HC Strache ließ ein starkes Interesse an Chemtrails und Kornkreisen erkennen

Rainer Nikowitz: Akte X

Akte X

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Als Agent HC in die Zentrale kam, saß Agent Kickl schon wie jeden Morgen an seinem bis auf die hochgelagerten Beine völlig leeren Schreibtisch und blätterte in einer Zeitung. Lässig warf HC Trenchcoat und Schal auf den Kleiderständer in der Ecke und als Letztes schließlich auch noch seinen Aluhut ab, den ihm der brave Harald Vilimsky in einer der uferlos langweiligen Sitzungen des EU-Parlaments gebastelt hatte. An sich war dieser Teil natürlich ebenso unverzichtbar wie die Wünschelrute, mit der HC jedes ihm bislang noch nicht persönlich bekannte WC auf von der CIA dort platzierte Tripper-Erreger scannte. Allerdings ruinierte ihm der Hut leider regelmäßig die Frisur. Aber seit sie ihr Büro gänzlich mit einer Fototapete ausgekleidet hatten, die das Innere eines Flakturms zeigte und als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme darüber hinaus mit in Grander-Wasser angerührtem Kleister geklebt worden war, konnten ihnen die Gedankenstrahlen der Bilderberger wenigstens hier nichts mehr anhaben.
HC ließ sich in seinen Sessel fallen. „Und?“, fragte er. „Steht heute vielleicht wenigstens ein Fünkchen Wahrheit drin?“

Agent Kickl ließ die Zeitung sinken und blickte über den Rand seiner Röntgen-Brille, mit der er nicht nur durch die Kleidung von Susanne Winter sehen konnte, sondern auch die charakterische Aura der außerirdischen Invasoren, die längst und von den naiven Systembürgern natürlich unerkannt unter uns lebten – sie war, wie jedermann wusste, pink und von Ketten aneinander geknüpfter Gänseblümchen durchzogen. Er schenkte dem Chef der Sondereinheit ein bitteres Lächeln.

„Geh bitte, Äidsch-Sii!“, knurrte er. „Wie lange kennst du die Lügenpresse jetzt schon? Du weißt doch, dass das erst dann passieren wird, wenn wir in den Redaktionsstuben endlich für Ordnung gesorgt haben.“

Es war ja auch mehr eine rhetorische Frage gewesen. Natürlich wusste HC, dass wir in einem Zeitalter der Desinformation lebten. Jede Zeitung, jedes einzelne sogenannte Qualitätsmedium war gekauft. Entweder von der Ostküste oder dem Großkapital oder dem Ostküsten-Großkapital. Wenn es nicht wenigstens „Russia Today“, den Kopp-Verlag und jene zahllosen Websites gegeben hätte, auf denen wirklich investigative Journalisten gegen alle Widerstände und unter hohem persönlichen Risiko – man musste schon Eier haben, um sich mit den wahren Urhebern der Kornkreise anzulegen – daran arbeiteten, all den armen, irregeleiteten Menschen die Scheuklappen, mit denen die meisten schon seit ihrer Geburt herumliefen, von den Augen zu reißen – selbst ein wirklich starker Charakter wie HC hätte an der Welt verzweifeln können.

„Irgendwelche besonderen Vorkommnisse auf dem Weg hierher?“, fragte Agent Kickl. HC nickte grimmig. „Heute waren sie besonders dicht“, sagte er.

Tatsächlich waren heute nicht nur besonders viele Chemtrails am Himmel zu sehen gewesen, sondern einige hatten sich sogar gekreuzt – ein ausgesprochen unerfreuliches Zeichen. Denn das bedeutete, dass das Establishment heute nicht nur wie üblich Aluminium, Barium und Strontium auf die arglose Bevölkerung regnen ließ – diese Stoffe dienten, wie jedermann wusste, der Beeinflussung des Wetters, weiters verschiedensten militärischen Zwecken und schließlich natürlich der Gefügigmachung eines allzu aufmüpfigen Elektorats. Aber heute war auch noch Brom dabei, um die sexuelle Lust der authochthonen Bevölkerung zu dämpfen und somit dafür zu sorgen, dass sie langsam, aber sicher ausstarb. Selbst HC, der ansonsten über eine ziemliche Triebstärke verfügte, war heute überhaupt nicht geil. Ein veritables Alarmzeichen!

Kickl warf die Zeitung achtlos über seine Schulter und öffnete die oberste Schublade. „Ich hab da was“, sagte er und kniff die Augen zusammen. „Du erinnerst dich doch noch an die Geschichte von dem buddhistischen Mönch, der eigentlich schon längst tot ist – aber immer noch
irgendwie lebt und die Augen bewegt?“

Natürlich erinnerte sich HC. Die Wissenschaft konnte sich nicht erklären, was da los war. Und nicht einmal er. Genauso wenig wie bei dieser einen Statue von Padre Pio in Süditalien, die immer dann blutige Tränen weinte, wenn ein FPÖler an ihr vorbeiging. Kickl warf HC ein Foto über den Tisch. „Da, schau“, keuchte er. „Das hab ich von einem unserer Agenten in Paraguay

Das Bild war leider etwas unscharf. Aber es war doch eindeutig ein alter Mann zu erkennen, mit scharf zur Seite gescheiteltem weißen Haar und einem Bärtchen, das … HC riss Augen und Mund weit auf und starrte Kickl wortlos an. Der strahlte.

„Er ist jetzt 125. Und er bewegt zwar nicht die Augen – aber immer noch den rechten Arm!“

Dass dieser Tag eine solche Wendung nehmen würde, hätte HC sich nie träumen lassen. Er fühlte, wie ihm warm ums Herz wurde. Und weiter unten fühlte er, dass das Establishment verloren hatte. Denn das Brom wirkte jetzt eindeutig nicht mehr.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort