Robert Zadrazil

Robert Zadrazil: "Etwas weniger Emotion täte schon gut"

Robert Zadrazil ist der Mann, der die Bank Austria auf eine ungewisse Zukunft vorbereiten muss. Der italienische Eigentümer UniCredit strauchelt und muss sparen, der Bank Austria droht die Filetierung. Wo führt das hin? Zadrazil über die Nöte von UniCredit, die Bedürfnisse seiner Kunden und die Wiederentdeckung des Zettelziehens.

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INTERVIEW: MICHAEL NIKBAKHSH, ANDREA VYSLOZIL

Es gibt ganz gewiss undankbarere Jobs als den eines Vorstandsvorsitzenden der UniCredit Bank Austria AG. Und doch übernahm Robert Zadrazil im März dieses Jahres eine bedingt dankbare Aufgabe. Der 45-jährige Banker, ein IT-Spezialist, trat die Nachfolge von Willibald Cernko an, nachdem dieser überhasp gegangen worden war. Zadrazil, seit 2001 in wechselnden Funktionen im Sold der Bank, muss die Pläne des italienischen Eigentümers UniCredit exekutieren: Bis 2018 sollen einige hundert Mitarbeiter in Österreich zum Abschied "ermuntert" werden, die Kosten um 300 Millionen Euro sinken, die Erträge deutlich steigen. Obendrein will UniCredit das bisher bei der Bank Austria gebündelte Geschäft in Zentral- und Osteuropa an sich reißen. Viel Aufwand, noch mehr Risiko, wenig Ehr'. Am Ende könnte, so ein hartnäckiges Gerücht, die redimensionierte Bank Austria (vormals Zentralsparkasse, Länderbank und Creditanstalt) überhaupt verkauft werden. Der US-amerikanische Bawag-PSK-Eigentümer Cerberus soll ja immer wieder in Mailand angeklopft haben. Eine Fußnote der Geschichte ist Zadrazil bereits sicher.

Er ist der letzte Vorstandschef mit Schreibtisch in den holzvertäfelten Fluchten des geschichtsträchtigen CA-Gebäudes in der Wiener Schottengasse. Die Immobilie wurde längst verkauft, 2017 bezieht die Bank - oder das, was dann noch davon übrig ist - ein neues Quartier.

profil besuchte ihn an seinem Arbeitsplatz.

profil: Herr Zadrazil, vor mittlerweile elf Jahren, im Vorfeld der Übernahme der Bank Austria durch UniCredit, kursierte unter Mitarbeitern des Wiener Stammhauses ein spöttisches Rundmail. Darin hieß es unter anderem, die Mittagspause mit "Pizza, Pasta, Chianti und Illy caffè" werde künftig "auch in Wien drei Stunden dauern, streiken jeden Tag möglich und das Tragen weißer Socken ein Kapitalverbrechen" sein. Wird 2016 über UniCredit gewitzelt? Robert Zadrazil: Also weiße Socken sind auch für mich ein No-Go, unabhängig vom Eigentümer. Aber ganz im Ernst: Als Bank Austria sind wir froh, Teil dieser europäischen Gruppe zu sein. Trotz aller Diskussionen und Herausforderungen haben wir in vielen Fällen vom Eigentümer UniCredit profitiert. Ich darf daran erinnern, dass wir die einzige Großbank in Österreich waren, die kein Staatskapital brauchte, weil wir eine starke Mutter haben, die Eigenkapital zur Verfügung stellte und in den vergangenen Jahren auch nie eine Dividende abzog.

profil: Wir haben jetzt nicht erwartet, dass Sie mit dem Eigentümer brechen. Aber mit Blick auf die Lage des italienischen Finanzsektors generell und die Verfasstheit von UniCredit im Besonderen, ist dieser Zuspruch doch einigermaßen erstaunlich. UniCredit hat beim jüngsten Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht sehr schwach abgeschnitten, die Kapitalreserven sind ausgedünnt, daneben ringt der Konzern mit einem nicht unerheblichen Maß an faulen Krediten. Der Aktienkurs ist im Keller, UniCredit muss sparen, das bringt auch die Bank Austria in die Ziehung. Der Internationale Währungsfonds warnt ja nicht ohne Grund vor den globalen Folgen einer italienischen Finanzkrise. Das wirkt doch alles sehr bedrohlich. Auf Sie nicht? Zadrazil: Einerseits muss man das natürlich ernst nehmen. Andererseits aber auch relativieren. Es stimmt, dass die italienische Wirtschaft seit Jahren schwächelt, das lässt die Banken naturgemäß nicht unbeeindruckt, wobei die Unwägbarkeiten in Zusammenhang mit dem Brexit die Lage für alle nur noch erschweren. Es stimmt auch, dass gerade die großen Banken mit Blick auf die NPLs (Anm.: non performing loans, also notleidende Kredite) und die Kapitalausstattung vor entsprechenden Herausforderungen stehen.

profil: Zusammengerechnet sollen die italienischen Banken auf faulen Krediten in einer Höhe von immerhin 350 Milliarden Euro sitzen. Zadrazil: Dieser Wert ist viel zu hoch gegriffen, weil ja bereits Wertberichtigungen vorgenommen wurden. Wir reden aktuell von 192 Milliarden Euro, denen aber Sicherheiten und Bürgschaften in der Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro gegenüberstehen. Das ist nun wirklich nichts, was nicht zu schaffen wäre. Es stimmt jedenfalls nicht, dass Italiens Großbanken insolvent wären.

profil: Das unterstellen wir auch nicht. Zadrazil: In der Debatte wird gern auf den Umstand vergessen, dass der italienische Staat im Gegensatz zu anderen in der Vergangenheit nur einen vergleichsweise geringen Beitrag zur Sanierung des Bankensystems geleistet hat. Deutschland hat nach 2008 an die zehn Prozent seines Bruttoinlandsprodukts eines Jahres für die Stabilisierung des Sektors aufgewendet, Österreich 15 Prozent, Irland sogar 54 Prozent. Italien? 0,1 Prozent.

Es ist nur fair, allen die Möglichkeit zu bieten, verbindliches Interesse an einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstvertrages anzumelden.

profil: Reden Sie die hartnäckigen Probleme des italienischen Kreditsektors nicht bewusst klein? Die Aktienkurse der beiden größten italienischen Bankengruppen UniCredit und Intesa zeigen steil nach unten, jener der jüngst mit knapper Not geretteten toskanischen Monte dei Paschi hat überhaupt Ramschniveau erreicht. Die Investoren scheinen sehr viel weniger Vertrauen in den italienischen Finanzsektor zu haben als Sie. Zadrazil: Ich will da nichts schönreden. Etwas weniger Emotion täte aber schon gut. Ja, die Bevorsorgung der NPLs ist ein Thema, der Kapitalbedarf ein weiteres. Die relevante Frage ist, wie groß das Problem für das Finanzsystem und den italienischen Staat werden könnte. Und auf diesem Niveau sehe ich das einfach nicht. Erst recht nicht für UniCredit. UniCredit weist mit 7,5 Prozent netto die niedrigste NPL-Quote unter Italiens Großbanken auf und steht auch im internationalen Vergleich gut da.

profil: So oder so muss UniCredit restrukturieren. Die Italiener wollen das bisher der Bank Austria zugeordnete Geschäft in Zentral-und Osteuropa an sich reißen und zusätzlich mehrere Hundert in Österreich streichen. Wie man so hört, wurden allen 6700 Beschäftigten freiwillige Abfindungsangebote von bis zu vier Jahresgehältern unterbreitet. Zadrazil: Das stimmt so nicht. Wir haben für jeden Mitarbeiter die Austrittskonditionen errechnet und alle ermutigt, sich diese unverbindlich anzusehen und zu überlegen: "Sind diese Konditionen gepaart mit meiner weiteren Lebensplanung für mich interessant?" Ich gebe zu bedenken, dass wir teilweise Mitarbeiter haben, die 25 Jahre und mehr im Hause sind.

profil: Von denen nicht wenige definitiv gestellt, also de facto pragmatisiert sind. Zadrazil: Es ist nur fair, allen die Möglichkeit zu bieten, verbindliches Interesse an einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstvertrages anzumelden. Das läuft bis Ende September, dann wissen wir mehr.

