Peter Michael Lingens: Straches Aspern

Er ist längst nicht aufgehalten – aber sein Endsieg ist längst nicht so sicher, wie er meint.

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Wahlsonntage sind tückisch für Kolumnisten: Damit mein Kommentar zum Wahlergebnis Montag im gedruckten Magazin erscheinen konnte, musste er Freitag vor der Wahl in geeigneter Fassung vorliegen. Gott sei Dank kam ein Wahlergebnis heraus, wie ich es für das wahrscheinlichste gehalten hatte: Der eindeutige Sieg Michael Häupls. Aber wo ich mit einem Vorsprung der SPÖ von höchstens 5 Prozent gerechnet hatte, wurden es 8,8. Wenn ich daher heute, Montag, da ich das Ergebnis kenne, noch einmal dazu Stellung nehme, fällt diese Stellungnahme entsprechend optimistischer aus: Strache hat in Wien eine erste Niederlage erlitten, die der Napoleons in Aspern gleicht –obwohl sie ihn noch lange nicht aufhält, beweist sie doch, dass er aufgehalten werden kann.

Denn sie ist so zu sehen, wie auch der Chef der ORF-Innenpolitik, Hans Bürger, sie im letzten Anlauf gesehen hat: Siebzig Prozent der Wiener wollen nicht von Heinz Christian Strache regiert werden. 57,6 Prozent ganz entschieden - SPÖ, Grüne und Neos haben vor der Wahl klargestellt, dass sie auf keinen Fall mit der FPÖ koalieren wollen – und 9,2 Prozent ÖVP Wähler sowie 2,4 „Sonstige“ haben seine Partei jedenfalls nicht gewählt. Wenn man bedenkt, dass sich auch die Nichtwähler jedenfalls nicht für Strache entschieden haben, ist seine Position in der Bundeshauptstadt in Wirklichkeit meilenweit von dem entfernt, was er vorgibt.

So wie Napoleon Europa am Ende doch nicht gegen England, Russland und Österreich zu erobern vermochte, ist auch in keiner Weise ausgemacht, dass Strache 2018 gegen SPÖ, Grüne und Neos den Ballhausplatz erobern wird, sofern die Sozialdemokratie sich auch bundesweit zu einer klaren Haltung aufrafft und sofern vor allem das „bürgerliche Lager“ sich wirklich als „bürgerlich“ erweist, statt ins “Nationale“ abzudriften und ausgerechnet in dem Bereich, den es für seine Domäne hält– der Wirtschaftspolitik – so weit wie möglich zu versagen.

Die entscheidende wirtschaftspolitische Weichenstellung – ich kann es nicht oft genug wiederholen– hat zwar in Deutschland durch Wolfgang Schäuble und Angela Merkel stattgefunden: So lange der Spar-Pakt nicht überwunden ist, wird die EU ihre Wachstumsschwäche nicht überwinden.

Entscheidend für die Eindämmung der Arbeitslosigkeit wird sein, ob es der Regierung endlich gelingt, die auf Arbeit lastenden Kosten zu reduzieren.

Aber Österreichs Finanzminister muss beim „Sparen des Staates“ zumindest „kein Vorzugsschüler sein“ – um die einzige vernünftige Formulierung zu verwenden, die Hans Jörg Schelling in einem luziden Intervall in diesem Zusammenhang gebraucht hat.

Vielleicht wird es ihm tatsächlich gelingen, die Staatsausgaben für die Verwaltung des Landes zu vermindern – ich zweifle zwar, dass dabei die Größenordnung herauskommt, die er selbst oder Christoph Leitl behaupten, denn Österreich hat seit 2002 bereits ein Drittel seiner Beamten abgebaut – aber selbst wenn es ihm gelingt, wird es die Konjunktur nur dann beleben, wenn er dieses Geld im Weg von Staatsaufträgen investiert, die Gesamtausgaben des Staates sich also in keinem Fall, wie von beiden gefordert, vermindern.

In Wirklichkeit – das ist es, was Schelling so wenig wie Schäuble begreift – müssten sie sich durch massive Investitionen in die Infrastruktur erhöhen, wenn das Wachstum ernsthaft angekurbelt werden soll. (So wie das in den USA leider durch Investitionen in die Rüstung und am Rande in Fracking geschehen ist.)

Die mit Abstand sinnvollste und rentabelste Investition einer österreichischen Regierung wäre natürlich die in die Bildungs-Infrastruktur: Statt etwa das Budget für den Ausbau von Ganztagschulen schwachsinnig zurückzuschrauben, müsste man es genau umgekehrt massiv erhöhen, usw. usw.

Aber in genau diesem entscheidenden Bereich bremst die völlig überflüssige ideologische Auseinandersetzung um das angeblich einzig richtige Schulsystem seit Jahrzehnten jeden Fortschritt. Dabei brauchte man nur Hannes Androschs Schul-Volksbegehren eins zu eins in die Tat umzusetzen, um den entscheidenden Sprung vorwärts zu machen.

Entscheidend für die nicht minder wichtige Eindämmung der Arbeitslosigkeit wird sein, ob es der Regierung – wieder voran dem Finanzminister – im kommenden Jahr endlich gelingt, die auf Arbeit lastenden Kosten (Lohnnebenkosten und Lohnsteuern) zu reduzieren.

Es hätte auch dazu einen einfachen, die Schulden des Landes nicht einmal erhöhenden Weg gegeben – nämlich endlich Vermögenssteuern in der durchschnittlichen Höhe entwickelter Länder einzuführen – aber den hat die ÖVP bisher eisern versperrt.

Leider haben sich auch die Neos als die relativ bessere ÖVP diesbezüglich nicht gerade engagiert. Aber sie behaupten zumindest, offen für ständiges Lernen zu sein.

Vielleicht ist das irgendwann auch die ÖVP. Dann bleibt uns Strache– und die ganz spezielle wirtschaftliche Entwicklung a la Kärnten- auch 2018 erspart.

P.S.: Weil ich immer bereit bin, dazuzulernen, muss ich eine in meinem ersten, Wahl-Kommentar geäußerte Einschätzung ausdrücklich korrigieren: Wegen ihres, in meinen Augen nicht sehr glücklichen Engagements in der Kulturpolitik habe ich Finanzstadträtin Renate Brauner jede Eignung, Michael Häupl nachzufolgen abgesprochen. In ihrem Interview zum Wahlausgang hat sie mich eindrücklich eines Besseren belehrt: Alles was sie gesagt hat, war ebenso anständig wie richtig. Darüber hinaus war sie entschieden schlagfertiger als ihr Interviewer.