Nahtoderfahrungen: Die letzten Zuckungen des Team Stronach

Was macht eine Partei, die ihr absehbares Ende nicht wahrhaben will? Sie versucht, die FPÖ rechts zu überholen. Gernot Bauer über die letzten Zuckungen des Team Stronach.

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Das Team Stronach war der erste Versuch, das Prinzip der Castingshow vom Fernsehen in die Politik zu übertragen - mit dem Unterschied, dass die Kandidaten nicht gerade Supertalente waren und die Jury aus einem Alleinentscheider bestand, der den klassischen Denkfehler vieler Geschäftsleute machte. Politik ist nun einmal nicht Business, Regierungsämter sind keine Managementfunktionen. Wer aus einer Garage ein Milliardenunternehmen mit Zehntausenden Mitarbeitern aufbaut, kann dennoch von Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik keine Ahnung haben.

Frei nach Karl Marx wiederholt sich bei Frank Stronach die Geschichte tatsächlich als Farce. Einst engagierte er seine Supertalente direkt von der parlamentarischen Bühne weg. Nun kommen sie ihm genau dort wieder abhanden. Ab Herbst 2012 hatte er vom siechen BZÖ der Reihe nach Abgeordnete abgeworben, bis ein eigener Klub gebildet werden konnte. Das BZÖ ging bei der Nationalratswahl 2013 unter. Das Team Stronach erreichte 5,7 Prozent und elf Mandate. Davon sind drei Jahre später nur noch sechs übrig (plus ein Bundesrat). Vier Abgeordnete vertschüssten sich zur ÖVP, darunter Stronachs frühere Vizeparteichefin Kathrin Nachbaur. Jessi Lintl fand im FPÖ-Klub Unterschlupf, obwohl Abtrünnige dort - bedingt durch Parteigeschichte und bekanntermaßen hohe Ehrbegriffe - nicht geschätzt werden. Bei Lintl machte Heinz-Christian Strache allerdings eine Ausnahme, schließlich handelte es sich um eine Vertraute der FPÖ-Neuerwerbung Ursula Stenzel.

Die sechs verbliebenen Abgeordneten liefern im Nationalrat unter Führung ihres Klubobmanns Robert Lugar ein faszinierendes Schauspiel. Sie nehmen sich vollkommen ernst, obwohl sie nicht einmal über ihr Ende selbst bestimmen können. Dieses hängt davon ab, ob die rot-schwarze Koalition die absehbaren Neuwahlen für Winter, Frühling oder Herbst 2017 ansetzt. Doch unbeirrbar glauben die Stronach-Mandatare fest an ein Leben vor dem Tod. Klubchef Lugar zum Beispiel will "die Regierung zu Reformen zwingen“. Es sei einerlei, ob eine Oppositionspartei sechs, 16 oder 26 Abgeordnete habe. Mache das Team Stronach Druck, "muss sich die Regierung etwas überlegen“.

Da ist etwas dran. Die NEOS verfügen auch nur über neun Abgeordnete ohne Jobgarantie nach den nächsten Nationalratswahlen. Im Gegensatz zu Stronach hat der pinke Klub allerdings die gleiche Größe wie zu Beginn der Gesetzgebungsperiode. Und man weiß, dass man kriegt, was bei den NEOS draufsteht. Sie haben eine Linie. Das Team Stronach fährt Zickzack. Es behauptet, die wahre Wirtschaftspartei zu sein, und spricht sich gegen das EU-Kanada-Freihandelsabkommen CETA aus. Immerhin blieb das Paradoxon, dass die Partei eines austro-kanadischen Industriellen austro-kanadische Handelserleichterungen ablehnt, den Team-Stronach-Mandataren nicht verborgen. Die Abgeordnete Waltraud Dietrich begründete ihre CETA-Skepsis im Parlament vergangene Woche mit "Misstrauen“. Ihr Parteikollege Leopold Steinbichler argumentierte ähnlich. Wenn etwas "so penetrant“ verkauft werde wie CETA, könne etwas "nicht stimmen“. Außerdem beute der Freihandel "arme Kinder in Bangladesch“ aus.

Bleiben arme Kinder nicht in ihren Dritte-Welt-Ländern, sondern kommen mit ihren Eltern nach Österreich, kennt das Team Stronach weniger Anteilnahme. Im Streit um die richtige Flüchtlingspolitik positioniert man sich bisweilen rechts von der FPÖ, inhaltlich und auch im Ton. In einer Parlamentsrede im März meinte Robert Lugar, "nach Österreich kommende Flüchtlinge“ hätten "ein Weltbild wie Neandertaler, die ja Gott sei Dank ausgerottet“ seien. Dafür kassierte Lugar vom vorsitzführenden Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer - und der ist von seinen eigenen Leuten nun wirklich einiges gewohnt - einen Ordnungsruf.

