnen, wenn noch jeder Attentäter seine Morde mit dem Ruf „Allah ist groß“ begleitet hat.

Der Islam vermittelt, wie alle Religion, solange sie lebendig sind, die intolerante Überzeugung, die Wahrheit zu besitzen – und im Gegensatz zum Christentum ist der Islam leider sehr lebendig. (Was relativ lebendiges Christentum immer noch anzurichten vermag, kann man derzeit im Wahlkampf der Republikaner in den USA beobachten)

Mehr als zumindest das neue Testament fordert der Koran die Verbreitung des Glaubens mit Feuer und Schwert und predigt Unbarmherzigkeit gegenüber „Ungläubigen“. Entscheidend aber scheint mir die so intensive Wertschätzung des Islam für den Märtyrer, der nach einem elenden irdischen Leben ein paradiesisches Leben erwarten darf, wenn er für Allah gestorben ist.

Im Rahmen des Christentums war dieser Vorrang des Himmels vor der Erde so vorteilhaft für Despoten und Diktatoren – er hat die Massen ihr elendes Erdenleben ertragen statt revoltieren lassen. Im Islam tritt zu dieser Funktion die so selbstverständliche Bereitschaft zum mörderischen Selbstmord hinzu: Die Mehrheit der Pariser Attentäter starb durch die selbstgezündete Explosion der Sprengstoffgürtel, die sie sich um den Leib geschnürt hatten.

Dass Europäer wie Amerikaner trotz überlegener Waffen solche Probleme Im Kampf gegen Islamische Kämpfer haben, hängt mit eben dieser unterschiedlichen Einstellung zum Wert des eigen Lebens zusammen: Sie setzen auf Luftschläge die womöglich von unbemannten Drohnen abgegeben werden, statt Bodentruppen zu entsenden, die den Tod im Kampf riskieren müssten.

Die Kämpfer des IS riskieren ihn mit Vergnügen.