Wenn ich den nur behalten hätte

Autos als Wertanlage: Wenn ich den nur behalten hätte

David Staretz über Autos, die ihre dramatische Wertsteigerung scheinbar durch schieres Altern erzielten.

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Standardsprüche des Bedauerns: "Früher hat man noch gegrüßt"; "Das haben wir schon immer gewusst"; "Das konnte man damals nicht wissen". Und, angesichts eines blendend restaurierten, sichtlich teuren Auto-Klassikers: "Schau, Ilse, so einen hatten wir damals auch. Wenn ich den nur behalten hätte."

Freilich haben praktisch alle Oldtimer, so sie heute hoch gehandelt werden und demnach in musealer Mint-Condition glänzen, eine mühsame Durststrecke hinter sich: die langen Jahre des unglamourösen, lediglich alt und hässlich gewordenen Autos. Abgenudelt, verbraucht, optisch und technisch aus der Mode geraten, rostig, reparaturanfällig in sämtlichen Gliedern. Stumpfer Lack, pusteliger Chrom, verschlissene Innentapezierung.

Plötzlich erkennt man, was alles kaputt werden kann, besonders so unbeachtete Teile wie Fensterdichtungen, Hohlräume, Auspuffleitungen, Verteiler, Gummigelenke -sogar Dächer, soweit mit einer Stoffschicht bezogen, können auf das Übelste versifft sein und bei der Reparatur, die jetzt auf einmal Restaurierung heißt, enorme Mengen an Geld, Zeit und Geduld verschlingen.

Die Attraktivität des Autos als Wertanlage ist im Steigen begriffen

Doch auch der schiere Erhalt eines nicht oder wenig gefahrenen Autos, bis es hoffentlich von der Preisentwicklung mit in die Höhe gerissen wird, ist teuer. Man entkommt den Altersanfälligkeiten des Materials nicht und man benötigt immer auch einen sicheren, trockenen Stellplatz, an dem die präsumtive Preziose bis zur finanziellen Erweckung vor sich hindämmern kann. Merke: Trockene Oldtimergaragen sind Geschäftsmodelle für sich.

Im anderen Falle, wenn das Auto jahrzehntelang gefahren wurde, ist es schwierig, ein liebgewordenes Familienmitglied, mit dem man so vieles - hoffentlich nur Schönes - erlebt hat, plötzlich freizusetzen gegen schnödes Geld. Auch dann kann der Wertgewinn nicht mit dem schieren Vergehen der Zeiten gleichgesetzt werden; pro Jahr, wissen Profis, muss man 1500 bis 2000 Euro in den Erhalt der Schönheit einrechnen.

Dennoch. Die Attraktivität des Autos als Wertanlage ist im Steigen begriffen, es erreicht in den besonders raren Fällen den Stellenwert von Kunst, denn es wird, als untrüglicher Hinweis darauf, immer häufiger durch Kunstauktionatoren wie Sotheby's, Bonhams oder Christie's gehandelt.

Welches Auto hätte man sich damals behalten sollen?

Nun tun sich zwei Fragen auf: Welches Auto hätte man sich damals, sagen wir in den 1960er-, 1970er-Jahren behalten sollen? Und: Welches Auto sollte man heute aufheben, damit man in 30,40 Jahren einen alle anderen Sparformen an Effizienz und Fahrfreude übertreffenden Reingewinn erlösen kann?

Wir wollen uns dabei nicht auf sichere Bringer wie Porsche, Bentley, Delahaye stützen, sondern überprüfen, welche Wertsteigerung gehobene Alltagsfahrzeuge erfahren haben, also Autos, denen man damals eben kaum angesehen hätte, dass sie einmal mehr einbringen würden, als sie gekostet haben - einmal Betriebs- und Reparaturkosten beiseite gelassen.

So hat zum Beispiel der lange Zeit nur als Gebrauchsfahrzeug betrachtete VW-Bus ("Bully") den höchsten Wertzuwachs in den letzten 16 Jahren zu vermelden, gefolgt vom Citroën 2CV (der wegen einer Verschrottungsprämie im Frankreich der 1990er-Jahre stark dezimiert wurde) und dem Toyota Celica als erstem nennenswerten Japaner.

Auch kleine BMW, einst müde belächelt, stehen plötzlich im Kurs

Die folgende Aufstellung richtet sich nach der deutschen Oldtimer-Wertstatistik Classic Data und bezieht sich auf die jeweilige Wertsteigerung in den letzten zehn Jahren. Weil diese Liste prozentuell angelegt ist, liegt es nahe, dass einstige Brot-und-Butter-Autos am besten abschneiden.