Regelmäßig fordern Stronach-Abgeordnete wie der Vorarlberger Polizist Christoph Hagen, "Wirtschaftsflüchtlinge möglichst schnell wieder außer Landes“ zu bringen. Den Widerspruch, dass ihr von Weiz nach Kanada ausgewanderter Parteigründer im Grunde auch ein Wirtschaftsflüchtling war, lösen sie auf ihrer Website akrobatisch auf. "Der Ansatz der Vergangenheit, durch Zuwanderung in erster Linie die Lebensumstände der Zuwanderer zu verbessern, ist überholt.“

Wirtschaftsflüchtlinge möglichst schnell wieder außer Landes

Der Mann, der mit seinen Millionen die Lebensumstände der Team-Stronach-Funktionäre verbesserte, war, wie man hört, zuletzt nicht ganz glücklich mit der Themenwahl seines Parlamentsklubs. Als Stronach vor zwei Wochen wieder einmal in Österreich weilte, erkundigte er sich, warum sein Team so wenig über Wirtschaft spreche. "Ich habe Frank Stronach gesagt, dass derzeit eben die Flüchtlinge im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen stehen“, so Robert Lugar gegenüber profil.

Mit dem Team ergeht es Frank Stronach wie Dr. Frankenstein. Sein Geschöpf hat sich verselbstständigt. Das betrifft nicht nur die Nationalratsabgeordneten. Anfang Oktober verkündete Stronachs Statthalter in Kärnten, der frühere SPÖ-Abgeordnete Gerhard Köfer, die letzte Darlehensrate an den Parteigründer zurückgezahlt zu haben. Fortan werde man sich "Freies Team Kärnten“ nennen, so Köfer. Unter der Marke "Stronach“ hatte der frühere Bürgermeister von Spittal bei der Landtagswahl 2013 immerhin 11,2 Prozent der Stimmen erhalten - und damit einen Landesratsposten. Diesen will er ebenso behalten wie der Salzburger Landesrat Hans Mayr den seinen. Der frühere ÖVP-Mann aus dem Pongau war vor einem Jahr aus der Partei ausgetreten, wegen Stronachs "diktatorischen Stils“. An Stronachs berühmte Devise "Wer das Gold hat, macht die Regel“ hält man sich eben nur so lang, bis ein Bezug aus einem politischen Amt eine gewisse Unabhängigkeit vom Parteigründer erlaubt.

Ich habe Frank Stronach gesagt, dass derzeit eben die Flüchtlinge im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzungen stehen

Am deutlichsten wird der Irrsinn, der im Team Stronach geistert, allerdings in Niederösterreich. Dessen Landtagsklub bestand zuletzt aus drei Unterfraktionen: treue Stronachianer; Abtrünnige, die sich in einem "Team Niederösterreich“ sammelten; und ein von den Abtrünnigen Abtrünniger namens Walter Naderer, der sich unlängst dem nächsten erratischen Parteigründer antrug: Roland Düringer. Die Gesamtheit der Unübersichtlichkeiten überforderte selbst das chaoserprobte Team Stronach in Niederösterreich. Vergangene Woche wurde Naderer aus seinem Landtagsklub ausgeschlossen.

Wie jeder Schöpfer mit Allmachtsanspruch wollte auch Frank Stronach nicht wahrhaben, dass ihm die Dinge entgleiten. Vor dem totalen Kontrollverlust gab er Anfang Juni bekannt, bei der nächsten Nationalratswahl nicht zu kandidieren. Auch der Name "Stronach“ werde "nicht mehr vorkommen“. Aus dem Mentalitätsmonster bei der Parteigründung ("Ein wichtiger Tag, der in die Geschichte Österreichs und auch in die Geschichte der Welt eingehen wird“) wurde ein vorsichtiger Realist: "Ich bin sehr bedacht auf meinen Namen. Da muss man aufpassen, dass der nie kreditgeschwächt wird.“

Ich bin sehr bedacht auf meinen Namen. Da muss man aufpassen, dass der nie kreditgeschwächt wird

Der Wert der politischen Marke "Stronach“ ist allerdings schwer beschädigt. Sein neues Projekt "Vision Österreich“ lahmt schon jetzt. In sein altes investierte er 30 Millionen Euro. Die mangelnde Rendite daraus hätte der Geschäftsmann Stronach nur schwer ertragen. Als Unternehmenschef legte er größten Wert auf die Auswahl seiner Mitarbeiter. Als Parteichef übersah er, dass jemand, der einmal die Seiten gewechselt hat, dies auch wieder tut; und dass bei ihm nur bleibt, wer nichts mehr zu verlieren hat - und kein Angebot von ÖVP oder FPÖ.

Mit Christoph Hagen und Robert Lugar blieben Stronach zumindest zwei Mitstreiter der ersten Stunde im geschrumpften Nationalratsklub. Doch selbst dieser könnte weiter dezimiert werden. Derzeit macht das Gerücht die Runde, weitere Abgeordnete würden ausscheiden oder Lugar zum Rücktritt als Klubobmann zwingen, weil dieser die bisherige Klubdirektorin eigenmächtig degradiert habe. Lugar dementiert. Er wisse nichts von unzufriedenen Abgeordneten und sitze fest im Sattel.

Fragt sich nur, ob das Pferd unter ihm noch lebt.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.