WirtschaftsBlatt-Aus: "Denen ist nichts eingefallen"

Peter Muzik war als Chefredakteur einer der Mitgründer der Tageszeitung. Er spricht von "unglücklichen Entscheidungen“.

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profil: Herr Muzik, am 2. September soll das "WirtschaftsBlatt“ zum voraussichtlich letzten Mal erscheinen. Überrascht? Peter Muzik: Nicht wirklich. Ich bin eher traurig. Der Überlebenskampf zieht sich ja schon über gut acht Jahre. Da wurde einst ein Weg beschritten, der immer weiter nach unten führte. Die, die heute sagen "Wir sperren zu“, tragen dafür die Verantwortung. Denen ist nichts eingefallen. Außer die Redaktion kaputtzusparen.

profil: Mit "denen“ meinen Sie die Grazer Verlagsgruppe Styria, die 2004 beim "WirtschaftsBlatt“ einstieg, ehe sie es 2006 zur Gänze vom schwedischen Gründungsgesellschafter Bonnier übernahm. Muzik: Ja. Es war rückblickend ein Pech, dass die Bonnier-Gruppe damals den Kürzeren zog. Die war unglaublich engagiert, hatte mit zehn Wirtschaftszeitungen in zehn Ländern auch das entsprechende Know-how.

profil: Mit Blick auf die Ergebnisse der jüngeren Vergangenheit ist es ohnehin erstaunlich, dass das "WirtschaftsBlatt“ so lange durchgehalten hat. Die Ertragslage war über Jahre höchst prekär, seit 2004 summierten sich die ausgewiesenen Verluste des Verlags ungeachtet der Presseförderung auf mehr als 17 Millionen Euro. Muzik: Als ich 2007 ausstieg, waren wir noch auf dem richtigen Weg. Es war zwar immer schwer, wir mussten jeden Euro umdrehen. Aber dann kamen unglückliche Entscheidungen, verlegerisch, personell, marketing- und vertriebsmäßig, die durch die Wirtschaftskrise nur noch verschärft wurden.

profil: Zum Beispiel? Muzik: Die Erscheinungsweise war früher Dienstag bis Samstag, ehe diese auf Montag bis Freitag verlegt wurde. Der Samstag war aber unser meistverkaufter Tag, auch der mit den meisten Inseraten. Der Montag dagegen war ein ganz schlechter Tag. Obendrein musste die Montagszeitung ja schon am Sonntag produziert werden, was zusätzliche Kosten verursachte. Im Anzeigenbereich mussten wirklich gute Leute gehen, in der Redaktion sowieso. Es hat einfach überall gemangelt, im redaktionellen und im kaufmännischen Bereich. Nehmen Sie den Vertrieb. Ich habe erst unlängst versucht, eine Ausgabe in der Trafik zu bekommen. Ich war in neun Trafiken, ehe ich sie hatte. Da kann doch etwas nicht stimmen.

Ich habe größten Respekt vor der Mannschaft.

profil: Das "WirtschaftsBlatt“ hatte sich dem freien Markt verschrieben. So zynisch das klingen mag: Da darf man sich auch nicht wundern, wenn einen der freie Markt abwirft. Muzik: Traurig, aber wahr.

profil: Die erste Ausgabe erschien am 6. Oktober 1995. Sie waren als Chefredakteur Teil des Gründungsteams, zwischen 2004 und 2007 auch Herausgeber. Mit welchem Selbstverständnis sind Sie damals angetreten? Muzik: Wir wollten vom Start weg nützliche Informationen für Wirtschaftstreibende bringen. "News to use“, wie wir das nannten. Freunde haben mir damals gesagt: "Bist du narrisch? Das kann in Österreich nicht funktionieren.“ Ich glaube heute noch daran, dass die Nische Wirtschaft in Österreich groß genug ist, um eine profitable Zeitung zu betreiben. Sachverstand und Engagement vorausgesetzt. Es ist klar, dass die gesamte Medienbranche in einem gewaltigen Umbruch steckt und bis heute keinen vernünftigen Umgang mit dem Internet hat. Die einzige Antwort nahezu aller Verlagshäuser ist aber: sparen, sparen, sparen. Und wo spart man am meisten? An der Redaktion.

profil: Das ist allerdings auch der größte Kostenblock. Muzik: Durchaus. Aber wenn Sie viele gute Leute ziehen lassen und durch wenige nicht ganz so erfahrene ersetzen, dann schlägt das unweigerlich auf die Qualität durch. Genau das ist beim "WirtschaftsBlatt“ leider passiert. Die personelle Fluktuation war enorm. Ich habe größten Respekt vor der Mannschaft. Die hat bis zuletzt täglich mit Ach und Krach versucht, eine ordentliche Zeitung zu machen. Die sinkenden Leser- und Auflagenzahlen waren die entsprechende Antwort.

profil: Der guten Ordnung halber sei angemerkt, dass Wirtschaftstitel generell schon bessere Zeiten erlebt haben, im deutschen Sprachraum zumal. "Handelsblatt“, "Wirtschafts-Woche“ und "Capital“ plagen sich, die "Financial Times Deutschland“ wurde längst eingestellt … Muzik: Wenn die Verleger weiterhin so ratlos sind und nur auf Sparkurse setzen, ist Schlimmes zu befürchten. Das "WirtschaftsBlatt“ wird nicht der letzte Trauerfall sein. Da bahnt sich einiges an.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.