Dies betrifft den Renault 4, dem man noch vor 20 Jahren kaum Oldtimer-Qualitäten beschieden hätte. Deshalb war der damals noch um 2000 Euro zu haben, während man heute gut das Dreifache hinlegen muss. In der Statistik steht er mit 184 Prozent Wertzuwachs. Der erwähnte T2-Bus von Volkswagen steht heute mit rund 19.000 Euro in der Liste, damit stieg sein Wert in zehn Jahren um 236 Prozent an.

Allerdings kann dieser Hype rasch wieder erlöschen. Ähnlich massiv stieg der Wert des Autobianchi Abarth an, dem man wegen Rostanfälligkeit allerdings einen hohen Erhaltungsbedarf konzedieren muss - trockene Modelle werden mit 9000 Euro belohnt: ca. 270 Prozent Wertsteigerung.

Richtig billig waren BMWs noch nie, und ein 2002ti der späten 1960er-, frühen 1970er-Jahre muss heute richtig gut bezahlt werden mit rund 25.000 Euro. Sogar der Opel Manta erlebt eine ungeahnte Renaissance, die ihn auf mehr als 280 Prozent Wertsteigerung hievt. Vor zehn Jahren hätte niemand gedacht, dass er einmal 6100 und mehr Euro wert sein würde.

Auch kleine BMW, einst müde belächelt, stehen plötzlich im Kurs. Wer 2006 900 Euro bezahlte, kann heute das Vierfache verlangen. Genauso verhält es sich mit dem Golf 1 GTI, der heute das Vierfache von 2100 Euro kostet. Falls man noch einen unverbastelten findet.

Auch Fahrzeuge, die man früher gar nicht wahrnahm, wie den Ford Taunus Transit FK 1250 Kastenwagen, und die demnach auch um geringstes Geld zu haben waren, kosten heute an die 15.000 Euro, falls man einen findet, der den Mühen einer Restauration unterzogen wurde.

Zu solchen No-nos zählten auch Ostblock-Kisten wie der grundsätzlich hochinteressante Tatra 603 mit luftgekühltem V8-Motor im Heck. Es gab meist Probleme mit Zoll und Anmeldung, weshalb man die Finger davon ließ. Heute sind Liebhaber bereit, über 35.000 Euro für ein sauber restauriertes Modell aus den späten 1950er-Jahren auszugeben. Wertsteigerung: fast 300 Prozent.

In die nämliche Kategorie fällt der Wartburg 311 mit Dreizylinder-Zweitaktmotor aus DDR-Produktion. Weil der damals für ein belegtes Brot zu haben war, erlebt er eine Wertsteigerung um nahezu 650 Prozent, falls jemand 30.000 Euro dafür auslegt. Hätten wir uns den bloß behalten.

Damit man sich diesen Vorwurf nicht in 20 Jahren machen muss, hier noch einige Tipps zu den Klassikern von morgen:

Audi A2 (heute schon gesucht), Audi TT in der Urform, BMW Z3 Coupé (so aufregend ugly), BMW 1er erster Generation (kompaktester Hecktriebler), Citroën XM (zwei Heckklappen übereinander!), Chrysler 300C (ein Langzeitauto), Fiat Ur-Panda ("Tolle Kiste"), Multipla bis 2004 (muss man mögen), Ford Scorpio (Trash-Trendsetter), Mazda 121 Baby (das rollende Schiebedach), Mazda MX-5 erste Generation, Mazda Xedos (One-Shot), Mercedes S-Klasse W140 (fast völlig verschwunden), Nissan Cube (asymmetrisches Würfel-Auto!), Opel Senator, (so muffig, dass er trasht), Peugeot 205 GTi (geliebter Gassenhauer), Peugeot 1007 (Kleinwagen-Flop mit Schiebetüren), Porsche 968 (zieht jetzt schon massiv an), Renault Vel Satis (fragt unseren Chefredakteur!), Renault Avantime (Van als Coupé -das kommt nie wieder!), Ur-Twingo, Ur-Smart, Smart Roadster, Saab 900 Cabrio (Generation Birkenstock), Toyota GT86 (heute schon geliebt), Golf Country (aufwendige Fahrwerkstechnik), Beetle Cabrio, VW Phaeton (als Exponent Wolfsburger Größenwahns), Volvo 480 ES (Hässlichkeit siegt à la longue), und, als persönlicher Geheimtipp, der Kia Opirus, letzte große Luxus-Limousine um kein Geld.