Rainer Nikowitz: Land unter

Die Grünen begegnen ihrer enden wollenden Beliebtheit außerhalb der Städte jetzt mit der mutigen Sommeroffensive "Wach auf, Bauer!"

Drucken

Schriftgröße

Das Ziel der neuen grünen Kampagne ist es, die bisher allzu offensichtlichen Schwierigkeiten, der Landbevölkerung grüne Themen näherzubringen, endlich zu überwinden. Und den Menschen da weit draußen auch die Chance zu geben, durch den vielleicht sogar erstmaligen persönlichen Kontakt mit einem Grünaktivisten gleichzeitig auch Berührungsängste zu diesem fremden Wesen aus der Stadt abzubauen - es meint es nämlich nur gut mit einem.

"Uns Grünen wird oft vorgeworfen, wir betrachteten die Landbevölkerung als zurückgebliebene Provinzler, die der Brillanz unserer Konzepte halt leider nicht ganz folgen können", erklärt Kampagnenleiterin Hildegund Rupprechtsberger- Mannlichmeier. "Das stimmt überhaupt nicht, weil das entspräche auch gar nicht unserer Wortwahl. Wir sagen: entwicklungsverzögert."

Hervorzuheben in der Reihe der Veranstaltungen, bei denen bereits grüne Kernthemen ganz konkret in den Alltag der Stadtfernen implantiert wurden, ist etwa die dreißigminütige Unterbrechung des Auftritts der "Unteroberlärcher Buam" am Siedepunkt des Volkfestes von Grunzhofen in der Gegend. Ein extra per Elektrofahrrad aus Wien-Neubau angereister Aktivist der Gruppe "Smash Volksmusiknazis", einer Vorfeldorganisation der grünen Jugend, hatte die Festplatte mit dem kompletten Playback der "Unteroberlärcher Buam" mittels seiner gesamten "Zahl eins, trink drei"-Cola-Rum vernichtet, um auf diese Weise den grünen Widerstand gegen das reaktionäre Weltbild der Konservenmusikzombies zu manifestieren.

Anschließend entspann sich im Festzelt eine hochinteressante Diskussion über die Zielgenauigkeit grüner Kernthemensetzung, die erst nach 22 Sekunden durch zwei oder drei Gnackwatschen beendet wurde.

Uns Grünen wird oft vorgeworfen, wir betrachteten die Landbevölkerung als zurückgebliebene Provinzler, die der Brillanz unserer Konzepte halt leider nicht ganz folgen können

Noch nicht abschließend entschieden ist die wichtige Debatte, die die Grünen rund um das traditionell hitzige Nachbarschaftsderby zwischen Kellerberg und Kurzstraßen in der zweiten Liga Nord/Nordwest in Niederösterreich losgetreten haben. Die Grünen hatten gefordert, dieses in der Vergangenheit mit durchschnittlich vier roten Karten und drei Spielabbrüchen in den letzten fünf Jahren eher anspruchsvoll zu leitende Match mit der ersten offen bisexuellen Transgender-Schiedsrichterin Österreichs zu besetzen. Die Präsentation dieser Forderung vor dem Kellerberger Vereinsheim geriet vor allem angesichts der Tatsache, dass dieses an Montagen geschlossen hat, zu einem vollen Erfolg. Eine ältere Dame im Bademantel verlor im Vorbeigehen ostentativ zustimmend die obere, dicker bestrichene Hälfte ihrer Buttersemmel, und ein streunender Hund schnüffelte zwar am Ständer des "Pfeifen wir drauf!"-Transparents, pinkelte ihn dann aber doch nicht an.

Ganz begeistert zeigt sich indessen auch die Bevölkerung der Gemeinde Flachwalden im Steinfeld über das erste Ampelpärchen, das eine Initiative engagierter Gruppe Flachwaldener Wochenendhausbesitzer, die zu den Alteingesessenen unerklärlicherweise bislang noch nicht ganz so viel Kontakt hat, erkämpft hat. Anrainerin Ottilie Hubzwerger, stellvertretend für viele: "Mir san ganz weg! A Ampel! Ha!" Und wie ihr im Speziellen die Ausgestaltung als Pärchen gefiele?"A san des zwa? I hab mei Brün net auf."

Kampagnenleiterin Rupprechtsberger-Mannlichmeier: "In Flachwalden konnte auf diese einfache Weise ein Grad an Akzeptanz für ein auf dem Land eher schwieriges Thema erreicht werden, den wir selbst nicht für möglich gehalten hätten. Und das wird sicher noch besser, wenn die Straße erst einmal asphaltiert ist."

Leider wieder storniert werden musste die Bestellung des Fahrrad-Mähdreschers, eines innovativen, mit Mitteln aus dem grünen Landentwicklungshilfe-Fonds geförderten Prototypen einer mit Muskelkraft betriebenen Erntemaschine für Betriebe bis 50 Hektar, die auf der Landmaschinen-Verkaufsausstellung in Güssing getätigt worden und ursprünglich als erster großer Erfolg der grünen "Sauberbauer"-Technologieinitiative gefeiert worden war. Der Käufer wurde verhaftet, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er in vier Ländern einen Sattelschlepper, eine stillgelegte Kläranlage, einen Gauguin und eine Boeing gekauft, aber nicht bezahlt hatte. Außerdem löste Hildegund Rupprechtsberger-Mannlichmeier selbstverständlich sofort ihre Verlobung mit ihm.

In den nächsten Wochen wird das bislang schon so erfolgreiche Programm natürlich noch weiter fortgesetzt, zum Beispiel mit Veranstaltungen des Grünen Bildungswerks wie dem interaktiven Freibad-Theater "Burkini? Ah! Toll!" oder der Wander-Installation "Parkplätze von Großraumdiscos um drei Uhr früh", die bevorzugt auf Parkplätzen von Großraumdiscos um drei Uhr früh gezeigt wird.

"Man muss die Menschen von dort abholen, wo sie stehen", erklärt Kampagnenleiterin Hildegund Rupprechtsberger-Mannlichmeier abschließend. Und fügt verständnisvoll lächelnd an: "Und wenn es von noch so weit unten ist!"

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort