Die Öffentlichkeit wurde jahrelang über seinen Gesundheitszustand im Dunkeln gelassen: Ehemaliger französischer Staatspräsident François Mitterrand.

Staatsgeheimnis: Krebs

Was müssen Politiker über ihren Gesundheitszustand verraten?

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Ein gutartiger Tumor im Dickdarm, ein künstliches Hüftgelenk, Morbus Parkinson, eine schwere Arthritis - all diese Krankheiten konnten Johannes Paul II. nicht daran hindern, als Pontifex Maximus bis ins Alter von 84 Jahren die Geschicke einer Weltreligion zu leiten. Doch Katholiken haben nun einmal zum Leiden eine innigere und weniger negative Einstellung als zum Beispiel die Wählerschaft der USA. Pech für Hillary Clinton.

An ihrer Person und der dazugehörigen Krankenakte entzünden sich wieder einmal die Fragen: Was müssen Politiker über ihren Gesundheitszustand verraten? Und: Können die Wähler darauf vertrauen, in dieser Materie korrekt informiert zu werden? Die Kurzfassungen der Antworten lauten: Nichts beziehungsweise Nein.

Die Geschichte präsidentieller Befunde ist eine Chronik von Täuschungen und Lügen: Woodrow Wilson, US-Präsident von 1913 bis 1921, erlitt im Oktober 1919 einen schweren Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte. Es dauerte mehrere Monate, bis die Öffentlichkeit vom Ausmaß der Beeinträchtigung des Präsidenten erfuhr. Ehefrau Edith managte schließlich die Kommunikation zwischen Wilson und seinem Kabinett.

Franklin D. Roosevelt (1933-1945) saß wegen einer Polio-Erkrankung meist im Rollstuhl - allerdings nicht in der Öffentlichkeit.

Dwight Eisenhower (1953-1961) erlitt während seiner Amtszeit einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall, und er musste wegen Morbus Crohn operiert werden.

Auch später, als die Öffentlichkeit von Politikern Transparenz einfordert, bleibt das Wesentliche im Verborgenen. Im November 1981 wird von Pariser Ärzten bei einem Patienten namens "Albert Blot“ Prostata-Krebs diagnostiziert. Die Information wird als Staatsgeheimnis behandelt, denn hinter dem Pseudonym verbirgt sich François Mitterrand, der ein halbes Jahr zuvor zum französischen Staatspräsidenten gewählt worden ist. Jedes Jahr lässt das Elysée ein Gesundheitsbulletin veröffentlichen, das in einem Punkt inakkurat ist: Die Information über den Krebs fehlt.

Mitterrand wird 1988 für eine weitere Amtszeit gewählt. Erst 1992, als eine Operation notwendig ist, erfährt die Öffentlichkeit, dass Mitterrand an Krebs leidet - nicht aber, wie lange schon. Auch das Ausmaß der Krankheit bleibt unklar. Am Ende seiner Präsidentschaft liegt Mitterrand nur noch im Bett und ist nach Einschätzung von Claude Gubler, einem seiner Ärzte, arbeitsunfähig. Gubler publiziert Mitterrands Krankengeschichte 1996 - nach Mitterrands Tod - in Buchform und wird wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht verurteilt.

Naturgemäß steigt mit dem Alter das Risiko für Erkrankungen. Ronald Reagan, der älteste gewählte US-Präsident, war zum Zeitpunkt seiner Wahl 70 - so alt wie Donald Trump und ein Jahr älter, als Hillary Clinton im Oktober sein wird. Bei Reagan wurde 1994, fünf Jahre nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit, Alzheimer diagnostiziert. Doch es bestehen Zweifel daran, dass das der wahre Zeitpunkt der Erkrankung war. Experten stellten bei Untersuchungen von frei gehaltenen Reden bei Reagan Anzeichen für Alzheimer fest.

So lange Reagan im Weißen Haus war, galten derartige Vermutungen selbstverständlich als bösartige Verleumdungen.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur