Auf einen Kaffee mit Martin Sonneborn

Martin Sonneborn: „Oktoberfest nach Mekka exportieren”

Martin Sonneborn: „Oktoberfest nach Mekka exportieren”

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profil: Seit vergangenem Jahr sitzen Sie im Europaparlament. Verträgt sich Realpolitik mit Satire? Martin Sonneborn: Meine Politik funktioniert nicht so, wie die 65-jährigen Kollegen im Parlament das gewöhnt sind. Das ist eine neue Form von Politik, die Öffentlichkeit herstellt, Dinge wertet und dokumentiert, bestenfalls mit einem guten Witz. Wir nennen das moderne Turbopolitik.

profil: Gerade jetzt bräuchte es doch mehr ernsthafte Politiker, angesichts der Flüchtlingskrise. Sonneborn: Es besteht seit einigen Jahren ein extremer Bedarf an ernsthafter Politik. Die wird aber immer weniger praktiziert. Das ist auch der Grund, warum wir immer ernsthafter werden. Spaßpolitiker wie Frau Merkel oder Herr Faymann dagegen stellen ihre Politik als alternativlos dar.

profil: Was wäre Ihr Vorschlag zum Umgang mit den Flüchtlingen? Sonneborn: Wir wollen zuerst mal das Oktoberfest nach Mekka exportieren, weil wir denken, dass Multikulti bei uns schon sehr gut ausgeprägt ist, im Ausland aber noch nicht.

profil: Und die Flüchtlinge? Sonneborn: Flüchtlinge? Da war doch was! Wir fordern seit 2004 den Wiederaufbau der Berliner Mauer. Jetzt sind wir nicht mehr allein, es gibt Viktor Òrban. Wir stehen mit unserem Know-how parat.

Wir Europaparlamentarier haben übrigens ein Feriendomizil in Straßburg, das 80 Prozent des Jahres leer steht.

profil: Sie begrüßen Zäune an den europäischen Außengrenzen? Sonneborn: Nein, ich begrüße sie nicht, aber das wird leider die kurzfristige Lösung sein. Wir Europaparlamentarier haben übrigens ein Feriendomizil in Straßburg, das 80 Prozent des Jahres leer steht. Ich habe dort ein Büro mit Dusche und Klappbett. Da könnte man sofort 751 Flüchtlinge luxuriös unterbringen. Es gibt verschiedene Kantinen, eine Sauna und einen Fitnessclub. Es wäre ein gutes Signal, das sofort zur Verfügung zu stellen.

profil: Es wird wohl mehr als 751 Quartierplätze brauchen. Sonneborn: Es gibt ja genug Geld. Wenn man derartige Summen in die Bankenrettung stecken kann, kann man bestimmt auch ein paar Flüchtlingslager besser ausstatten.

profil: Ob Jón Gnarr in Island, Beppe Grillo in Itialien oder Sie selbst – Satirepolitiker erfreuen sich in ganz Europa großem Zuspruch. Was sagt das über den Zustand der Demokratie aus? Sonneborn: Keine Schuldzuweisungen, bitte. Das ist sicher ein Problem, aber man darf die Schuld nicht den sogenannten Spaßparteien zuschreiben, sondern den ernsten. Denn die haben ja eine Politik etabliert, die von vielen Bürgern nicht mehr ernst genommen wird.

profil: Woher kommt der Vertrauensverlust? Sonneborn: Heute geht es nur noch um Macht, Karriere und persönliche Eitelkeiten. Und um ökonomische Sachzwänge. Nicht einmal mehr Regierungschefs können sich auf demokratische Spielregeln berufen, weil die dann von Finanzministern anderer Länder außer Kraft gesetzt werden.

Die SPÖ ist zwar ein relativer Dreckshaufen, aber den Mann würde ich wählen.

profil: Jugendliche beschäftigen sich mit Politik zunehmend satirisch. Findet da eine Art von Politisierung statt? Sonneborn: Das ist sicher eine Entschuldigung für das, was wir tun. Das haben wir auch im Blick. An mehr als der Hälfte aller deutschen Hochschulen gibt es mittlerweile Fraktionen unserer Partei. Das politisiert junge Leute. Es gibt auch „Partei“-Mitglieder, die später in etablierte Parteien wechseln. Das politische System ist mittlerweile so verkommen, dass ich mich freue, wenn so etwas passiert.

profil: Vor etwa einem Jahr wurde in Österreich ein Ableger Ihrer Partei gegründet. Noch kommt das Projekt nicht so recht in die Gänge. Was läuft da schief? Sonneborn: Ach, das braucht einfach ein bisschen Zeit. In Österreich läuft immer alles zehn Jahre nachdem es in Deutschland passiert ist.

profil: Das Vakuum füllt jetzt Maximilian Zirkowitsch, der für die SPÖ bei den Wiener Bezirksvertretungswahlen antritt und einen satirischen Wahlkampf führt. Sonneborn: Die SPÖ ist zwar ein relativer Dreckshaufen, aber den Mann würde ich wählen, ohne je etwas von ihm gesehen zu haben. Wen denn sonst?

Martin Sonneborn, Den bösen, abgründigen Humor pflegt Martin ­Sonneborn als Heraus­geber des deutschen Satiremagazins „Titanic“ derart ­exzessiv, dass ihn sogar Papst Benedikt verklagte. Im Jahr 2004 brachte er die Realsatire in die Politik und gründete die „Partei“, die es bei der ­Europawahl ins EU-­Par­lament schaffte.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.