Full Metal Minister

Gerald Klug: Full Metal Minister

Bundesheer. Wie der neue Verteidigungsminister Gerald Klug zum SPÖ-Hoffnungsträger wurde

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Gerald Klug ist ein Verteidigungsminister, wie ihn die ÖVP auch gern hätte. Er geht dreimal in der Woche joggen. Beim Wien-Marathon Mitte März lief der 44-Jährige in einer Staffel seines Sportministeriums, die den achten Platz unter 2000 Teams belegte. Während eines Truppenbesuchs bei den Jagdkämpfern des Bundesheers in Wiener Neustadt schlüpfte Klug erst in einen Kampf-, dann in einen Tauchanzug, verschoss Übungsmunition aus einem Maschinengewehr und sprang, ganz Haudegen, vom 12-Meter-Turm ins Seil - alles verewigt in einem Bericht in der Sonntagsbeilage "Krone bunt“. Gegen den drahtig-zackigen Steirer - stets scharf rasiert, Stoppel nur am Haupt - wirkte der bis dato letzte ÖVP-Verteidigungsminister Günther Platter, der bei Truppenbesuchen gern auf der Gitarre spielte, wie ein unbewaffneter Landgendarm - und der SPÖ-Amtsvorgänger wie ein schüchterner Zivildiener.

War Norbert Darabos eine Fehlbesetzung, so ist Gerald Klug geradezu eine ideale. Der neue Verteidigungsminister hat binnen kurzer Zeit die offene Regierungsflanke der SPÖ geschlossen und die Generäle des Bundesheers besänftigt. Dass Werner Faymann mit Klug einen Vertreter der deutlich links der Partei stehenden Metallergewerkschaft in die Regierung holte, spricht für den Einfluss des ÖGB - und gegen das Personalreservoir der SPÖ.

Wie unbeliebt Faymann und Genossen derzeit sind, zeigt der aktuelle APA/OGM-Politikerindex. Nach nur zwei Monaten im Amt ist der vom Politgeschäft unbeschädigte Klug in der Bürgergunst bereits der vertrauenswürdigste rote Minister.

Nach dem "Phantomminister"
Nicht nur vom Wahlvolk, sondern auch vom Offizierskorps wurde ein neuer Heeresminister selten so freundlich aufgenommen. "Norbert Darabos wurde von uns Phantomminister genannt, weil er sogar seine höchsten Generalstäbler nur ganz selten getroffen hat“, so ein Brigadier aus der Wiener Rossauer Kaserne, dem Sitz des Verteidigungsministeriums. "Klug hält zweimal wöchentlich Besprechungen mit uns ab. Und anders als der Zauderer Darabos trifft er auch rasch Entscheidungen.“ Irritation bei manchem hochrangigen Offizier löste freilich aus, dass Klug den aufgrund seiner Allmacht ungeliebten Darabos-Kabinettschef, Stefan Kammerhofer, übernahm.

In den ersten Wochen seiner Amtszeit machte sich Klug daran, die vom Vorgänger hinterlassenen Probleme aufzuarbeiten: Er verbesserte die Kontakte zu Truppe und Beamtenschaft, danach auch zum Koalitionspartner ÖVP. Der Wehrsprecher der Volkspartei im Nationalrat, Oswald Klikovits, sagt, er habe mit Klug innerhalb von zwei Monaten "schon so viel Gespräche geführt wie mit Darabos in fünf Jahren“. Auch das unter Darabos zuletzt angespannte Verhältnis zum Oberbefehlshaber, Bundespräsident Heinz Fischer, soll wieder von Respekt und Vertrauen getragen sein.

Zur Neugestaltung des Wehrdienstes will die eingesetzte Arbeitsgruppe der Bundesregierung bis Ende Juni Ergebnisse samt Kostenberechnungen vorstellen. Doch 62 Prozent der Österreicher bezweifeln laut Karmasin-Umfrage für profil, dass Klug noch vor den Nationalratswahlen eine Wehrdienstreform auf die Beine stellen kann.

Laut Klug soll ab Herbst die Zahl der Systemerhalter, die bisher die meiste Zeit ihres Präsenzdienstes als Fahrer, Schreibkräfte, Köche und Kellner verbringen müssen, reduziert werden. Den bisher üblichen Schikanen während der Grundausbildung hat Klug ebenfalls den Kampf angesagt: "Rekruten sollen am Ende des Wehrdienstes sagen, dass dieser keine Zeitverschwendung war.“ Norbert Darabos hatte den Wehrdienst noch als "megasinnlos“ eingestuft.

Vor zwei Wochen setzte der neue Minister einen längst überfälligen Schritt. Er ordnete zum 8. Mai im Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges eine Mahnwache am Heldenplatz in Wien an und verhinderte so - zum Ärger von FPÖ-Politikern - den traditionellen Aufmarsch deutschnationaler Burschenschafter.

Noch bis zur Sommerpause muss Klug wichtige Personalentscheidungen treffen: Neben der Ernennung des neuen Generalstabschefs sind die wichtigsten Führungsposten im Ministerium neu zu besetzen. Klug will in den kommenden Wochen 40 Einzelgespräche mit den Bewerbern führen. Querfeuer droht ihm dabei von Teilen der schwarz dominierten Personalvertretung, welche die Neubesetzungen bis nach der Wahl verzögern wollen.

"Klug zeigt vor, wie sehr ein politisches Amt von der Person abhängt“, sagt der ehemalige Generalstabschef Edmund Entacher. Die erste Amtshandlung des neuen Ministers war ein Gespräch mit Entacher, bei dem er auch eine Verabschiedung des von Darabos einst gefeuerten und nach einer Klage wiedereingesetzten Generals einfädelte. "Schon seine Ausstrahlung signalisiert, dass er die Berufssoldaten und Rekruten ernst nimmt“, so Entacher.

Für Werner Faymann war es relativ schwer, überhaupt einen Ministerkandidaten - vor allem jemanden mit Soldatenvergangenheit - zu finden. Die derzeitige Funktionärs- und Führungsriege der SPÖ - geprägt in der friedensbewegten Jungen Generation und der scharf pazifistischen Sozialistischen Jugend - besteht geschlossen aus Zivildienern.

Doch mit der Gewerkschaft verfügt die SPÖ über eine Organisation, die sich seit jeher mit dem Bundesheer identifiziert. Von der derzeitigen roten Regierungsriege leistete neben Klug nur Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Ex-ÖGB-Präsident, den Wehrdienst. Gerade die Metaller verbindet eine - aus der Blütezeit der verstaatlichen Waffenindustrie stammende - enge Verbindung zum Bundesheer.

Sekretärshacke und Jusstudium
Klugs Karriere ist durchaus beeindruckend. Nach Volks- und Hauptschule absolvierte er eine Dreher-Lehre bei Simmering-Graz-Pauker in Graz-Eggenberg, wo schon sein Vater Betriebsratsvorsitzender war. Er engagierte sich im Jugendvertrauensrat des Unternehmens und in der Gewerkschaftsjugend, leistete seinen Präsenzdienst. Im Jahr 1990 übernahm ihn die Metallergewerkschaft. Neben seinem Job studierte er nach bestandener Studienberechtigungsprüfung Jus in Graz. Diplomarbeitsthema: "Die Grundsätze der Mandatsausübung des Betriebsrats“.

Zur Sekretärshacke in der Metallergewerkschafter kamen die dazugehörigen politischen Funktionen als Vertreter des Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter in steirischer Arbeiterkammer, Gebietskrankenkasse und Arbeitsmarktservice - eine klassische Karriere. Im Jahr 2004 wäre Klug gern neuer Landessekretär der steirischen Metallergewerkschaft geworden, doch die Zentrale in Wien hatte einen anderen Favoriten.

Da den steirischen SPÖ-Gewerkschaftern in der innerparteilichen Machtverteilung ein Bundesratssitz zusteht, erbte Klug 2005 ein Mandat in der Länderkammer. Wer dort fehlerfrei und energisch spricht, fällt automatisch auf. Im Jänner 2010 wurde Klug zum Nachfolger des Fraktionsvorsitzenden Albrecht Konecny bestimmt. In seiner Antrittsrede zeigte er eine Neigung zum Feuilletonistenjargon: "Ich will den Föderalismus zwischen Entgrenzung und lokaler Verortung ansiedeln.“

Klug gehört zu jener Spezies von Politikern, die ihre selbst wahrgenommene Intelligenz auch gern anderen demonstrieren. Tatsächlich besitzt der neue Verteidigungsminister politisches Talent. Den ersten Auftritt in der "ZiB 2“ absolvierte er routiniert und selbstbewusst mit steirischem Einschlag. Klug wirkt, als ob er sich auf ein mögliches Spitzenamt innerlich schon immer vorbereitet hat. Er gilt als äußerst diszipliniert und penibel, das äußere Erscheinungsbild stets tipptopp, der Schuhputz tadellos. Seinen Ehrgeiz, auch nach der Wahl im September als Verteidigungsminister dienen zu wollen, versucht er erst gar nicht zu camouflieren.

