Rainer Nikowitz: Pick-Asse

Rainer Nikowitz: Pick-Asse

Wir würden dann an sich eh irgendwann einen Bundespräsidenten wählen wollen. Wir sind nur leider zu dämlich dazu.

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Wir müssen uns wohl langsam darauf einstellen, dass die Entscheidung zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer nicht per Wahl herbeigeführt werden wird. Wobei: Nicht, dass wir an sich nicht eh mehr oder minder gern wählen würden – wir bräuchten nur jemanden, der uns erklärt, wie das geht. Vielleicht erbarmt sich ja jemand aus Simbabwe. Somalia nähmen wir auch.

War es zuerst der menschliche Faktor („Mach ma’s früher auf, samma früher daham“) und die in ein Aufhebungsurteil gegossene Erschütterung des Verfassungsgerichtshofes darüber, dass die Hochrechnungen um 17.00 Uhr doch tatsächlich auf den bisher ausgezählten Stimmen fußen und nicht – wie an sich zu erwarten gewesen wäre – auf Daumen mal Pi plus Quersumme der Geburtsdaten der Kandidaten, lässt uns beim zweiten Versuch die heimische Hochtechnologie schmählich im Stich. Wir sind zwar möglicherweise ein Volk von Sacklpickern – aber offenbar nicht von Kuvertpickern. Wenngleich sich das Innenministerium hier eh spät, aber doch um eine Korrektur bemüht hat, wie der urösterreichische Rat beweist, den ein Anrufer mit schadhaftem Wahlkartenumschlag bei der Ministeriums-Hotline bekam (laut unbestätigten Meldungen von einem Mitarbeiter namens Herzmanovsky-Orlando): „Picken S’ es mit Uhu-Stick zua – oba vo mir ham S’ des net!“

Schön auch die Stellungnahme von Wanna-Be-Präsident Hofer, der die Briefwahl gleich überhaupt kurzfristigst entsorgen möchte. Klar, die macht ja nur Probleme. Zum Beispiel mit für einen lupenreinen Demokraten wie ihn so gar nicht genehmen Ergebnissen. Da diese Leute erwiesenermaßen nicht wissen, wen sie zu wählen haben, ist es ja wirklich besser, man nimmt die kaputten Kuverts, für die sie nichts können, gleich zum Anlass, sie erst gar nicht wählen zu lassen. Wenn Murphy’s Law weiterhin so unerbittlich seine Wirkung entfaltet, werden wir jedenfalls in einem Jahr oder so, also zwei Verschiebungen und drei Anfechtungen später, zu dem Schluss kommen müssen, dass wir an unsere Grenzen gestoßen sind und eine andere Art der Entscheidungsfindung brauchen. Aber auch da stehen wir klarerweise vor der schwierigen Frage: Welche?

Die FPÖ, in der Männer bekanntlich noch rückhaltlos Männer sein dürfen, könnte sich sicherlich für das gute alte Duell erwärmen. In Norbert Hofers Burschenschaft Marko-Germania wird schließlich nicht nur „die geschichtswidrige Fiktion einer österreichischen Nation“ leidenschaftlich abgelehnt, sondern mindestens ebenso enthusiastisch gewohnheitsmäßig versucht, einem mutigen Gesinnungsgenossen mittels Säbel das Gesicht aufzuschlitzen. Es steht allerdings zu befürchten, dass ein Sitzpinkler wie Van der Bellen dafür nicht zu haben ist. Der hat ja nicht einmal eine Pistole, weil er sich in seinem Schickeria-Umfeld klarerweise weitaus sicherer fühlen kann als Hofer in der Bronx von Pinkafeld.

Am Ende wird nur eines bleiben: Wir werfen eine Münze. Aber wer? Und welche?

Also würde Van der Bellen die Chose wohl eher lieber mit einer Partie Schach klären. Dem kann aber wiederum natürlich Hofer nicht zustimmen – aus naheliegenden Gründen, die keiner weiteren Erörterung bedürfen. Auch „Trivial Pursuit“ fällt flach, ebenso das Aufsagen des Alphabets von hinten und auf Zeit. Bliebe noch „Mensch ärgere dich nicht“, da wären die Kompetenzen vermutlich annähernd gleich verteilt. Allerdings würde schon allein der Name des Spiels viele Hofer-Unterstützer verprellen, weil deren einziges Wahlmotiv schließlich das exakte Gegenteil davon war – geht also auch nicht.

Eine spielerische Auseinandersetzung scheint also ebenso ausgeschlossen wie eine sportliche – und selbst, wenn man sich auf Spiel, Regeln und Schiedsrichter einigen könnte: der Verfassungsgerichtshof würde nachher schon was finden. Das schafft er. Schlussendlich wird also, nach endlosen Querelen, nur eines übrigbleiben: Wir lassen das Schicksal entscheiden. Das Glück ist schließlich ein völlig ideologiefreies und blindes Vogerl und bei der Wahl seiner Parkplätze völlig unberechenbar.

Also werfen wir eine Münze. Wir brauchen dazu einen absolut neutralen Werfer, um vor weiteren Anfechtungen sicher zu sein, am besten einen neuen Kaspar Hauser, der sein bisheriges Leben allein in einer Höhle im Dunkelsteiner Wald verbracht, sich dort ausschließlich von Flechten ernährt hat, nur seltsame Laute von sich gibt und keine Ahnung hat, was ein Hofer und ein Van der Bellen überhaupt sein sollen. Okay, die seltsamen Laute könnten bei den Grünen den Verdacht auf eine gewisse FPÖ-Nähe aufkeimen lassen. Also wäre es besser, wir knebeln Kaspar.

Und dann brauchen wir nur noch eine Münze.

Und dann wird Hofer auf einem Schilling bestehen, weil man dem Euro, diesem von völlig losgelösten Eliten einzig zur Finanzierung des griechischen und spanischen Club Med erfundenen Spielgelds, ja bekanntlich nicht trauen kann. Van der Bellen wird das empört als populistische EU-Feindlichkeit geißeln und ablehnen. Verdammt. Zurück zum Start.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort