Haiders letzter Mann

Haiders letzter Mann

FPÖ Salzburg. Karl Schnell fühlt sich als letzter Haiderianer und wittert ringsum Intrige und Verrat

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Die Leichtgläubigkeit ist ein Geburtsrecht der Menschen, und leichtgläubig war Karl Schnell von Anbeginn. Mittlerweile ist er nur noch misstrauisch – ein rares Relikt aus der Ära Jörg Haider: Sein zerknittertes Bubengesicht erzählt von dem Kinderglauben an den Verstorbenen in dessen Glanzzeit.
Der bald 60-jährige Landarzt hat mit dem Salzburger Spekulationsskandal eine letzte Chance bekommen, geradezu eine Steilvorlage, um bei den Landtagswahlen am 5. Mai für die FPÖ einen großen Wahlerfolg zu erringen. Doch aktuellen Umfragen zufolge dürfte nichts daraus werden. Die Konkurrenz der „Werte“ wird vermutlich nicht zu seinen Gunsten ausgetragen. Das Team Stronach ist auch in Salzburg auf der politischen Bühne erschienen, mit einem beliebten Bürgermeister, einem bekannten Fußballer und einem ehemaligen Parteifreund Schnells an der Spitze.
„Man hat schon alles versucht, mich mürbe zu machen. Ich wurde abgewählt, vor Gericht gestellt. Doch ich bleibe am Ufer sitzen und warte, bis die Leichen vorbeischwimmen“, sagt Schnell. Was immer da komme, er nehme es locker.

Schnell redet verdächtig gern von vergangenen Zeiten, als liege in deren Beschwörung seine ganze Zukunft. Wahrscheinlich ist es so. Schnell stammt aus einem stramm nationalen Elternhaus im Pinzgau. Er gehörte immer schon dazu, auch wenn er gar nicht in der FPÖ-Jugend organisiert war, sondern ein strebsamer Medizinstudent in Wien, der nicht einmal die Buden der Burschenschafter frequentierte.

Bewunderung für den „schlauen Fuchs“
Schnell hatte die chamäleonhaften Verwandlungen des jungen Jörg Haider aus der Ferne bewundert, den „schlauen Fuchs“, wie er sagt, die Fähigkeit zu Spiel und Verstellung, die ihm selbst so gar nicht in die Wiege gelegt wurde. Persönlich lernte Schnell sein Idol erst Ende der 1980er-Jahre kennen. Damals führte er bereits eine gut gehende Arztpraxis in Saalbach-Hinterglemm und war Hobbypilot. In einer Cessna flog er Haider in Wahlkämpfen von hier nach dort, tourte mit ihm übers Land, stieg mit ihm auf Berge und wagte Bungee Jumping. Schnell war schwer beeindruckt. Einem seiner Söhne gab er den Namen „Jörg“. Bei Haider setze sein Gehirn aus, soll er später einmal Freunden gegenüber gestanden haben.
Anfang der 1990er-Jahre, nach seiner Abwahl als Kärntner Landeshauptmann, hielt Haider die Zeit für gekommen, das „System sturmreif“ zu schießen. Es ging gegen Europa, gegen Ausländer, vor allem aber gegen die „Bonzen“, womit so ziemlich alle im Staatsdienst stehenden Beschäftigten gemeint waren. Die FPÖ prangerte Verbände und Institutionen an, Proporz und Privilegien, die Nutznießer und deren Gehälter. Nicht alles, doch vieles war frei erfunden, eine Menschenhatz, des billigen Effekts wegen.

1991 wurde Schnell zum zweiten Generalsekretär der FPÖ bestellt, zur Unterstützung des jungen Tirolers Walter Meischberger, und man ahnt, an wem die Knochenarbeit hängen blieb. „Der Charly, das ist unser Idealist“, wurde in Haiders Bubenpartie oft gespottet. Neben Meischberger gehörten in jenen Jahren auch Haider-Sekretär Peter Westenthaler, Generalsekretär Karl-Heinz Grasser und Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold dazu.
Haider brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, und Schnell übernahm die Aufgabe, die man ihm zuwies. 1992 wurde der Pinzgauer Arzt – ohne vorher gefragt worden zu sein – in einer öffentlichen Parteileitungssitzung zum neuen Landesparteiobmann in Salzburg bestimmt. Schnell sagt, er habe sich damals kaum nach Hause getraut, zu Frau und Kindern. Doch er verkaufte umgehend seine Praxis samt Kundenstock und lebte fortan nur noch für die Politik. Schnell war nun mitten drin und einer der Eifrigsten. Er verglich schon einmal Sozialhilfeempfänger mit einer „Rattenplage“, heizte die Stimmung mit personenbezogenen Daten einzelner Asylwerber an, die – wie sich später in der Spitzelaffäre herausstellte – aus Polizeicomputern stammten. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Schnell und einige Polizisten aus der Salzburger FPÖ wurden im Jahr 2000 unter FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer eingestellt.