Der Alltag ist seit Klugs Angelobung am 11. März ein anderer. Bei Großveranstaltungen hat er nun Personenschützer der Militärpolizei an der Seite. Nach seinem Besuch beim Bundesheer-Kontingent auf dem Golan vorvergangene Woche erörterte er mit dem israelischen Verteidigungsminister Mosche Jaalon die Sicherheitslage in Syrien. Kleiner Rückblick: In der zweiten Märzwoche - Klug war noch Bundesrats-Klubobmann - waren die Highlights der Länderkammer ein Hearing zur Zukunft des österreichischen Feuerwehrwesens und anlässlich des Vorsitzwechsels das Hissen der Vorarlberger Landesfahne auf dem Parlamentsdach.

Das Amt des SPÖ-Fraktionschefs im Bundesrat brachte Klug zwar kaum Prominenz und Prestige, ermöglichte ihm aber Machtteilhabe und direkten Informationszugang. Kraft seiner Funktion saß er in den vergangenen zwei Jahren Woche für Woche in der Ministerratsvorbesprechung der roten Kanzlertruppe -Gelegenheit, um aufzufallen. Auf lokaler Ebene war Klug schon früher als Personalreserve gehandelt worden. Wann immer zuletzt ein neuer Chef für die sieche Grazer SPÖ gesucht wurde, galt auch der steirische Bundesrat als Kandidat.

Überzeugter Großkoalitionär
In der roten Machttektonik wurde die Gewerkschaftsfraktion durch die Bestellung von Gerald Klug gestärkt. ÖGB-Präsident Erich Foglar - selbst Metaller - hat nun schon drei Vertrauensleute in der Regierung sitzen: neben Klug und Ex-ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer auch Gesundheitsminister Alois Stöger, im Zivilberuf Metallgewerkschafts-Funktionär aus Oberösterreich.

Wie Stöger und Hundstorfer ist auch Klug geprägter Sozialpolitiker und Gerechtigkeitskämpfer. In Umverteilungsfragen stehen die Gewerkschafter deutlich links von der Partei. Während SPÖ-Chef Faymann Erbschaft- und Vermögensteuern ab einer Grenze von einer Million Euro anstrebt, wollen die Gewerkschafter teilweise schon ab 150.000 Euro fiskalisch zuschlagen. Im Wahlkampf gegen die ÖVP, die die Steuerpläne der SPÖ mit Vorliebe als Enteignungsmaßnahmen verunglimpft, wird auch Klug seinen Mann zu stehen haben. Dennoch gilt der Steirer, wie die meisten Gewerkschafter, als überzeugter Großkoalitionär.

Dass das Amt des Verteidigungsministers auf Dauer kaum, jenes des Sportministers aber umso mehr Popularität verschafft, hat Klug sofort erfasst. Schon zwei Tage nach Amtsantritt beglückwünschte er Skispringer Gregor Schlierenzauer zum Gesamtweltcup. Einen Tag später folgten Gratulationen an Marcel Hirscher. Natürlich unterschrieb Klug prompt die Pseudopetition für die tägliche Turnstunde. Das Fußball-Nationalteam verabschiedete er am Flughafen Wien vor dem Flug zum WM-Qualifikationsmatch gegen Irland höchstpersönlich. Und wenn der Minister Maßnahmen zum Ausbau des Jugendsports vorstellt, tollt und rollt er kameratauglich mit Schülern durch den Turnsaal.

Donnerstag vergangener Woche präsentierte Klug Fördermaßnahmen für Olympia 2016 in Rio. Sollte er dann noch Sportminister sein, kann er nur erfolgreicher sein als sein Vorgänger. Weniger Medaillen unserer "Olympiatouristen“ (Norbert Darabos) als in London 2012 sind nicht möglich.

+++ Lesen Sie hier das Interview mit Gerald Klug: "Ich kann mit der Wehrpflicht gut leben"+++

Foto: Philipp Horak für profil