Quote für „Wotan“ und „Alarich“

FPÖ. Jeder zweite freiheitliche Landtagsmandatar ist Mitglied einer Burschenschaft

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Heiser von wochenlangem Gebrüll und mitternächtlichen Discotouren, denen sich, wie zuletzt im Praterdom, auch ältere Semester der Partei und deutschtümelnde Burschenschafter angeschlossen und täppisch mitgeshaked hatten, zog Heinz-Christian Strache am Wahlabend im Wiener Rathaus alle Blitzlichter auf sich. Sein Statthalter, der 34-jährige Johann Gudenus, der anstelle des Parteichefs als Stadtrat ohne Portefeuille in die Regierung einziehen wird, war weit weniger gefragt. Dabei hatte Gudenus in den vergangenen Wochen den aggressiven Einpeitscher gegeben („Die Linken stinken“), was vielleicht nicht ganz der Kinderstube des Absolventen der diplomatischen Akademie, aber zweifellos seiner Gesinnung entspricht.

Als Teenager schon war Gudenus der deutschnationalen Pennälerverbindung „Vandalia“ beigetreten, hatte sich den Burschennamen „Wotan“ zugelegt und seinen Vater, der mit dem NS-Verbotsgesetz in Konflikt geraten war, in der darauf folgenden Gerichtsverhandlung von der Zuschauerbank aus lauthals unterstützt.

Gudenus’ Laufbahn stand damals schon auf Schienen. Gegen den Protest des gemäßigten Flügels hatte er 2003 die Obmannschaft des RFJ (Ring Freiheitlicher Jugend) übernommen und „vermehrte ideologische Schulung der Jugend“ verordnet, um der Hegemonie von „freiem Warenverkehr, Marktwirtschaft und ­Multikultur“ zu widerstehen. Den Grundsatzrefrenten des RFJ ließ er ein rassistisches Manifest über Europa als „Wiege der Weißen“ verfassen, auch ein amtsbekannter Neonazi durfte während seiner Obmannschaft in einem RFJ-Lokal referieren. Dem Kampf gegen „Überfremdung“, „Scheinasylanten“ und „Umvolkung“, wie Gudenus zu sagen pflegt, galt sein ­Bestreben. Auch sorgte er sich um
die ­„Immunschwäche der europäischen ­Völker“.

Die alljährliche Ehrung des NS-Fliegerhelden Walter Nowotny am Wiener Zentralfriedhof beging Gudenus’ Truppe, ebenso wie die Neonazis von Küssel & Co, nur Stunden voneinander getrennt.

Wie in diesen Kreisen üblich, bezichtigte Gudenus Israel des „Staatsterrorismus“, während er für islamistischen Terror eher Verständnis („Gegenwehr“) äußerte. Bei einer Sonnwendfeier im Jahr 2006 sprach er unverblümt von „unserer deutschen Heimat“, 2007 wollte er das NS-Verbotsgesetz lockern. Noch im vergangenen Frühjahr trat Gudenus bei der „Aktionsgemeinschaft für eine freiheitliche Politik“ (AFP) auf, der vom Verfassungsschutz eine „ausgeprägte Affinität zum Nationalsozialismus“ nachgesagt wird. Im Jänner 2010 war er Gast beim Wahlauftakt der rechtsextremen ungarischen Jobbik.

Ein rechter Recke also, doch keineswegs eine außergewöhnliche Erscheinung auf Straches Liste. Schon die bisherigen Gemeinderäte waren einschlägig aufgefallen. Johann Herzog hatte sich an Treffen europäischer Rechtsextremisten mit dem ungarischen Antisemiten Istvan Csurka beteiligt und würde die „Asylwerberflut“ gern „gegen null reduzieren“. Herzog und sein Landtagskollege Rudolf Stark, beide bei der Burschenschaft Aldania, sind nebenbei auch noch im Vereinsvorstand der rechtsextremen Landsmannschaft aktiv.

David Lazar, als freiheitlicher Vorzeigejude besonders gehätschelter Mandatar, forderte gemeinsam mit Harald Stefan, Mitglied der berüchtigten Burschenschaft „Olympia“, die „Gelder für die jüdische Gemeinde einzufrieren“.

Mandatar Anton Mahdalik freute sich über die mit Polizeigewalt durchgesetzte Augartenräumung und darüber, dass die „Schmutzfinken (…) nicht länger den schönen Augarten verschandeln und Sängerknaben anpöbeln“. Ginge es nach ihm, würde es in Wien Demo-Verbotszonen ­geben.

Eduard Schock, Mitglied der „Aldania“ mit dem Burschennamen „Alarich“, ist der Ansicht, Ausländer hätten keinen Anspruch auf Gemeindewohnungen und straffällig gewordene Jugendliche sollten in „Strafcamps Disziplin und Ordnung“ lernen. Im Wahlkampf hetzte er gegen ein „Integrationshaus“ in Favoriten, wegen der dort anzutreffenden „dubiosen Gestalten und Rauschgifthändler“.

Die Zahl der freiheitlichen Mandate hat sich an diesem Wahlsonntag von 13 auf 29 Mandate mehr als verdoppelt. Andere Parteien haben in den vergangenen Jahren eine Quotenregelung zugunsten von Frauen eingeführt, die FPÖ tat dies offenbar für Mitglieder deutschnationaler Burschenschaften. Die Hälfte der zukünftigen Wiener Landtagsmandatare – Strache nennt sie „die Morgigen“ – gehört einer solchen Verbindung an. Kein Wunder, dass in Neonaziforen der FPÖ großer Erfolg gewünscht („den richtigen Weg eingeschlagen“) und auf „Alpen-Donau.info“ einen Tag vor der Wahl daran erinnert wurde, dass auch in der Zeitung des freiheitlichen Akademikerverbands „Aula“ der Rassentheorie gehuldigt wird.

Im Alltag der Politik schlägt sich die Geisteswelt der Burschenschaften und anderer Freiheitlicher auf menschenverachtende und dümmliche Weise nieder und bildet, in den Worten des Philosophen Peter Sloterdijk, eine Zornsammelstelle, auf die vor allem das männliche Strache-Publikum abfährt.

Auch die Neuzugänge bewegen sich in diesem Fahrwasser. Die Gemeinderätin Veronika Matiasek meinte etwa, im Chor mit dem Burschenschafter und zukünftigen Abgeordneten Armin Blind, „Zuwanderer“ würden „wie Termiten über die Obstbäume in die Wiener Steinhofgründe einfallen“.

Der neue Mandatar und RFJ-Obmann Dominik Nepp, ebenfalls Burschenschafter, glaubt fest daran, dass Zuwanderer aus bestimmten Kulturkreisen besonders gewalt­tätig sind, was ihre Ablehnung begründet. Voll Hass äußerte er sich gegen Arigona Zogaj, „dieses Früchtchen“. In seinem Wahlkreis Döbling beschwor er die Gefahr herauf, dass die EU Österreich seine Wasserreserven abspenstig machen wolle („Die sind scharf auf unser Wasser“).

Wolfgang Seidl, Neuzugang aus der ­Leopoldstadt, fand noch vor wenigen Monaten nichts dabei, dass sein Bezirksstellvertreter Franz Lindenbauer mit einem Hakenkreuz am Oberarm im Internet posierte.

Dietrich Kops, der in Wien-Landstraße ein Grundmandat erreichte, möchte, dass öffentliche Toilettenanlagen mit blauen Leuchtstoffröhren ausgestattet werden, damit „die Drogensüchtigen ihre Venen nicht finden und daher vom Konsum abgehalten werden“.

Udo Guggenbichler aus Währing, Mitglied der Burschenschaft „Albia“, ist bisher vor allem als Organisator des Wiener Korporationsballs aufgefallen, Alexander Pawkowicz, Mitglied der „Aldania“, machte sich in Meidling als Kämpfer gegen ein Hotelprojekt verdient.

Nur Barbara Kappel, ehemalige Büroleiterin des Ex-FPÖ-Politikers und Industriellen Thomas Prinzhorn, fällt scheinbar aus der Reihe. Kappel ist selbst nie mit dumpfen Sprüchen oder rechtsradikalen Kontakten aufgefallen, findet aber nichts dabei, wenn ihre Parteifreunde so agieren. Mit dem rechten EU-Mandatar Andreas Mölzer und mit Gudenus ist sie gut befreundet. In Zeiten der schwarz-blauen Koalition ließ Kappel über eine Institution der Industriellenvereinigung (IV) einem blauen Kabinettschef einige 100.000 Euro zukommen, was der IV äußerst peinlich war, als es publik wurde. Jetzt scheint sie als Geschäftsfrau mit Kontakten nach Russland für die FPÖ interessant zu sein. Laut Firmenkompass ist sie unter anderem an einer Vertriebsgesellschaft für Biowasser beteiligt, die mit dem politischen Avancement von Frau Kappel bereits heftig Werbung betreibt.

Noch ist unklar, ob auch Landesparteisekretär und Burschenschafter Hans-Jörg Jenewein in den Landtag einziehen wird. Zu erwarten sind jedenfalls weitere Pressionen gegen den ORF. Nach dem unerwarteten Sieg der Freiheitlichen in Tirol 2008 hatte Jenewein einen „Zahltag“ für die ORF-Mitarbeiter angekündigt und mit einer „Mitsprache der FPÖ in den Redaktionsstuben“ gedroht.

Christa   Zöchling

Christa Zöchling