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Teamchef Foda: Widersprüchliches Wehklagen

So viele österreichische Fußballer wie nie zuvor laufen in der starken Deutschen Bundesliga auf. Trotzdem jammert ÖFB-Teamchef Franco Foda irritierend oft.

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Der Teamchef hat die Qual der Wahl: Franco Foda darf sein Team aus Exportschlagern zusammenstellen. Alleine bei den Top-4 der Deutschen Bundesliga tummeln sich David Alaba (Bayern München), Marcel Sabitzer (RB Leipzig), Martin Hinteregger, Stefan Ilsanker (Eintracht Frankfurt), Xaver Schlager (VfL Wolfsburg). Beinahe zwanzig Österreicher laufen Woche für Woche in Deutschlands Topliga aufs Feld – viele davon zählen zu absoluten Leistungsträgern. Der österreichische Fußball erlebt einen weiteren Höhepunkt seiner Export-Blüte – qualitativ und quantitativ.

Trotzdem ist der Teamchef unzufrieden. Aktuell beklagte er gegenüber der „Kronenzeitung“, dass „einige Spieler nicht regelmäßig zum Einsatz kommen“. Konkret nannte er: Aleksandar Dragovic, Michael Gregoritsch, Adrian Grbic und Stefan Posch („den Corona stoppte“). Er hoffe „bis zur Euro auf eine Steigerung“.

Dabei eröffnen sich für Foda mehr neue Möglichkeiten als Ausfälle zu beklagen sind: Christoph Baumgartner (TSG Hoffenheim) spielt sich seit Monaten durch seine Offensiv-Power in die Notizblöcke großer Klubs – sogar Manchester United soll Interesse zeigen. Marcel Sabitzer ist in Leipzig zum Führungsspieler gereift. Kevin Stöger zeigt in Mainz auf. Valentino Lazaro (M´Gladbach) ist nach Transfer-Flops und Verletzungssorgen endlich auf dem Weg zum Fixleiberl. Sasa Kalajdzic (VfB Stuttgart) schlägt gerade als Stürmer ein: 12 Tore hat er in dieser Spielzeit bereits geschossen – und dafür bloß 1.271 Minuten benötigt. Damit trifft Kalajdzic im Schnitt alle 106 Minuten. Er liegt auf Platz 6 der besten Torschützen der Deutschen Bundesliga; eine bessere Torquote haben bloß: Lewandowski, Haaland, Ándre Silva. Vor zwei Jahren versuchte der ÖFB noch verzweifelt einen alternden Engländer mit österreichischer Großmutter einzubürgern, um den von Foda gewünschten Sturmtank im Kader zu haben. Nun gibt es mit Kalajdzic einen 23-jährigen Zwei-Meter-Riegel, der nicht nur durchschlagskräftig, sondern auch technisch stark ist. Zuletzt überhob er den gegnerischen Tormann wie C. Ronaldo, dann wieder wuchtet er den Ball per Kopf ins Tor. Ein unerwartetes Geschenk für das Nationalteam und den Teamchef.

Große Dankbarkeit hört man bei Foda nur schwer heraus. Er erkenne die positiven Elemente, „aber auch Dinge, die im Moment nicht so laufen, wie wir uns das vorstellen“.

Eigentlich dürfte Foda nicht klagen. Jede Position ist doppelt besetzt – mit Klassespielern. Foda schmerzt der Langzeit-Ausfall des Routiniers Julian Baumgartlinger. Doch auf dessen Position im defensiven Mittelfeld gibt es ohnehin ein Überangebot – für jede Vorliebe: X. Schlager (der beim Tabellendritten Wolfsburg groß aufspielt) würde das Spiel aktiver und offensiver machen, Stefan Ilsanker (der beim Vierten Frankfurt spielt) abwartender. Der mögliche Ausfall des rekonvaleszenten Pressing-Monsters Konrad Laimer schmerzt da mehr.

Auch im Sturm gibt es nicht nur Beklagenswertes: Die Stürmer Michael Gregoritsch (Augsburg) und Adrian Grbic (Lorient / FRA) spielen neuerdings zwar tatsächlich selten – dafür zählen Hannes Wolf (M´Gladbach) und Karim Onisiwo (Mainz05) mittlerweile zum Stammpersonal. Und selbst wenn sich Marko Arnautovic in China weiterhin ins Abseits stellt, spielt dann eben der neue Torgarant Kalajdzic im Sturmzentrum.

Auch der von Foda erwähnte Ausfall des Hoffenheimer Innenverteidigers Posch wiegt nicht schwer. Österreich erzeugt seit Jahren einen Export-Überschuss in diesem Bereich. Der 24-Jährige Innenverteidiger Philipp Lienhart ist beim SC Freiburg zu einer wichtigen Stütze geworden. Martin Hinteregger (Frankfurt), Marco Friedl (Werder Bremen), Maximilian Wöber (Salzburg) spielen diese Position regelmäßig. Und dann wäre da noch David Alaba, dessen aktuelle Stammposition – richtig – in der Innenverteidigung liegt.

Es ist kein österreichisches Phänomen, dass im Saisonverlauf immer wieder Spieler auf dem Abstellgleis landen, verletzt ausfallen oder sich mit dem Coronavirus anstecken. Es kommt daher nicht ungelegen, dass Foda über den besten und größten Nationalteam-Kader seit langem verfügt. Wenn die von ihm erwähnten Dragovic, Gregoritsch, Grbic und Posch mal länger nicht spielen, ist das kein Malheur.

Ein Malheur ist für Foda ohnehin Definitionssache. Nach dem letzten Länderspiel beklagte er interessanterweise das Gegenteil von selten spielenden Spielern: Die Spieler spielten zu oft. „Die Belastung“ sei in Corona-Zeiten „extrem hoch“, viele seien müde, betonte der Teamchef nach dem enttäuschenden 1:1 gegen eine norwegische C-Mannschaft. Seine Top-Kicker hätten „eine sehr hohe Intensität“ zu bewältigen, es gebe „kaum eine Winterpause“, sie würden „fast ein komplettes Jahr“ durchspielen.

Demnach müsste es ja (zumindest ironisch gemeint) durchaus gelegen kommen, wenn einige Spieler nicht übermüdet, sondern ausgerastet zum Nationalteam stoßen. Schlüssig klingt Fodas Jammerei jedenfalls nicht. Entweder spielen seine Männer zu oft und sind müde. Oder sie spielen zu selten und sind nicht in Schuss. Der Teamchef, der für beständiges Wehklagen bekannt ist, wird sich festlegen müssen, was denn genau das Problem sein soll. Was nicht geht: Für jeden Fall eine Ausrede parat zu haben.