Vom Machtverlust paralysiert
In Schnells Erinnerung waren die 1990er-Jahre die beste Zeit. Seine Partei nahm einen rasanten Aufstieg. In Umfragen des Jahres 1997 lag die Salzburger FPÖ bei 27 Prozent.

Doch manchen war der lange Atem auf dem Weg zur Kanzlerschaft zu kurz geworden. Schnell begreift es bis heute nicht. Er glaubt an eine von langer Hand geplante Verschwörung gegen seine Person, an der Haiders „Buben“, die damalige geschäftsführende Parteiobfrau Susanne Riess-Passer und die ÖVP beteiligt waren.

Es begann mit seiner Abwahl als FPÖ-Landesrat im Jahr 1997. Schnell hatte eine geheime Postenschacherliste aus dem SPÖ-Computernetzwerk veröffentlicht. Illegaler Datenklau stand im Raum. Warum von FPÖ-Computern das Material abgerufen werden konnte, wurde nie geklärt, Schnell vor Gericht freigesprochen.

Paralysiert vom Machtverlust, gingen die Salzburger Freiheitlichen bald aufeinander los, bezichtigten sich gegenseitig des Opportunismus und Verrats. Im Krisenjahr 1998 beauftragte Haider seine damalige geschäftsführende Parteiobfrau Susanne Riess-Passer, sowie Rumpold und Westenthaler, nach Salzburg zu fahren und sämtliche Salzburger Funktionäre, rund 700 Mitglieder, aus der Partei auszuschließen. Diese Demütigung, dass seine Organisation unter kommissarische Verwaltung kam, hielt Schnell nicht davon ab, sich kurze Zeit später – nach einer Aussprache mit Haider und Grasser – öffentlich für „kindisches Verhalten“ zu entschuldigen und den Vorsitz in Salzburg brav wieder anzutreten.
Einmal ging es noch gut. Bei den Nationalratswahlen 1999 wurden die Freiheitlichen in Salzburg die stärkste Partei. In Wien wurde eine schwarz-blaue Regierung verhandelt. Schnell erinnert sich: „1999 hat mich der Jörg nach Golling zitiert und mich gebeten die Bundespartei zu übernehmen. Ich habe gespürt, da ist etwas nicht in Ordnung, er ist unter Druck, aber Haider hat nicht mehr erklärt“, sagt Schnell.

Er habe das noch nie erzählt. Er meint, er hätte den Niedergang sowieso nicht aufhalten können. Schnell ist der Ansicht, dass Haider damals schon „nicht mehr der Haider war, den ich einst kannte“, dass alle Weichen für ein „willfähriges Verhalten gegenüber der ÖVP“ gestellt waren. Rückblickend bezieht Schnell in die fantasierte Verschwörung Frank Stronach, die ÖVP und Teile der FPÖ ein, am Ende auch Jörg Haider, der an „seiner Charakterschwäche gescheitert“ sei.

Um Schnell ist es in den vergangenen Jahren eher still geworden. 2001 erregte er überregionale Aufmerksamkeit, als er den damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil einen „Lump“ nannte und in einem Amtsbeleidigungsverfahren zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
Einmal sagte er über die Salzburger Landbevölkerung: „Den Bauern kann man die Viecher wegnehmen, den Hof niederbrennen und die Bäuerin vergewaltigen, und sie wählen immer noch schwarz.“ Rabaukenhafte Auftritte gestattet sich Schnell immer nur auf großen Bühnen.
2008 war er als Gastredner bei einem Kongress der Republikaner im bayrischen Rosenheim aufgetreten, einer Partei, in der das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz „rechtsextremistische Kräfte“ am Werk sieht, Schnell dagegen „eine Wertegemeinschaft mit einem gewissen Heimatstolz“.

Man sehe ja, wohin konservative Parteien das Land führen – mittlerweile bringe schon „der Schwarzafrikaner in Lederhose in München als Kellner die Maß Bier“, hatte Schnell damals in den Saal gedröhnt. Schnell übernahm 2006 seine Arztpraxis wieder. Seine Illusionen hat er verloren, eine gewisse paranoide Sicht hat sich verfestigt – und auch der Hass auf die Konservativen.

Schnell kann sich durchaus vorstellen, die Sozialdemokratin Gabi Burgstaller bei der Wahl zur Landeshauptfrau zu unterstützen.

Foto: Monika Saulich

Christa   Zöchling

Christa Zöchling