Der verstorbene ehemalige Wiener Buergermeister Helmut Zilk und seine Gattin Dagmar Koller.

Helmut Zilk: Fakten vs. Mythen

Warum viele Argumente in der Debatte um Helmut Zilks "Informator"-Vergangenheit ins Leere gehen.

Drucken

Schriftgröße

Dieser Artikel erschien in: profil Nr. 14/09 vom 30.03.2009

Es ist nicht einfach, sich Helmut Zilk als bezahlten Informanten eines kommunistischen Geheimdienstes vorzustellen. Gutmeinende führen daher viele Argumente an, warum "eigentlich nichts dran" sein kann an den neuen Veröffentlichungen.

Argument 1

"Da wird doch wieder nur aufgewärmt, was sich schon 1998, bei der ersten Debatte darüber, als falsch herausgestellt hat" (auch Bundeskanzler Werner Faymann vertritt laut "Kronen Zeitung" diese Theorie).

Faktum ist: 1998 waren die Geheimdienstakte nicht an die Öffentlichkeit gekommen. Auch die "Süddeutsche Zeitung", die damals als Erste über den Verdacht berichtete, hatte das Konvolut nur "von außen" gesehen. So blieb alles im vagen Gerüchtestadium. Die entscheidenden Aktenstücke - also die von Zilk unterschriebenen Quittungen, die Protokolle der Gespräche, die Hinweise auf seine Einvernahme durch die österreichische Staatspolizei - sind in Österreich erst seit der vorwöchigen profil-Berichterstattung bekannt.

Argument 2

"Man wagt den Angriff auf Zilk erst jetzt, da er tot ist."

Faktum ist: Recherchiert wurde schon 1998, aber es gab eben, anders als heute, keine Beweise. Erst jetzt ist das Aktenmaterial in Prag zugänglich - seit Kurzem sogar öffentlich -, weil die diesbezüglichen Archivsperren gefallen sind. Mit Zilks Tod hat das gar nichts zu tun. Dass seine Geheimdienstkontakte nicht schon früher, also 1968/69, aufflogen, ist entweder dem Wohlwollen oder der Unfähigkeit der seinerzeitigen Stapo-Ermittler zuzuschreiben.

Argument 3

"Zilk hat über Fernsehsendungen wie die, Stadtgespräche' verhandelt. Klar, dass er da mit Geheimdienstlern in Kontakt kam. Er hat wohl gar nicht gewusst, mit wem er es zu tun hat."

Faktum ist: Mit den Agenten kam er tatsächlich in der Zeit der beiden aus Prag übertragenen "Stadtgespräche"-Sendungen in Kontakt, also 1964 und 1965. Seine systematische Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst begann aber erst nach der letzten Sendung im Dezember 1965. Er hat in den Gesprächen zwar immer wieder auf eine weitere Sendung gedrängt, Prag zeigte aber kein Interesse. Und Zilk hat ganz genau gewusst, wen er da gegen Geld mit Informationen ausstattet.

Argument 4

"Die Informationen, die Zilk lieferte, waren doch völlig wertlos. Das konnte man in jeder Tageszeitung nachlesen."

Faktum ist: Zilk brachte tatsächlich keine großen Staatsgeheimnisse, er wurde von seinen Auftraggebern auch gar nicht danach gefragt. Der Geheimdienst wollte von ihm meist Informationen zu drei Themenkreisen:

  • Der Machtkampf in der SPÖ und die ideologische Ausrichtung des neuen SPÖ-Vorsitzenden Bruno Kreisky.
  • Die zu erwartende außenpolitische Linie der ÖVP-Alleinregierung gegenüber den "sozialistischen Ländern".
  • Die Position der Bundesregierung in den laufenden Restitutionsverhandlungen für die ausgesiedelten Altösterreicher.

Zilk lieferte manchmal sehr fundierte Informationen, etwa zur "Schmerzgrenze" der Österreicher bei der Restitution, dann wieder waren seine Angaben vage. Es darf aber nicht vergessen werden: Die Zeitungen hatten damals weit weniger Zugang zum Innenleben der Politik als heute. Selbst Interviewfragen mussten vorab eingereicht werden. Zilks Informationen waren also für die Gegenseite sehr wertvoll.

Argument 5

"Zilk war doch ein gut verdienender Mann. Warum sollte er für relativ geringe Summen so viel riskieren?"

Faktum ist: Als er im Dezember 1965 sein erstes "Informationshonorar" bekam, war Helmut Zilk freier Mitarbeiter des Fernsehens und keineswegs ein Großverdiener. Seine Frau, eine Lehrerin, hatte ein Monatsgehalt von brutto 3000 Schilling. 1965 betrug das mittlere Angestellten-Bruttoeinkommen 2915 Schilling, der mittlere Arbeiterlohn 2530 Schilling (Quelle: Hauptverband der Sozialversicherungsträger). Die 5000-Schilling-Tranchen, die Zilk im Jahr 1966 etwa monatlich bezog, waren also keineswegs "Peanuts" - noch dazu waren sie absolut steuerfrei …

Argument 6

"Die CSSR-Agenten haben das Geld wahrscheinlich selbst eingesteckt und Zilks Unterschriften gefälscht."

Faktum ist: Darauf weist nichts hin. Dass diese Möglichkeit besteht, weiß natürlich jede Geheimdienstführung. Deshalb werden auch "Sicherungen" eingebaut. Geldübergaben finden etwa im Beisein anderer statt. Im Falle Zilks wurden sie oft in einem verwanzten Hotelzimmer im "Alcron" vorgenommen. Die Zentrale konnte so mithören, wie der Führungsoffizier Zilk das Geld übergab.

Argument 7

"Der gesamte Akt ist gefälscht, um Zilk zu schaden."

Faktum ist: Das Dokument hat rund 600 Seiten und ist in sich schlüssig. Die zeitlichen Abläufe sind logisch und teilweise überprüfbar. Warum sollte sich jemand so viel Arbeit antun, um einem freien Mitarbeiter des österreichischen Fernsehens und später einem Fernsehdirektor zu schaden?