Home Office und alles wird gut? Der Schreibtisch des Bundespräsidenten

profil-Morgenpost: Wir Heimbürokraten!

Guten Morgen!

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Herzliches Isolationshallo! Welcher Wochentag ist heute eigentlich? Moment. Freitag, stimmt’s? Oder Dienstag? Nein, das Handy bestätigt die Ausgangshypothese: Es ist Freitag. Der für die meisten von uns letzte Arbeitstag der Woche oder, wie man neuerdings sagt: einer dieser Tage. Die naheliegende englische Phrase „one of these days“ verweist dagegen in die fernere Zukunft, meint eher „eines Tages“, aber das passt ja auch ganz gut zur gegenwärtigen Situation des Zwangswartens, Abstandhaltens und Maßnahmenverlängerns.

Alles wird wahrscheinlich eh gut

Von gespannter Erwartung hinsichtlich der Entwicklung hiesiger Ausgangsbeschränkungen kann inzwischen keine Rede mehr sein. Eine Regierungspressekonferenz nach der anderen offeriert mahnend-betretene Gesichtern und das im Wesentlichen immer gleiche Ergebnis: Alles wird wahrscheinlich eh gut, aber es ist leider noch nicht gut genug, die Richtung stimmt, aber ein weiter Weg liegt vor uns, das Schlimmste kommt noch, das können wir Ihnen l eider nicht ersparen, aber so schlimm wird’s schon nicht, wenn Sie jetzt, jeder und jede, durchhalten. Bitte halten Sie daher, um es in aller Deutlichkeit zu sagen, eben durch.

Als inzwischen schon geübte Homeofficers und Heimbürokraten halten wir – also Sie, ich und noch ein paar Milliarden Menschen – beherzt die Stellung, während die Stimmung in ebenjene Richtung kippt, die ein Song der frankophonen Berliner Band Stereo Total bereits im letzten Jahr des vergangenen Millenniums beschwor: „Das ist die Krise, die Krise / Hör nur, sei still / Sie fragt nicht wann / Sie kommt, wenn sie will.“ Und sogar die Superödnis der neuen Heimeligkeit wurde darin kühl verewigt: „Ich gieße die Nelken / Die grundlos verwelken / Ich kraule die Katze / Sie schlägt mit der Tatze (…) Ein Tisch in der Mitte / Mit einer Vase drauf / Es blüht so gelb die Quitte / Und mir fällt's gar nicht auf.”

Großexperiment in Echtzeit

Eine etwas genauere Krisenanalyse liefert Sven Gächter, Chefredakteur dieser Zeitung, der sich in diesem Blatt unlängst über das strapazierte Immunsystem der Weltgemeinschaft Gedanken gemacht und die Corona-Ära ein „menschheitsgeschichtlich einzigartiges Großexperiment in Echtzeit“ genannt hat.

Apropos Echtzeit: Ist heute wirklich Freitag? Dann steht das Wochenende, wie man sagt, vor der Tür. Bange Frage allerdings: Wie soll es zu uns gelangen, wenn wir diese Tür morgen wieder nicht öffnen?

Alles Liebe, beste Gesundheit und Hoffnung auf die kommende Ausgangsfreude wünscht Ihnen die profil-Redaktion!

P.S. Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie sich von einem Newsletter auf jeden Fall erwarten? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.