Weihbischof Laun: "Natürlich gibt es den Teufel"

Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun über Islamismus, moderne Kunst, heilbare Schwule und Himmel & Hölle.

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INTERVIEW: HERBERT LACKNER

profil: Herr Laun, wie hat man sich den Arbeitstag eines Weihbischofs vorzustellen? Andreas Laun: Es ist jeder Tag ein wenig anders: Heilige Messe, Gebet, E-Mails beantworten, einen Vortrag oder Firmungen vorbereiten, einen Artikel schreiben und natürlich Pfarrbesuche. Es sind intensive Tage, ich komme oft sehr müde nach Hause.

profil: Obwohl Sie keine Diözese leiten, sind Sie einer der bekanntesten Kirchenmänner Österreichs, weil Sie sich weltanschaulich stark exponieren. Gibt es da innerhalb der Bischofskonferenz keinen Neid? Laun: Da müssen Sie meine Mitbrüder fragen. Aber wir haben einen sehr freundlichen Umgang miteinander.

profil: Sind Bischöfe frei von Eitelkeiten? Laun: Sicher nicht, weil sie ja auch mit den Folgen der Erbsünde zu kämpfen haben.

profil: Eitelkeit ist eine Folge der Erbsünde? Laun: Natürlich! Das lächerliche Kreisen um sich selbst ist durchaus so zu sehen.

profil: Sie leiten Ihr Menschenbild aus der Bibel ab, einem mehr als 2000 Jahre alten Schriftstück. Das war damals doch eine ganz andere Welt. Laun: Aber die Menschen waren die gleichen. Lesen Sie im Alten Testament, wie sich Gott der Juden annimmt, sie ermahnt und auch bestraft und sich dann doch wieder erbarmt und sie weiterführt. Diese Juden sind auch wir, aus dem gleichen Holz geschnitzt im Dialog mit demselben Gott!

profil: Finden Sie es nicht auch falsch, wenn sich Menschen in der Politik auf die Bibel berufen, wie etwa die israelische Siedlerbewegung? Laun: Viele Menschen deuten die Bibel anders, sie verdrehen das Geschriebene. Aber ich werde mich hüten, aus der Distanz und ohne genaues Wissen moralische Etiketten zu vergeben. Der große Schweizer Heilige Klaus von der Flüe wurde einmal gefragt, was er für die größte Gabe Gottes an die Menschen hält, und er hat gesagt: "Die Vernunft.“ Zur Religion gehört die Vernunft. Das Kleben an den Buchstaben der Bibel geht ganz sicher daneben.

profil: Der Durchbruch der Vernunft in der Zeit der Aufklärung hat doch die Allmacht der Kirche gebrochen. Das ist wohl nicht Ihre Lieblingsepoche in der Geschichte. Laun: Stimmt, das ist sie nicht. Aber es gab viel Richtiges in der Aufklärung, auch Fehlentwicklungen im kirchlichen Alltag wurden damals korrigiert. Die Verblendung vieler Aufklärer war allerdings schrecklich, in der Französischen Revolution hat man im Namen der Vernunft Leute reihenweise geköpft. Man darf dieses Zeitalter nicht verklären. Ich bin kürzlich mit einem Taxifahrer gefahren, der sich als Atheist bezeichnet hat. Ich habe gesagt: Okay, Sie sind Atheist. Aber eines müssen Sie zugeben: Schön wär’s schon, wenn ich recht hätte und nicht Sie. Sie glauben, dass Sie eines Tages am Friedhof verrotten. Ich sage, dass es ein anderes Leben gibt, einen Gott, der auf uns wartet.

profil: So reduzieren Sie Kirche auf die Rolle eines Tröstungsinstruments. Laun: Bedarf nicht jeder Mensch auch des Trostes? Aber vor der Frage, ob Religion tröstet oder nicht, steht die Frage: Hat uns Jesus die Wahrheit gesagt oder nicht? Das ist entscheidend!

profil: Das wissen wir beide nicht. Laun: Ich bin überzeugt. Es muss ja nicht falsch sein, nur weil es tröstet.