profil: Wie viele sollen es denn sein? Zadrazil: Wir nennen keine Kopfzahlen. Unser Ziel ist es, die Cost-Income-Ratio (Anm.: das Verhältnis zwischen Kosten und Erträgen) bis 2018 von derzeit 80 Prozent auf unter 60 Prozent zu senken. Wir streben eine Neuausrichtung an, die einerseits die Kostenseite adressiert, andererseits aber auch den Ausbau des Privat- und Firmenkundengeschäfts und des Geschäfts mit internationalen Firmenkunden.

profil: Was, wenn zu wenige Mitarbeiter das Angebot annehmen? Zadrazil: Wir wollen eine sozial verträgliche Lösung ohne Kündigungen hinbekommen. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass das nicht klappt.

profil: Nun scheinen die Finanzaufseher in Österreich und bei der Europäischen Zentralbank zu zweifeln, dass das verbleibende Österreich-Geschäft der Bank Austria dauerhaft lebensfähig wäre. Zadrazil: Und das sagt Ihnen wirklich jemand von der EZB oder der FMA?

profil: Offiziell doch nie. Zadrazil: Wir kommentieren solche Gerüchte nicht, das werden Sie verstehen. Es liegt aber auf der Hand, dass die Aufsicht allfällige Absprachen mit unseren Eigentümern hinsichtlich eines Stand alone zu bewerten hat. Diese Frage ist adressiert worden.

Die niedrigen Zinsen, die schwache Konjunktur, das regulatorischen Umfeld und letztlich auch die Megatrends Digitalisierung und Individualisierung sind enorme Herausforderungen für alle Banken in Österreich, ja, in Europa.

profil: Die UniCredit Bank Austria AG, also das österreichische Stammhaus, schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen. Laut den öffentlich zugänglichen Einzelabschlüssen hat das Unternehmen zwischen 2011 und 2014 unter dem Strich Verluste von zusammen 4,4 Milliarden Euro produziert, das letzte nachhaltig positive Jahr war 2007. Seither ging es bergab. Zadrazil: Da reden wir jetzt aber nicht vom Österreich-Geschäft allein, vielmehr wurden hier auch Abwertungen der Buchwerte unserer osteuropäischen Beteiligungen erfasst. 2015 ...

profil: Für 2015 liegt noch kein von Wirtschaftsprüfern testierter Einzelabschluss vor. Zadrazil: Wenn Sie mich ausreden lassen, dann erkläre ich es Ihnen. 2015 haben wir der Gruppe annähernd 1,3 Milliarden Euro Gewinn erzielt, davon 730 Millionen Euro in Zentral- und Osteuropa und knapp 500 Millionen in Österreich. Zum besseren Verständnis: Auf der einen Seite der vergleichsweise kleine österreichische Markt, auf der anderen 14 weitere teils ungleich größere Länder, darunter Türkei und Russland. Dass wir in Österreich nicht lebensfähig wären, kann ich schon deshalb nicht unwidersprochen lassen. Umgekehrt ist es richtig, dass wir im Retailbereich nicht profitabel genug sind, weshalb wir hier in den kommenden Jahren 300 Millionen Euro einsparen wollen. Wir sind mit den Problemen im Retail ja nicht allein. Die niedrigen Zinsen, die schwache Konjunktur, das regulatorischen Umfeld und letztlich auch die Megatrends Digitalisierung und Individualisierung sind enorme Herausforderungen für alle Banken in Österreich, ja, in Europa.

profil: Gleich auf der ersten Seite des Geschäftsberichtes 2015 heißt es: "Wir von UniCredit sind überzeugt, dass wir uns direkt in die Lebenssituationen unserer Kunden hineinversetzen müssen. Nur so sind wir in der Lage, im steten Wandel von Bedürfnissen und Werten nachhaltige Problemlösungen zu finden." Was sind denn die Bedürfnisse Ihrer Kunden? Zadrazil: Im Privatkundengeschäft beispielsweise erwarten unsere Kunden zweierlei: 24 Stunden Zugang zu Basisdienstleistungen auf der einen Seite, qualifizierte Beratung im Bedarfsfall auf der anderen. Dazu müssen mehrere Kanäle verfügbar sein. Die Filiale, das Telefon, das Online Banking und in stark zunehmendem Maße das Mobile Banking.

