Die Linzer SPÖ pflegt Kontakte zu einem rechtsextremen türkischen Verein

Die Linzer SPÖ pflegt Kontakte zu einem rechtsextremen türkischen Verein

Drucken

Schriftgröße

Ein Integrationsstadtrat wie aus dem Bilderbuch: So sieht sich Stefan Giegler. Er sei ein Mann des Ausgleichs, der mit allen im Gespräch bleibe und dafür sorge, dass Straßenschlachten zwischen rechten Türken und linken Kurden in Linz ein für alle Mal der Vergangenheit angehörten. Die Botschaft des SPÖ-Mannes ist klar: Es wäre geradezu pflichtvergessen, am Tag der Flagge der Grauen Wölfe nicht dabei zu sein.

In den eigenen Reihen ist das gedeihliche Zusammenleben damit wieder einmal gestört. Kürzlich waren auf Facebook-Sites Bilder und Videos eines ominösen Fahnenfests aufgetaucht, das der Linzer Verein Avrasya am 7. Februar in Linz ausgerichtet hatte. Man sieht Giegler neben SPÖ-Gemeinderat Franz Leidenmühler in der ersten Reihe sitzen. Ein Anhänger der Grauen Wölfe reckt die Hand zum Wolfsgruß empor. Ein Trachtenträger schwenkt riesige türkische Flaggen durch die Luft.

Der für Integration zuständige Stadtrat hätte einen Tag später die Gelegenheit gehabt, seine Kritiker zu besänftigen. Für den 8. Februar hatte das Bündnis „Linz gegen Rechts“ zu einem Anti-Pegida-Marsch aufgerufen. Tausende gingen auf die Straße. Dieses Mal aber fehlte Gieglers Gesicht in der Menge. Der rote Gewerkschafter Willi Mernyi, der als Vorsitzender des Mauthausen-Komitees auf der „Kein Meter für Pegida“-Demo gesprochen hatte, hätte sich „sehr gewünscht“, den Integrationsstadtrat auch hier zu sehen.

„Eklatante Verletzung sozialdemokratischer Grundwerte“

„Wie kann man einer antifaschistischen Kundgebung fernbleiben und Veranstaltungen türkischer Rechtsextremer besuchen?“, schäumt Robert Eiter, Sprecher des Netzwerkes gegen Rassismus und Rechtsextremismus, dem von der katholischen Aktion bis zur KPÖ über 70 Organisationen angehören. Von einer „eklatanten Verletzung sozialdemokratischer Grundwerte“ spricht die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Oberösterreich, Fiona Kaiser, gleichzeitig stellvertretende Vorsitzende der Landespartei. Die engen Bande zwischen Linzer Rathaus-Roten und Grauen Wölfen führen nicht zum ersten Mal zu Irritationen. Sowohl Bürgermeister Klaus Luger als auch sein umtriebiger Stadtrat rechtfertigten sie stets damit, dass gegen den Verein Avrasya „nichts vorliegt“. Zur feinen Adresse für Integration macht ihn das allerdings noch nicht.

Die Vorfeldorganisationen der Grauen Wölfe geben sich – so wie der Linzer Verein Avrasya – quer durch Europa betont unpolitisch und versuchen als Kultur-, Bildungs- oder Sportvereine in die Stadtsäle zu kommen. Intern geht es mitunter recht ideologisch zur Sache. So bekundete etwa ein Avrasya-Aktivist im Oktober 2014 via Internet seine Sympathien für den IS in der syrischen Grenzstadt Kobane mit den Worten: „Ich hoffe, dass jeder YPG-PKK-Peschmerga Terrorist in Ain al Arab (Kobane) qualvoll verreckt.“

Avrasya gehört zur Türkischen Förderation (Avusturya Türk Federasyon), einer ultranationalistischen Bewegung der extremen Rechten in der Türkei, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend islamisierte. Unter dem Dach des Zentralverbands sammeln sich rund 30 Moscheen. Sie richten sich – ebenso wie die diversen Vereine – an der Idealisten-Bewegung (Ülkücü) aus, die sich politisch in der „Partei der Nationalen Bewegung“ (Milliyetci Hareket Partisi, MHP) bündelt. Ihre Anhänger wurden als Graue Wölfe bekannt.

Türke sein ist unser Gesetz, wer es verletzt, wird gnadenlos zerfetzt

In den 1970er-Jahren terrorisierten sie die Türkei mit Mord und Totschlag. Tausende Anschläge gegen Intellektuelle, Gewerkschafter und Oppositionspolitiker gehen auf ihr Konto. Ein Teil der Täter wurde verurteilt, unter der AKP-Regierung allerdings wieder freigelassen. Seither halten sich die Grauen Wölfe mit Gewalt auf der Straße zurück, träumen aber weiter von einem großtürkischen Reich und stellen das Türkentum über alles – auch in der Diaspora. „Türke sein ist unser Gesetz, wer es verletzt, wird gnadenlos zerfetzt“, steht, eingerahmt von zwei Pistolen, auf einem blutrot eingefärbten Flugblatt aus Österreich. Gehetzt wird vor allem gegen Kurden, Armenier, Juden, Linke.

Vor sechs Jahren richtete der heimische Dachverband der Grauen Wölfe im Linzer Rathaus ein Musikfest aus. Die Empörung darüber war so groß, dass die völkisch-nationalistischen Barden seither in ein Veranstaltungszentrum in peripherer Lage ausweichen müssen. Die SPÖ-Stadtregierung schickte aber weiter ihren Vertreter und ignorierte Stimmen von Jugendarbeitern, die davor warnten, dass sich der extreme Nationalismus der Grauen Wölfe unter der deklassierten, türkischstämmigen Jugend rasant verbreite. Vor allem Burschen, die mit Mühe einen Schulabschluss schafften und ohne Aussicht auf eine Lehrstelle seien, suchten nach etwas, auf das sie stolz sein konnten. Geködert durch Fußballspiele, Straßenfeste, HipHop-Konzerte und hasstriefende Internetpropaganda verfielen sie den Gewalt- und Überlegenheitsfantasien der Grauen Wölfe.

Die Volkshilfe gab ein Buch heraus, das es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft, „einen blinden Flecken in der Integrationsdebatte“, auszuleuchten. Das Werk wurde im Parteivorstand der oberösterreichischen SPÖ und in Parteipostillen ausführlich besprochen. „Danach konnte niemand mehr behaupten, dass er nicht weiß, wofür die Grauen Wölfe stehen“, sagt Eiter. Die roten Freiheitskämpfer hatten bereits 2011 auf eine Distanzierung gedrängt. Bis heute kursieren zwei Versionen, was mit ihrem Antrag geschah: Während einige der damals Anwesenden behaupten, er sei auf dem Landesparteitag abgesegnet worden, pocht die Landespartei darauf, ihn nur zur weiteren Behandlung „zugewiesen“ zu haben. Die Kontakte florieren unterdessen weiter. Eine Avrasya-Delegation marschiert schon traditionell beim Linzer Maiaufmarsch mit und wird vom SPÖ-Bürgermeister von der Bühne aus freundlich begrüßt.

Kurdenvereine fühlen sich an den Rand gedrängt

Die links stehenden Kurdenvereine fühlen sich an den Rand gedrängt und bleiben der Kundgebung inzwischen fern. Als im Herbst des Vorjahres Migranten-Initiativen zum Tag der offenen Türen luden, ließen Luger und sein Stadtrat Giegler es sich nicht nehmen, Avrasya einen Besuch abzustatten. Die Parteijugend fühlte sich ein Mal mehr provoziert. Beim Bundesparteitag einen Monat später boxte die SJ Österreich einen Antrag durch, demzufolge „jegliche Unterstützung und Zusammenarbeit mit den Grauen Wölfen und ihren Vorfeldorganisationen“ einzustellen ist. Auch Förderungen soll es nicht mehr geben.

Das hinderte die Linzer SPÖ nicht daran, kurz darauf einen Avrasya-Vertreter in ihren neu bestellten Integrationsbeirat zu holen. „Jeder Verein hat seine Geschichte. Solange er sich zu Demokratie und Menschenrechten bekennt und korrekt verhält, sehe ich keinen Grund, die Zusammenarbeit aufzukündigen“, sagt Stadtrat Giegler. Seine Widersacherin sieht das anders. SJ-Vorsitzende Kaiser forderte Avrasya in einem offenen Brief auf, der „blutigen Geschichte“ der Grauen Wölfe und ihrer „faschistischen Ideologie“ öffentlich abzuschwören sowie gegen Symboliken und Hetzpropaganda konsequent vorzugehen und sich außerdem aus dem „faschistischen Dachverband“ zu verabschieden: „Das ist bis heute nicht passiert.“ Schon taucht am Horizont das nächste Ungemach auf. Wenn Avrasya am kommenden 1. Mai wieder mitmarschiert, müsste, so Kaiser, „die Bundespartei eingreifen“.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges