Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz All you need is love

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Maria Fekters Himmel hing voller Geigen. Das war zwar verdient, aber dennoch musste sie sich erst daran gewöhnen. An sich ballten sich nämlich, wann immer die resche Mitzi zwischendurch eine Sekunde Zeit fand, die Augen zu verdrehen und genervt nach oben zu schauen, dort meist düstere Vermögensteuerwolken, Griechenland-Sturmtiefs oder aus den Finanzministerien der anderen EU-Staaten aufgezogene Hagelgewitter, die sich regelmäßig auftürmten, wenn das Herzerl der österreichischen Kollegin, das in deren spezieller Anatomie ja auf der Zunge beheimatet war, wieder einmal gar zu laut gepocht hatte.

Zugegebenermaßen hätte Fekter lügen müssen – was sie natürlich nie tat –, wenn sie behauptet hätte, dass jenes zarte Pflänzchen der Zuneigung, das nunmehr dort spross, wo vorher die Ödnis des Bahnhofsparkplatzes von Attnang-Puchheim geherrscht hatte, sofort hochgeschossen wäre, als sie IHN einst kennen ­gelernt hatte. Um der Wahrheit Ehre zu geben: Sie konnte sich an ihr erstes Zusammentreffen kaum erinnern. Er schon. Er wusste noch genau, dass er sich 1983 vor diesem Liptauerbrot-Empfang in der ÖVP-Parteizentrale eingehend erkundigt hatte, welche Farbe die Wände dort hatten. Und dann hatte er sich extra einen Anzug in Altrosa gekauft, um sich nicht zu aufdringlich von ihnen abzuheben.

Niemand hätte damals gedacht, dass aus den beiden dereinst das – nach der fleischgewordenen Operette Alfons-Maria Mensdorff-Rauch-Pouilly-Kallat – zweitschönste Paar in der Geschichte der ÖVP werden könnte. Genauer gesagt hätte dies sogar bis vor Kurzem niemand für möglich gehalten. Aber, auch wenn diese Erkenntnis nicht zuletzt schwarze Feministinnen auf die Palme trieb: Manche brauchten eben bei ihrem Partner halt wirklich eine starke Schulter zum Anlehnen oder gar Ausweinen. Brauchten jemanden, in dessen schützenden Armen sie sich sicher fühlen und zu dem sie stolz emporschauen konnten. Ja, war­um sollte man es nicht sagen dürfen: Sie brauchten einen richtigen Mann. Und Michael Spindelegger brauchte den eben auch.

Als Maria in ihr Wohnzimmer kam und sah, was ihrem Michi da schon wieder eingefallen war, verzog sie ihren Mund zu etwas, das einen nicht angeleinten Pitbull in Favoriten möglicherweise zur sofortigen Flucht veranlasst hätte, was ihr Süßer aber natürlich sofort als ihr schönstes Lächeln erkannte. Michael hatte sich bis auf seine Superman-Unterhose entblättert und auf das Eisbärenfell vor dem behaglich bullernden Kaminfeuer hingegossen. Er war ja so einfallsreich bei so was! Er griff nach dem Glas neben sich, fischte geschickt die Cocktailkirsche heraus und ließ sie lasziv durch seine vollen Lippen gleiten. „Liebe Maria“, hauchte er, „du hast ein unglaubliches Gemüt. Eine unglaublich stürmische Art. Du bist eine Quirlige. Ich liebe das. Komm her und lass nicht zu, dass ein Löschblatt zwischen uns passt!“

Es kam ja nun wirklich nicht oft vor, dass Maria spürte, wie ihre Knie weich wurden. Das letzte Mal war wohl bei ihrem Umzug nach Wien gewesen, als sie den Familienflügel allein in den dritten Stock getragen hatte. Aber Michi hatte da so eine Gabe … Seine sanfte Weichheit war irgendwie ansteckend. Egal, ob es jetzt programmatische Konturen oder Umfragewerte waren – kaum war Michael in der Nähe, bewegte sich alles sogleich an der Grenze zum Zerfließen.

Längst hatte Maria ihm verziehen, dass er überlegt hatte, ihr den Sessel unter dem Hintern wegzuziehen und an ihrer Stelle Finanzministerin zu werden. Das hatte er doch ohnehin nie wirklich ernst gemeint. Vor allem, weil es ihm ja auch gleich darauf ein paar Leute unmissverständlich zu verstehen gegeben hatten, dass er das niemals ernst gemeint hatte. Und auch, dass er ihre fundierten Überlegungen zu einer Steuersenkung gleich tags darauf mit dem Lasso wieder eingefangen hatte, hatte sie eher erotisiert als enerviert. Man musste ihm schon auch ein bisschen Platz zur Selbstfindung lassen. Nach der nächsten Wahl würde es damit ja sowieso wieder vorbei sein. Dann würde nämlich sie endgültig den Laden übernehmen – und er den Haushalt.

Maria legte das fesche Strickjäckchen und die vorwitzigen Perlenohrstecker ab, ging dann langsam auf Michi zu und stellte ihm einen Fuß auf die Brust. „Du bist aber ein böser Junge“, raunte sie verrucht. „Weiß deine Mama eigentlich, was du hier treibst?“ Auch wenn sie das jetzt natürlich nicht ganz so wörtlich gemeint hatte, stürzte sie Michi damit leider in das Dilemma, dass er plötzlich das missbilligende Gesicht Erwin Prölls vor seinem geistigen Auge hatte. Und dafür war jetzt nun wirklich nicht der geeignete Zeitpunkt.

Aber egal. Jetzt konnte er ohnehin nicht mehr zurück. Er musste da jetzt einfach durch. Ohne Wenn und Aber. Ebenso wie einst die Pflichtbewussteste von allen. Wie sein in jeder Hinsicht größtes Vorbild, Königin Victoria von England.

Also schloss Michael die Augen und dachte an die ÖVP.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort