SCHNELLSCHREIBER: Daniel Aguayo, Maxwell Krohn und Jeremy Srtibling "entwickelten" dem Textgenerator SCIgen.

Scherzkekse: Wenn Forscher ihren Kollegen Streiche spielen

Auch Forscher spielen einander Streiche oder führen die Öffentlichkeit bewusst an der Nase herum - und zeigen damit manchmal peinliche Systemschwächen auf.

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Substanzmissbrauch

Dem russisch-amerikanischen Science-Fiction-Autor Isaac Asimov (1919-1992) gelang 1948 ungewollt eine Wissenschaftsparodie, als er an seiner Doktorarbeit im Fach Biochemie an der Columbia University in New York arbeitete. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit Brenzcatechin, das auch als Catechol bezeichnet wird. Um damit zu experimentieren, benötigte er eine wässrige Lösung. Dabei fiel ihm auf, dass sich Catechol-Kristalle lösen, sobald diese mit Wasser in Berührung kommen. Asimov hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einige Romane veröffentlicht und kam beim Grübeln über die hohe Löslichkeit auf die Idee, ob es nicht auch Substanzen geben könnte, die sich bereits vor der Berührung mit Wasser auflösen könnten.

Kurzerhand erdachte er die Substanz Thiotimolin, die sich bereits 1,12 Sekunden vor dem eigentlichen Wasserkontakt auflöst.

Da Asimov befürchtete, sein Schreibstil wäre durch seine Romane für eine Dissertation nicht mehr wissenschaftlich genug, schrieb er als Fingerübung einen Aufsatz über Thiotimolin. Er beschrieb präzise die Herstellung der Substanz aus der Rinde des Strauchs Rosacea Karlsbadensis. Die hohe Löslichkeit erklärte er mit mindestens einem enthaltenen Kohlenstoffatom, bei dem zwei der vier chemischen Bindungen normal in Zeit und Raum liegen, zwei weitere Bindungen hingegen in Zukunft und Vergangenheit reichten. Die Arbeit spickte er mit Abbildungen, Tabellen und einem beachtlichen Literaturverzeichnis. Um die mögliche Publizierbarkeit zu prüfen, sandte er den Artikel an John W. Campbell, Herausgeber von "Astounding Science Fiction", bat ihn aber, ihn unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. Asimov hegte die Befürchtung, sein Wissenschaftsjux könnte seinem Ansehen schaden. Versehentlich wurde Asimov aber dennoch als Autor genannt. Geschadet hat es ihm nicht. Bei der Defensio seiner Dissertation stellte ihm sein Prüfer zum Abschluss noch gut gelaunt eine Frage zu Thiotimolin. Dafür stürmten jugendliche Leser der Zeitschrift die Büchereien New Yorks, um die im Literaturverzeichnis erwähnten, aber freilich nicht existenten Artikel zu Thiotimolin zu suchen.

Zum Steinerweichen

Als Johannes Bartholomäus Adam Beringer (1667-1738), Mediziner, Philosoph und Leibarzt des damaligen Fürstbischofs von Würzburg, 1725 Besuch von einigen seiner Studenten erhielt, konnte er sein Glück kaum fassen. Sie überbrachten ihm Fossilien, die sie angeblich am Eibelstädter Berg gefunden hatten. Beringer sammelte Fossilien, die er "Figurensteine" nannte, und war glühender Anhänger der "Vis-plastica"- Lehre. Sie besagte, dass alle jemals existierenden Lebewesen als plastische Modelle in Stein vorgeformt worden wären. Beringer erzählte an der Universität stets stolz von seinen Funden und beharrte dabei auf der abwegigen Lehre. Auf Kritik der Kollegenschaft reagierte er aufbrausend und machte sich damit einige Feinde.

Nachdem die Studenten Beringer den Fundort verraten hatten, machte sich der Professor selbst ans Graben. Innerhalb kurzer Zeit wuchs seine Sammlung auf 2000 Stück an. Auf den Steinen fanden sich reliefartige Abbildungen von Tieren und Pflanzen, etwa Bienen, die auf Blumen saßen, oder Spinnen mitsamt Netzen. Selbst Abbildungen von Sonne, Mond, Sternen und Kometen mitsamt Schweif grub er aus. 1732 veröffentlichte er gar ein Buch dazu und wollte es seinen Kollegen an der Universität vorstellen.

Am Tag vor der Präsentation überbrachte ihm ein Student einen weiteren Stein, auf dem Beringers Name eingraviert war. Da erst erkannte er, dass er einem Streich aufgesessen war, den ihm Kollegen gespielt hatten. Er kaufte daraufhin die ganze Auflage seines Buchs, um dessen Verbreitung zu verhindern. Die als "Würzburger Lügensteine" in die Geschichte eingegangenen Objekte avancierten später zu beliebten Sammlerstücken.

Gefährliches Bier

In Bier seien erhebliche Spuren von Ethanol nachweisbar, warnte Max Schmidt (1925-2002), Leiter des Instituts für Anorganische Chemie und Vizerektor der Universität Würzburg, in einem Interview in der deutschen Tageszeitung "Main Post" am 1. April 1986. Im Artikel wurde ausgeführt, dass der Stoff, der auch in Desinfektions-und Putzmitteln vorkomme, in höheren Dosen gesundheitsgefährdend sei. Zudem habe Ethanol je nach Menge sedative, hypnotische und sogar leicht narkotische Wirkung. Dass Ethanol überdies noch leicht brennbar ist, ließ den Autor des Artikels, Herbert Kriener, über die erhöhte Brandund Explosionsgefahr beim Biertrinken schwadronieren. Etliche Leser folgten sodann dem Aufruf, ihre Biervorräte auf dem Würzburger Marktplatz auf ihren Ethanolgehalt untersuchen zu lassen. Wirte verlangten Gegendarstellungen, weil ihre Gäste das mit Ethanol "verunreinigte" Bier nicht trinken wollten, und Brauereien versicherten ihren Kunden, dass ihre Biere damit sicherlich nicht kontaminiert seien. Proben wurden gar an die landwirtschaftliche Hochschule in Weihenstephan geschickt, um die Unbedenklichkeit bestätigen zu lassen. Umso niederschmetternder das Ergebnis: Einige Prozent Ethanol waren stets nachweisbar.

Einige Tage später beendeten Chemiker Max Schmidt und die "Main Post" die Verunsicherung der Bevölkerung mit dem Artikel "Im Bier ist Alkohol", wo der Aprilscherz aufgeklärt wurde: Schließlich ist Ethanol nichts anderes als Alkohol.

Turbo-Text

Das Schreiben wissenschaftlicher Texte ist mitunter mühsam -vor allem, wenn Abgabetermine drohen. Daniel Aguayo, Maxwell Krohn und Jeremy Stribling, Informatikstudenten am Massachusetts Institute of Technology (MIT), entwickelten ein Computerprogramm, das nur mithilfe einiger Schlagworte selbstständig Texte liefert, die zumindest auf den ersten Blick wissenschaftlich anmuten. Gemeinsam schrieben sie das "Science Generator"-Programm, dessen eigentlicher Zweck mit dem Kürzel "SCIgen" verschleiert werden sollte. "SCIgen" basiert auf der "Prohabilistic Context Free Grammar Method", mit deren Hilfe grammatikalisch richtige Texte mit frei wählbaren Inhalten erstellt werden können. Die drei Kommilitonen fütterten das Programm mit Fachbegriffen aus der Informatik, um möglichst eindrucksvolle Texte erstellen, Tabellen und Grafiken konzipieren zu können. Um das Programm zu testen, generierten sie einen Text mit dem hochtrabenden, aber sinnentleerten Titel: "Rooter: A Methodology for the Typical unification of Access Points and Redundancy" und einen weiteren über "The Influence of Probabilistic Methodologies on Networking". Ein Informatiker, der die Texte zu lesen bekam, bescheinigte den Studenten, dass die Papers "wirklich gut gemacht" wären, ein Experte allerdings erkennen müsse, dass es sich um Nonsens handelt. Aguayo, Krohn und Stribling machten die Probe aufs Exempel und reichten die "Arbeiten" 2005 für eine Konferenz ein - prompt wurden sie zur Teilnahme eingeladen.

Erfreut über den Erfolg gaben sie dem Internetmedium "Slashdot" einen Hinweis auf den Juxartikel. Nachdem sich die Meldung darüber innerhalb von zwei Tagen verbreitet hatte, mussten die Konferenzveranstalter die Zulassung des Beitrags zerknirscht zurückziehen. Das Projekt hatte den niedrigen Einreichungsstandard von so mancher wissenschaftlicher Konferenz entlarvt.

Ad absurdum

Eine öffentliche Diskussion über intellektuelle Standards in den Sozial- und Geisteswissenschaften löste der amerikanische Physiker Alan Sokal mit seinem Wissenschafts-Hoax aus. 1996 publizierte er in der sozialwissenschaftlichen Zeitschrift "Social Text" einen Artikel, der die Auseinandersetzung von wissenschaftlichem Realismus und der Postmoderne thematisierte. Der schwierig zu lesende Text mit dem Titel "Grenzüberschreitung: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation" enthielt 100 Literaturzitate und befasste sich mit der postmodernen Glaubenslehre und ihrem Bezug zur Physik. Der Text war gespickt mit haarsträubenden Behauptungen, etwa dass physikalische Realität nichts anderes wäre als ein "soziales und sprachliches Konstrukt". Die den Naturwissenschaften kritisch gegenüberstehenden Herausgeber nahmen den Artikel mit Freude an, schließlich spottete hier ein Physiker über seinen Arbeitsbereich.

Die Begeisterung währte nicht lange, denn kurz darauf veröffentlichte Alan Sokal in der Zeitschrift "Lingua Franca" einen weiteren Artikel, in dem er klarstellte, dass der frühere Text lediglich eine mit Fehlern gespickte Wissenschaftsparodie war. So hatte er wissenschaftliche und mathematische Begriffe völlig unzulässig miteinander in Verbindung gebracht. Aufgefallen war das vor der Veröffentlichung niemandem. Auch, weil verabsäumt wurde, den Artikel von einem Physiker gegenlesen zu lassen. Sokal wollte damit zeigen, wie kritiklos Manuskripte in geisteswissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht werden, wenn sie nur ins Konzept der Herausgeber passen.