profil: Es soll ja Leute mit Smartphone geben, die den weitaus größten Teil ihrer Bankgeschäfte online selbst erledigen und sich dabei immer wieder fragen, warum sie das ganze Drumherum mitbezahlen müssen. Zadrazil: Ich kann das bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Das ist auch eine Generationenfrage. Internet und Digitalisierung sind an sich natürlich kein jugendliches Phänomen. Wir wissen, dass auch in der Altersgruppe über 60 Jahre knapp 40 Prozent das Internet regelmäßig nutzen. Aber dann gibt es eben auch die, die großen Wert darauf legen, dass es Filialen gibt. An der Doppelpräsenz kommen wir nicht vorbei. Längerfristig geht der Trend wohl in Richtung einer Verschmelzung.

Es ist ja auch bei mir selbst so, dass ich seit Jahren keinen Zahlschein mehr auf der Bank aufgegeben habe.

profil: Was darf man sich darunter vorstellen? Zadrazil: Onlinefilialen, zum Beispiel. Wir haben dieses Projekt 2014 begonnen, mittlerweile arbeiten da 270 Kollegen, die mittels Videotelefonie Kunden beraten. Bei Bedarf übrigens auch in Gebärdensprache. Das ist also kein Callcenter. Die Kunden benötigen keinerlei Infrastruktur, außer Laptop, Tablet oder Computer. Der große Vorteil ist, dass wir das auch dort anbieten können, wo wir nicht ganz so präsent sind.

profil: Sie wollen das Filialnetz von derzeit noch 150 auf 124 reduzieren. Warum nicht gleich mehr? Zadrazil: Wir haben das intern lange diskutiert. Es ist ja auch bei mir selbst so, dass ich seit Jahren keinen Zahlschein mehr auf der Bank aufgegeben habe. Aber das Filialgeschäft erfasst nun einmal nicht die Privatkunden alleine. Da decken wir auch das Segment der Klein- und Mittelbetriebe und das Private Banking ab. Ganz ohne Präsenz ginge das nicht. Unser Konzept sieht vor, dass 83 der 124 verbleibenden Filialen umfangreiche Beratungszentren werden, in den übrigen sollen künftig nur noch Basisdienstleistungen angeboten werden. In diesen neuen Beratungsfilialen...

profil: ... muss man Zettel ziehen. Wie in der Wurstabteilung vom Konsum in den 1970er-Jahren. Zadrazil: Na ja, das Zettelsystem haben Sie heute auch anderswo. Restlos glücklich bin ich damit nicht, irgendwann werden wir das auch aufs Smartphone bekommen. Wenn Sie den Kunden aber eine Lounge-Atmosphäre mit Kaffee bieten wollen, dann brauchen Sie eine Art Queueing. Sonst stünde jeder wieder an der Kassa an.

profil: Bankomatgebühren? In Gesprächen mit Bankern gewinnt man schnell den Eindruck, dass insgeheim alle den Vorstoß des Bankomatbetreibers Euronet gut finden, sich aber erst einmal keiner aus der Deckung wagen will. Zadrazil: Ich habe mich bereits mehrfach gegen Bankomatgebühren ausgesprochen und bleibe auch dabei. Das Problem ist doch: Wir haben einerseits die österreichischen Filialbanken, die Teil eines Verrechnungssystems sind. Dann haben wir reine Bankomatbetreiber, die nicht Teil des Systems sind, sowie Internetanbieter, die rein gar nichts zur Infrastruktur beitragen. Die sagen: "Nimm das Online-Konto günstig bei mir, aber wenn du Bargeld brauchst, dann hol dir das Geld bei der Bank Austria ab." Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil, so kann es ja auch nicht sein. Ich halte den Vorschlag des Finanzministers, Bankomaten, die nicht Teil des Systems sind, zu kennzeichnen, für einen ersten guten Schritt.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.