Peter Michael Lingens: Ein Wirtschaftskrieg der USA gegen VW ?

Peter Michael Lingens: Ein Wirtschaftskrieg der USA gegen VW?

Peter Michael Lingens: Ein Wirtschaftskrieg der USA gegen VW?

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Dass ich gewagt habe, an Hand des skandalösen Umgangs des VW-Konzerns mit seinen Abgas Problemen, der FIFA mit der Vergabe von Weltmeisterschaften, der Banken der Schweiz, Luxemburgs oder Liechtensteins mit unversteuertem Geld oder (bis vor wenigen Jahren) der Siemens AG mit Schmiergeld, daran zu zweifeln, dass die Standards Europas im Umgang mit „Konzernen“ denen der USA tatsächlich so überlegen sind, wie die Gegner von TTIP meinen, hat den erwarteten Widerspruch provoziert.

In den Worten von Werner Kattinger: „Herr Lingens, sollte es Ihnen wirklich nicht aufgefallen sein, dass die von Ihnen zitierten Beispiele nur nicht-amerikanische Konzerne betreffen? Die USA setzen ihre Justiz als wirksame Waffe im weltweiten Wirtschaftskrieg ein. Ihre eigenen Konzerne werden offenbar kaum verfolgt. Wenn Sie das nicht bemerken oder nicht bemerken wollen - beides schlecht.“

Das hat mich veranlasst, die Strafen zusammenzustellen, die US-Behörden in jüngster Zeit gegen die größten amerikanischen Bank-Konzerne ausgesprochen haben: Gegen JP Morgan wurde eine Strafzahlung von 18,3 Milliarden Dollar verfügt. Gegen die Bank of America von 12,5 Milliarden Dollar Gegen die Citybank von7 Milliarden Dollar. Und gegen Goldman Sachs von O,5 Milliarden Dollar. Dazu kamen noch Millionen-Geldstrafen gegen einzelne Manager.

Gegen JP Morgan wurde eine Strafzahlung von 18,3 Milliarden Dollar verfügt.

Die US-Justiz hat auch Schweizer Banken zu hohen – wenn auch nicht derart hohen - „Vergleichs“-Zahlungen gezwungen, wenn sie weiter auf dem US-Mark tätig bleiben wollten – aber dazu kann ich nur sagen: Gott sei Dank. Irgendwelche vergleichbaren Aktivitäten eines europäischen Landes oder der EU im Bankensektor sind mir nicht bekannt. Auch nicht, dass wir wie die USA auf Grund der Finanzkrise 2000 Banken zu Lasten ihrer Aktionäre zugesperrt hätten oder dass das Investmentgeschäft vom normalen Bankgeschäft losgetrennt worden wäre, um gegenseitige Ansteckung zu vermeiden.

Natürlich wurde bezüglich der strengen US-Stickoxyd-Normen auch sofort eingewendet, dass sie eben die überlegene europäische Diesel-Technologie bekämpfen. Dazu muss man sich die historische Genese von Abgasnormen anschauen: Es gab in Europa ursprünglich überhaupt keine. Erste Luft-Reinhalte-Normen wurden –auf Grund des schon viel früher sehr dichten Autoverkehrs – in Kalifornien eingeführt. Natürlich gegen den wütenden Protest der damals mit Abstand Weltgrößten amerikanischen Autoindustrie.

Dass die USA heute dem Stickoxyd mehr Bedeutung als dem CO2 beimessen, liegt an ihrer geringeren Bereitschaft, die wissenschaftlichen Grundlagen des Greenhouse-Effektes anzuerkennen – was sich unter Obama gewandelt hat – aber man kann es auch sehr simpel begründen: Die unmittelbare Gesundheitsgefährdung von Menschen durch Stickoxyd und Feinstaub hätte meines Erachtens auch den Europäern genau so wichtig wie der Klimawandel sein müssen.

Viel stärker als von der europäischen (deutschen) Autoindustrie ist Amerikas Autoindustrie übrigens von der japanischen Autoindustrie bedrängt: Toyota und Nissan verkaufen in den USA ungleich mehr Autos als Mercedes, BMW oder VW. Dennoch profitiert Toyotas Hybridantrieb zweifellos am meisten von den strengen US-Abgasnormen.

Es ist - bei näherer Betrachtung - fast nichts so einseitig wie Herr Kattinger & Co denken.

Ich wiederhole: Ich behaupte in keiner Weise, dass US-Standards im Umgang mit der Wirtschaft durchwegs höher als die Europas wären – ich bezweifle nur, dass Europas Standards durchwegs höher als die der USA sind. Wenn an Stelle irrationaler, grundsätzlicher Ablehnung alles Amerikanischen sachliches Prüfen und Abwägen träte, könnten bei TTIP-Verhandlungen auch die besten Normen und Kontrollmechanismen beider Partner vereinbart werden.

Zumindest ist es wert, das zu versuchen. Denn dass vergrößerte Märkte an sich vergrößerte wirtschaftliche Möglichkeiten bieten, steht außer Zweifel.

Es verhandeln ja nicht die „Konzerne“, sondern es verhandeln gewählte Mandatare über dieses Abkommen und es kann nicht gegen das Europäische Parlament beschlossen werden. Natürlich werden Lobbys versuchen, das Resultat in ihrem Sinn (im Sinn der „Konzerne“) zu beeinflussen und natürlich muss man aufpassen, dass ihnen das nicht zu sehr gelingt. Wobei übrigens auch die Lobbying-Regeln der USA strenger als die Europas sind.