Auch die Hagia Sophia in Konstantinopel wurde als Kirche gebaut, heute ist sie Moschee und Museum.

profil: Wer sich so exponiert wie Sie, läuft Gefahr, politisch instrumentalisiert zu werden. Die FPÖ hat gejubelt, als Sie gewarnt haben, der Stephansdom könnte einmal eine Moschee werden. Stört Sie diese Vereinnahmung nicht? Laun: Das ist doch keine Verrücktheit von mir. Auch die Hagia Sophia in Konstantinopel wurde als Kirche gebaut, heute ist sie Moschee und Museum. Und dass der Islam mit dem Anspruch auftritt, die ganze Welt erobern zu wollen, ist ja derzeit in allen Medien nachzulesen.

profil: Der Islam ist eine missionierende Religion, ebenso wie der Katholizismus. Laun: Das wollte ich gerade hinzufügen. Ich nehm’s den Muslimen gar nicht übel, wenn sie das anstreben, solange sie es ohne Gewalt tun. Aber sie haben es schon am Beginn getan, es steht im Koran, und heute haben wir die ISIS! Dankbar füge ich an: Es gibt auch anders denkende Muslime.

profil: Aber die Übernahme des Stephansdoms durch die ISIS steht nicht unmittelbar bevor. Oder? Laun: Schon den Anfängen muss man Widerstand leisten, haben schon die alten Römer gesagt. Heute wird oft beklagt, dass man den Nationalsozialismus nicht schon früher als Teufelswerk erkannt hat. Mein Vater hatte einen jüdischen Freund, der immer gesagt hat: "Herr Laun, machen Sie sich doch keine Sorgen, das ist das Volk des Goethe, der Dichter und Denker.“ Was dann herausgekommen ist, wissen wir ja. Wunschdenken ist gefährlich!

profil: Sie haben dagegen protestiert, als Hermann Nitsch den österreichischen Staatspreis und Elfriede Jelinek den Nobelpreis bekommt hat. Was, mit Verlaub, geht das die Kirche an? Laun: Das ist nicht Sache der Kirche, richtig, aber ich hatte gute Gründe für meine Stellungnahmen. Jelineks Texte sind ja oft dezidiert antichristlich und ordinär.

profil: Sie haben sinngemäß argumentiert, zu solchen Ehrungen komme es, weil die Politiker nicht auf das Volk hören. Soll über Kunst abgestimmt werden? Dann sähe sie wohl aus wie die Dirndlgeschäfte hier in Salzburg. Laun: Aber ein Dirndl ist schön und mir daher viel lieber als die Bilder von Nitsch. Ihnen doch auch. Geben Sie es zu.

profil: Nitsch ist einer der teuersten und angesehensten Künstler Europas. Laun: Was beweist das? Picasso hat einmal gesagt: "Wenn die Leute das schnelle Hingekritzel für ein Kunstwerk halten, dann sollen sie es halt teuer bezahlen.“ Was da allein in Salzburg an Blechtrümmern herumsteht! Und dann wird gesagt: Das ist Kunst! Das soll Kunst sein? Und wie viel Steuergeld wird dafür ausgegeben? Einmal ist wieder so ein "Kunstwerk“ in der Stadt aufgestellt worden - es war ein Stapel von Mineralwasserkisten - und ich habe dagegen angeschrieben. Als dann ein Proteststurm gegen mich losgebrochen ist, hat mich ein anderer Salzburger, Gerd Bacher, in einem Leserbrief wortstark verteidigt.

profil: Sie begeben sich mit Ihrer Argumentation oft auf dünnes Eis. Wirbel gab es etwa, als sie die "Pille danach“ mit dem Auschwitz-Gas Zyklon B verglichen haben … Laun: …und das ist doch keineswegs absurd: Da werden Hunderttausende Menschen getötet, nur eben vor der Geburt.

profil: Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen einem winzigen Zellklumpen und einer Familie, die in die Gaskammer getrieben wird. Laun: Natürlich, da haben Sie recht! Das war unvorstellbares Leid und ein monströses Verbrechen. Aber die Kirche sagt: Es gibt bezüglich Lebensrecht keinen Unterschied zwischen Menschen, ob sie alt oder jung, schwarz oder weiß, vor oder nach ihrer Geburt sind. Und wenn man beginnt, Menschen als "Untermenschen“ oder "Zellklumpen“ abzuwerten, führt das böse Wort irgendwann zur bösen Tat!

Die Kirche steht auf dem Standpunkt: Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, wenn er nicht schwerste Schuld auf sich geladen hat.

profil: Und darum darf Ihrer Meinung nach selbst eine vergewaltigte Frau nicht abtreiben. Laun: Nein, weil das Kind das Recht auf Leben hat und weil das Unrecht an der Frau nicht durch ein anderes Unrecht rückgängig gemacht werden kann. Ich kenne Rebecca Kiessling, eine Amerikanerin, deren Mutter vergewaltigt wurde. Diese hat drei Mal versucht abzutreiben, aber es ist nie gelungen, weil immer etwas anderes diesen Eingriff verhindert hat. Sie hat das Baby dann sofort zur Adoption freigegeben. Mit 20 entstand in der Frau der glühende Wunsch, ihre Mutter kennenzulernen. Sie hat sie tatsächlich gefunden, und sie sind sich dann weinend in den Armen gelegen. Heute ist sie Rechtsanwältin, hat selbst Kinder und wenn eine Diskussion über Abtreibung nach Vergewaltigung geführt wird, sagt sie immer: "Aha, Sie meinen, man darf mich töten?“ Dasselbe gilt auch bei Behinderung. Ich wurde mit schwerer Hasenscharte und einem Wolfsrachen geboren. Meine Mutter hätte sich wohl eher selbst töten lassen, als mich abzutreiben. Auch hier gilt die genannte Logik: Darf man mich töten? Die Kirche steht auf dem Standpunkt: Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, wenn er nicht schwerste Schuld auf sich geladen hat.

profil: Warum diese Einschränkung? Laun: Sonst dürfte man nicht einmal auf die ISIS-Leute schießen oder sich in anderen äußersten Notlagen wehren. Auch Auschwitz wurde nicht durch "Friedensdialoge“ befreit.

profil: Die Kirche hat bis in die jüngere Vergangenheit auch die Todesstrafe verteidigt. 1934 gab es jedenfalls keinen Protest von Kardinal Innitzer, als der christliche Ständestaat in Österreich Sozialdemokraten hinrichtete. Laun: Ich bin kein Historiker, ich weiß nicht, was Innitzer getan oder nicht getan hat. Man müsste alle Akten genau studieren. Dieser Bürgerkrieg war eine Tragödie - statt Schulter an Schulter gegen den NS-Terror zu kämpfen!

profil: Glauben Sie immer noch, dass Homosexualität eine heilbare Krankheit ist? Laun: Ich spreche von der Veränderbarkeit einer Neigung. Es gibt Beispiele von Menschen, die viele Jahre lang homosexuell gelebt haben und danach gesagt haben: Es ist mir gelungen, auszusteigen, und ich bin sehr glücklich darüber.

profil: Das kommt wohl nur sehr selten vor. Laun: Ich habe mit einem holländischen Arzt gesprochen, der sich viel mit dem Thema beschäftigt. Er schätzt, dass 40 Prozent der Betroffenen eine solche Veränderung erfahren könnten, wenn sie das wollen und wenn sie mittun.

profil: Wieso stören Sie Homosexuelle? Laun: Das ist nicht die Frage, es geht mir völlig emotionslos um die Fakten. Und da gibt es eben auch Veränderungen - in beide Richtungen. Es gibt ja auch Familienväter, die plötzlich meinen, homosexuell zu sein, und dann so zu leben beginnen, und es gibt auch Männer, die eine Frau werden wollen. Warum akzeptiert die Gesellschaft "Änderungen“ nur in dieser Richtung, in der anderen aber nicht?

profil: Wie gefällt Ihnen eigentlich der neue Papst? Laun: Er ist ein Geschenk! Ich hatte leider noch nicht die Gelegenheit, ihn so kennenzulernen wie seine beiden Vorgänger, aber das kommt hoffentlich noch.

profil: Ich möchte Ihnen ein Zitat von Papst Franziskus vorlesen: "Es ist nicht nötig an Gott zu glauben, um ein guter Mensch zu sein. In gewisser Weise ist das traditionelle Verständnis von Gott überholt. Einige der besten Menschen der Geschichte haben nicht an Gott geglaubt, und einige der bösesten Taten sind im Namen Gottes verübt worden.“ Gefällt Ihnen das? Laun: Das ist eine uralte Überzeugung der katholischen Kirche: Die Gnade Gottes wird nicht nur guten Katholiken zuteil. Gott liebt alle Menschen. Man kann auch außerhalb des Christentums auf dem Weg zu einer Gotteserkenntnis sein. Wir haben nie behauptet, dass Gott sich auf die Christen beschränkt. Gott hat uns an seine Sakramente gebunden, aber nicht sich selbst, sagt Thomas von Aquin. Gott wirkt in jedem Menschen, auch in bekennenden Atheisten. Umgekehrt können auch getaufte Menschen wahre Teufel werden, wie Stalin und Hitler!

Wenn die Diagnose stimmt und der Exorzismus daher eine Hilfe ist, bin ich natürlich dafür.

profil: Sie glauben natürlich, dass es den Himmel gibt. Gibt es auch den Teufel und die Hölle? Laun: Ja, natürlich gibt es den Teufel und die Hölle - wenn Jesus so oft darüber redet, dann gibt es sie. Ich halte mich nicht für gescheiter als ihn.

profil: Sie glauben es halt. Laun: Ich glaube es nicht "halt“, sondern ich glaube IHM, ich glaube Jesus. Er hat vom Teufel und von der Hölle gesprochen, das ist ein starkes Argument. Wenn Sie empirische Belege brauchen, beschäftigen Sie sich mit der Geschichte des Pfarrers von Ars. Oder von Pater Pio von Pietrelcina (Pater Pio (Francesco Forgione), 1887-1968, berichtet in von Konservativen propagierten Schriften von zahlreichen leibhaftigen Teufelsbegegnungen. 2002 wurde Pater Pio von Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen.). In seiner Zelle herrschte manchmal unheimlicher Lärm, obwohl scheinbar niemand da war. Zu denken ist auch an Beispiele echter Besessenheit.

profil: Und denen rückt man mit Exorzismus zu Leibe. Sind Sie für diese Methode? Laun: Wenn die Diagnose stimmt und der Exorzismus daher eine Hilfe ist, bin ich natürlich dafür.

profil: Tut es Ihnen eigentlich weh, dass immer weniger Menschen an so etwas glauben? Laun: Mir tut es leid, aber nicht für mich, sondern für die Menschen.

profil: Glauben Sie, dass ich und mein Fotograf, die wir nicht so ein frommes Leben führen wie Sie, einmal in der Hölle schmoren werden? Laun: Das entscheidet Gott allein, kein Papst und schon gar kein Weihbischof. Man kann auch sagen: Das entscheiden Sie selbst! Wenn Sie dann eines Tages vor Ihrem Schöpfer stehen, fällt Ihnen vielleicht der Atheisten-Spruch ein: "Lieber Gott, wenn es dich gibt, rette bitte meine Seele, wenn ich eine habe.“ Aber dann werden Sie sehen: Doch, ich habe eine unsterbliche Seele, Gott gibt es und Er ist mein Richter oder mein Vater im Himmel - so, wie Sie es selbst wollen.

Andreas Laun, 72 Der gebürtige Wiener, seit 1995 Weihbischof von Salzburg, ist in Österreich die Galionsfigur der Konservativen in der katholischen Kirche. Er warnte wiederholt vor einer "Homosexualisierung der Gesellschaft“ und ist auch dann für ein Abtreibungsverbot, wenn die Frau vergewaltigt wurde.