Rainer Nikowitz: Loblied

Rainer Nikowitz: Loblied

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Es war nur ein kurzer Moment, vor Beginn der Regierungsklausur in Krems. Aber ein Moment, der in seiner Klarheit und Erhabenheit dermaßen überwältigend war, dass ihn niemand, der ihn miterleben durfte, jemals wieder vergessen kann – sofern er reinen Herzens und wohlmeinend ist. Leider sind das nicht alle. Ja, manche sind sogar von Berufs wegen prinzipiell unwohlmeinend und singen die Loblieder, die sich unsere Denker und Lenker für die Steuerreform ja wohl objektiv verdient haben, nicht laut genug! Und das kränkt die Regierung. Oh ja!

Auch, wenn man es sich vielleicht nicht vorstellen kann, nach all den Jahren, die zum Beispiel Werner Faymann unter Michael Häupl dienen musste. Oder in denen Reinhold Mitterlehner zusehen musste, wie Michael Spindelegger tatsächlich für einen Parteiobmann gehalten wurde und nicht er. Oder nicht zu vergessen, diese endlos langen siebeneinhalb Jahre, in denen Gerald Klug vor seiner Berufung zum Verteidigungsminister im Bundesrat saß und dort klarerweise trotz seiner Qualifikationa nichts, aber auch schon absolut gar nichts zu tun hatte! Dennoch: All diesen grässlichen Erfahrungen zum Trotz ist unsere Regierung immer noch kränkbar!

Immer, wenn im Ministerrat die Sprache auf diese Leute kommt, für die Dankbarkeit angesichts der Segnungen, die man schließlich ja auch auf sie niederregnen lässt, überhaupt keine Kategorie ist – und die Sprache kommt oft auf diese notorischen Schlechtmacher –, dann sagt Johanna Mikl-Leitner: „Die muss es halt auch geben!“ Die Hanni ist in der Ressortaufteilung nämlich nicht nur für Hubschrauberfetischismus und das diskussionslose Vom-Tisch-Wischen von Polizeiübergriffen zuständig, sondern auch für Kalendersprüche. Und sie hat ja recht: Es muss diese Figuren wohl wirklich geben. Und sei es nur als Prüfung für die Gerechten. Es gibt schließlich auch Gelsen. Oder Whisky, der nicht Single Malt ist und trotzdem Whisky heißen darf. Und nicht zu vergessen: eitrige Angina.

Aber zum Glück gibt es ja auch noch andere Menschen. Einfachere. Aufblickende. Diejenigen, die wissen, was sie an dieser Regierung haben und die sich auch nicht scheuen, dies zum Ausdruck zu bringen. Und die, falls sie das Glück hatten, bei diesem erhabenen Moment in Krems zugegen sein zu dürfen, sehr wohl auch das Privileg schätzen, das ihnen da zuteilwurde. Und von dem sie noch ihren Enkeln erzählen werden.

Die Regierungsmitglieder waren gerade erst alle aus ihren Autos gestiegen und kümmerten sich rührend um die zahlreichen Schutzbefohlenen, die sich eingefunden hatte, um sie zu huldigen. Werner war gerade an einem Weinstock vorbeigegangen, der darob in der Sekunde zu blühen begonnen hatte, und salbte jetzt ein Baby, das ihm aus der Menge entgegengehalten wurde. Der Vizekanzler unterhielt sich angeregt mit einer reschen lokalen Bauernbündlerin, die sehr zufrieden darüber war, dass auch diese Reform die Bauern im Wesentlichen vor der Zumutung bewahrt hatte, überhaupt Steuern zahlen zu müssen, und die ein T-Shirt trug, auf dem stand: „Reinhold, ich will ein Rind von dir!“

Rudi Hundstorfer konnte sich – obwohl ihm das Aufsehen um seine Person in seiner angeborenen Bescheidenheit sichtlich peinlich war – kaum der schulterklopfenden ÖBB-Invaliditätspensionisten erwehren, die alle mit dem Rad aus Innsbruck hierher gefahren waren, um den 50. Geburtstag des ältesten von ihnen zu feiern.

Gabriele Heinisch-Hosek, wiewohl in ihrem Ressort an Erfolge gewöhnt – wenn sie schon die Neue Mittelschule oder die Zentralmatura nicht auf die Reihe brachte, so hatte sie es schließlich immerhin diesem Gabalier gezeigt –, konnte es kaum glauben, dass sie so viele Autogramme geben musste. Und in ihrem Glück fand sie auch nichts dabei, dass man sie bei jedem aufforderte, sie möge als Waltraud Haas unterschreiben.

Und Sophie Karmasin schließlich … Ja. Sie war wie immer auch irgendwie dabei. Obwohl eigentlich keiner so recht wusste, warum. Und dann passierte es. Mit einem Mal war es viel dunkler, das Licht war eigenartig diffus. War das etwa schon wieder eine Sonnenfinsternis? Die Menschen sahen nach oben, ängstlich zuerst, stießen sich gegenseitig mit dem Ellbogen in die Seiten, zeigten aufgeregt hinauf, ihre Kinnladen kippten nach unten und dann stand die Menge schließlich ganz still da, in atemloser Bewunderung des Schauspiels, dass sich gerade am Himmel zutrug.

Niemand konnte sich erklären, woher die Wolke an diesem bisher vollkommen strahlenden Vormittag auf einmal gekommen war. Sie hatte sich, wie aus dem Nichts, vor die Sonne geschoben, majestätisch umkränzt von den Strahlen der Korona, als käme sie mitten aus dem Paradies. Als wollte jemand da oben den Zauderern und Zweiflern da unten dringend etwas mitteilen. Und, oh ja: Ganz sicher wollte er das.

Denn die Wolke hatte die Form einer Registrierkassa.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort