INFORMATIKER MANUEL, LENORE BLUM: "Unsere Prozessoren sind vergleichbar mit spezialisierten Hirnregionen.“

Die Bühne des Denkens

Wie die US-Informatiker Manuel und Lenore Blum eine Maschine mit Bewusstsein bauen wollen.

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Lässt sich eine Maschine mit Bewusstsein ausstatten? Gewiss, ist Manuel Blum überzeugt: „Wir sind nahe dran, es ist eine Frage einiger Jahre.“ Blum ist Informatikprofessor an der Carnegie Mellon University, Träger des renommierten Turing Award und war kürzlich mit seiner Frau Lenore, ebenfalls Informatikerin, für Vorträge in Wien. Die beiden erarbeiten die Architektur einer bewussten Maschine, wobei Blums Motivation aus der Kindheit herrührt. Er habe sich für ein dummes Kind gehalten, sagt er, und seinen Vater gefragt, wie er klüger werden könne. Der Vater, der Blums Mutter übrigens in Wien kennenlernte, meinte: Vielleicht, wenn er das Gehirn verstünde.

Mittels Erkenntnissen aus der Hirnforschung wollen die Blums Computern nun Bewusstsein einpflanzen. Zunächst ist eine Definition vonnöten: Im Englischen gibt es „consciousness“ und „awareness“. Ersterer Begriff bezeichnet unsere Vorstellung von einem bewussten Geist, der zweite die aktive Wahrnehmung von Eindrücken, das „Gewahrwerden“. Darauf zielen die Blums ab.

Reigen aus Prozessoren

Sie gehen davon aus, dass das meiste Wissen in der Sphäre des Unbewussten abgelegt ist. Nur wenig davon wird bei Bedarf abgerufen und gelangt an die bewusste Oberfläche, ähnlich einer beleuchteten Bühne. So würden Namen oder Gesichter im dunklen Auditorium schlummern, bis sie fallweise ins Rampenlicht der Wahrnehmung gerufen würden. Der Heureka-Moment sei ein eingängiges Beispiel dafür: Plötzlich ist eine Erkenntnis da, und wir wissen nicht, woher sie kam.

Bewusstsein ist schlicht das, was vom finsteren Publikumsraum auf die helle Bühne gehoben wird, postulieren die Blums. Dieses Prinzip wollen sie mit einem Reigen aus Prozessoren nachbauen, wobei jeder Prozessor einen sensorischen Input symbolisiert – Sehen, Hören, Gesichter, Namen, Sprache, Schmerz, Träume, autobiografisches Gedächtnis. „Die Prozessoren in unserem Modell sind vergleichbar mit spezialisierten Hirnregionen“, sagt Blum. Je nach Intensität und aktueller Bedeutung mit einem Zahlenwert versehen, können die Daten aus den Prozessoren in ein Kurzzeitgedächtnis mit In- und Outputfunktion wandern, vulgo auf die Bühne: „Das ist die Minimalanforderung für Bewusstsein, so viel braucht es dafür gar nicht.“

Was tun mit einer bewussten Maschine? Man könnte Computer besonders anwenderfreundlich gestalten, sie besser auf die Bedürfnisse des Benutzers abstimmen oder sämtliche Prozessoren auf die Lösung eines konkreten Problems lenken, so Blum – so wie sich der menschliche Geist auf eine bestimmte Aufgabe fokussieren kann.

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft