Peter Michael Lingens

Frontex verschärft das Flüchtlingsproblem

Je mehr Menschen vor dem Ertrinken gerettet werden, desto mehr riskieren die Überfahrt.

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Er rechne auf Grund der bisherigen Zahlen mit rund dreihunderttausend Menschen, die versuchen würden, über Libyen nach Europa zu gelangen, erklärte der Direktor der Grenzschutzagentur "Frontex", Klaus Roesler , der BILD-Zeitung: "Wie gehen von 10.000 Ausreisen aus Libyen pro Woche aus". Eine Ursache für diese hohe Zahl sei die intensivierte Überwachung und Seenot-Rettung durch die EU. Sie verleite die Schlepper, noch ungehemmter Flüchtlinge auf die gefährliche Route zu schicken, und die Menschen machten sich zu Recht zuversichtlicher auf die Reise, da sie mit zunehmender Gewissheit gerettet würden.

Dieser Zusammenhang, von dem die Frankfurter Allgemeine Zeitung meint, dass er zwar "paradox, aber plausibel" sei, ist in Wirklichkeit seit Jahren sonnenklar, und ich habe ihn erst kürzlich an dieser Stelle in seiner praktischen, detaillierten Form beschrieben: Die Schlepper geben ihren Klienten nicht einmal genügend Treibstoff für die volle Überfahrt mit auf ihr Schlauchboot und verständigen von sich aus per Handy die Küstenwache, um ihr mitzuteilen, wann und wo es in Seenot geraten wird.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat das einmal mehr richtig vorhergesehen und empfohlen, die Geretteten auf Inseln zu internieren, auf denen sie sich nicht allzu wohl fühlten.

Wenn die EU, wie sie das plant, die Frontex-Aktivität weiter verstärkt, verstärkt sie zwingend den Flüchtlingsstrom übers Mittelmeer. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat das einmal mehr richtig vorhergesehen und empfohlen, die Geretteten auf Inseln zu internieren, auf denen sie sich nicht allzu wohl fühlten. Einerseits könne man dort Konventionsflüchtlinge, die Aussicht auf Asyl haben, relativ geordnet von den sehr viel zahlreichern Wirtschaftsflüchtlingen trennen, andererseits wären sie vielleicht eher bereit, von dieser Insel in ihre Heimatländer zurückzukehren, als wenn sie bereits EU-Festland erreicht haben.

Ich habe diese seine Ansicht verteidigt und dafür wie er die entsprechenden Prügel eingesteckt. Dass ich selbst seit Jahrzehnten und auch derzeit Flüchtlinge in meiner Wohnung beherberge, sei kein Freibrief für Unmenschlichkeit, meinte etwa Leser "Felbi". Das ist es tatsächlich nicht- ich kann nur wie Kurz darauf hoffen, dass meine Argumente einleuchten. Ich behaupte:

o Der Zustrom von Menschen, die in der EU eine bessere Zukunft erhoffen, muss um so stärker werden, je zuversichtlicher sie sein können, ein EU-Land zu erreichen, je positiver sich ihr Verbleib in Europa inhaltlich darstellt - mit welcher sozialen Unterstützung sie rechnen können- und je gefahrloser sich der Weg, im konkreten Fall die Überfahrt nach Europa gestaltet. o Sind alle drei Voraussetzungen optimal, so werden nicht 300.000, sondern eine Million Menschen pro Jahr diese Überfahrt in Angriff nehmen und auch in der EU eintreffen. o Ich persönlich halte das in einer entwickelten Volkswirtschaft von 508 Millionen Menschen für tragbar, sofern auch nur jede zehnte Familie wie meine bereit ist, einen Flüchtling aufzunehmen. Ich habe aber begründete Zweifel, dass diese Bereitschaft, selbst bei "Felbi" gegeben ist: Bisher konnte die EU meines Wissens außerhalb Deutschlands, Österreichs oder Schwedens nur gerade ein paar Tausend Flüchtlinge unterbringen. Und in diesen drei Ländern ist die Bereitschaft zu fortgesetzter Flüchtlingsaufnahme ziemlich erschöpft, und es brennen selbst hierzulande Flüchtlingsunterkünfte. o Daher halte ich für unvermeidlich, die Voraussetzungen, unter denen Flüchtlinge sich auf den Weg machen, zu verschärfen.

Schlepper wie Flüchtlinge sollen mit der erzwungenen Rückkehr ihres Bootes konfrontiert sein.

Die wirksamst Lösung - man muss es in dieser Brutalität klarstellen- bestünde darin, sie nicht aus dem Meer zu retten, sondern ertrinken zu lassen. Dahin können wir kommen, wenn wir nicht rechtzeitig zu menschlich gerade noch erträglichen Lösungen finden, die Überfahrten zu reduzieren. Das vielgeschmähte Australien hat zu der Lösung gefunden, Flucht-Boote wenn möglich abzudrängen und zur Umkehr und Rückfahrt zu zwingen. Dieses Bemühen halte ich auch bei Frontex für notwendig - die Schlepper wie Flüchtlinge sollen mit der erzwungenen Rückkehr ihres Bootes konfrontiert sein.

Dort wo ein Boot kentert, werden die Gekenterten auch von der australischen Küstenwache aufgenommen und auf den berühmten Inseln interniert.

So wie ich überzeugt war, dass es zur Schließung der Balkanroute kommen musste, bin ich überzeugt, dass es auch zu etwas wie Kurz´ Insel-Lösung kommen muss.

Ich glaube den Menschenrechtorganisationen, die die Zustände dort für untragbar halten. Aber es sollte der EU möglich sein, sie auf ihren Inseln erträglich und dennoch so zu gestalten, dass sie nicht zum Verweilen einladen. Denn so wie ich überzeugt war, dass es nach einem kurzen Aufschrei sicher das Beste meinender Menschen zur notwendigen Schließung der Balkanroute kommen musste, bin ich überzeugt, dass es auch zu etwas wie Kurz´ Insel-Lösung kommen muss. Denn sie ist die einzige Möglichkeit, jene Gedankenverbindung zu durchtrennen, die da lautet: Schiff besteigen = EU erreichen. Die Rückführung nicht Asylberechtigter von der Insel muss sofort und mit aller Kraft in Angriff genommen werden: Massive Entwicklungshilfe an die endlich gebildete libysche Einheitsregierung muss an die Bedingung geknüpft sein, die Flüchtlinge zurückzunehmen.

Unter diesen Voraussetzungen wird sich herumsprechen, dass das Erreichen der Insel keinen Erfolg darstellt - und das muss das Ziel erfolgreicher europäischer Flüchtlings-Politik im Mittelmeer sein.

Kurz hat sich immer gleichzeitig mit seinen Sperr-Vorschlägen unmissverständlich dafür ausgesprochen, auch für Wirtschaftsflüchtlinge - und natürlich für alle tatsächlich von Verfolgung Bedrohten - legale Wege in die EU zu eröffnen. Vorwerfen kann man ihm meines Erachtens nur, dass bisher nichts von seinem konkreten Bemühen bekannt ist, die österreichischen Auslandvertretungen in Afrika mit dem Recht auszustatten, solche legalen Einreise-Anträge entgegenzunehmen. Ich fürchte, dass er in seiner Partei auch keine Mehrheit für einen solchen Vorstoß erhielte - aber er sollte ihn, der Glaubwürdigkeit wegen, unternehmen.