Sein Coup: Die SPÖ ist in Wien auf Platz 1 geblieben

Sein Coup: Die SPÖ ist in Wien auf Platz 1 geblieben

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Er war am Wahlabend als erster Politiker ins Medienzentrum des Wiener Rathauses stolziert. Kerzengerade baute sich Johann Gudenus vor den zahlreichen Kameras auf. Oder besser: Vizebürgermeister Johann Gudenus. Die rangmäßige Erhöhung des rechten FPÖ-Flügelmanns, der gleich bei seinem ersten Auftritt den strammen Burschen gab, ist für diesen erfreulich – auch gagenmäßig. Sonst setzte es für die FPÖ trotz eines Zugewinns von sechs Prozentpunkten einige Enttäuschungen.

Bis zu 36 Prozent hatte die Wahltagsumfrage der FPÖ zugemessen, 32 sind es dann geworden. Der Abstand zwischen SPÖ und FPÖ beträgt beträchtliche sieben Prozent, ein Kopf-an-Kopf-Ergebnis ist das nicht. Die Sozialdemokraten haben in den vergangenen beiden Wahlkampfwochen bewiesen, dass sie sich den Platz an der Spitze der Stadt nicht so leicht streitig machen lassen.

Nie wurde eine Minus von fünf Prozent mehr bejubelt: „Klare Positionen zahlen sich aus. Die SPÖ hat an Stimmen verloren, aber an Profil gewonnen“, freute sich Sozialstadträtin Sonja Wehsely. Im SPÖ-Festzelt vor der Parteizentrale wurde der alte, neue Bürgermeister überschwänglich mit „Michi Häupl, hey, hey“-Rufen akklamiert, die SPÖ-Stadtregierungsriege schunkelte ausgelassen zum Heuler „An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit“ von den „Toten Hosen“.

Als zehntausende Flüchtlinge ins Land strömten, hatte er seiner Partei strikten Kurs verordnet: Die Flüchtlingskonvention sei auf Punkt und Beistrich einzuhalten.

In seinem fünften Wahlkampf hatte Michael Häupl eine riskante Strategie gefahren. Als zehntausende Flüchtlinge ins Land strömten, hatte er seiner Partei strikten Kurs verordnet: Die Flüchtlingskonvention sei auf Punkt und Beistrich einzuhalten. Demonstrativ ließ er alle unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen nach Wien bringen, während die anderen Bundesländer noch kleinlich um Quoten feilschten und positionierte sich mit Sätzen wie: „Wir sind die Gegenthese zur Gewissenlosigkeit der FPÖ. Ich schicke aus meiner Stadt kein Kind zurück vor die Gewehrläufe des IS.“

Selbst die alarmierenden Umfragen fast aller Meinungsforschungsinstitute, die signalisierten, dass die FPÖ der SPÖ zunehmend näher rückte, änderten nichts an Häupls Strategie. Anfang Juli hatte die Strache-Partei erstmals die 30-Prozent-Marke durchstoßen.

Das Erstarken der FPÖ, vor allem aber deren triumphales Ergebnis in Oberösterreich mobilisierten nun das Anti-Strache-Lager: Die Sozialdemokraten legten seit Ende September in den Umfragen rascher zu als die FPÖ, die ihre Möglichkeiten offenbar ausgereizt hatte. Büßen mussten das ÖVP und Grüne, die mit ihren Leihstimmen die roten Verluste in Richtung FPÖ stark abfederten. Die ÖVP erlitt ein historisches Debakel, sie war noch bei keiner der 140 Landtags- und 21 Nationalratswahlen einstellig gewesen. Die FPÖ auf Platz 1 zu verhindern, das war für ein Fünftel der SPÖ-Wähler das wichtigste Wahlmotiv – und das ist der SPÖ bewusst: „Wir werden mit den Leihstimmen sorgsam umgehen“, versprach Andreas Schieder, SPÖ-Klubobmann im Parlament, noch am Wahlabend. Ohne diesen in den letzten Wahlkampfwochen gezündeten Duell-Turbo wäre die Sache für die SPÖ deutlich schlimmer ausgegangen ...

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Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin