Ursula von der Leyen

3 Fragen zur EU-Kommissionspräsidentin

Was bedeutet die Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin …

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… für die Zukunft der Europäischen Union?

Was kaum beachtet wird: Die Wahl von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin und die rasche Entscheidung über die Besetzung der übrigen EU-Spitzenposten hat demonstriert, dass Europa handlungsfähiger ist als vielfach angenommen. Regierungsbildungen in Mitgliedsstaaten dauern meist weitaus länger.

Dass mit der deutschen Politikerin erstmals eine Frau an der Spitze der EU steht, hat zudem eine Symbolkraft, die nicht unterschätzt werden darf. Und nach der Programmatik zu schließen, die Ursula von der Leyen in ihrer Bewerbungsrede vor dem Straßburger Parlament skizziert hat, rückt Europa mit der neuen Kommissionspräsidentin paradoxerweise ein wenig in Richtung links-liberal – obwohl sie selbst aus der konservativen CDU kommt. Gesamteuropäischer Mindestlohn, gesamteuropäische Arbeitslosen-Rückversicherung, ambitionierte CO2-Reduzierung: All das und noch viel mehr hat sie versprochen.

Der Rat der Regierungschefs wird versuchen, sie zu bremsen und zu blockieren, wo er nur kann. Aber Ursula von der Leyen könnte eine neue Dynamik in die europäischen Institutionen bringen – vor allem dann, wenn sie sich auf das Parlament stützt, in das die Liberalen und Grünen nach der EU-Wahl gestärkt eingezogen sind.

Von der Leyen wird versuchen, ihre mangelnde demokratische Legitimation – sie war nicht Spitzenkandidatin und wurde von den Regierungschefs „ausgepackelt“ – durch eine offensive Politik der Stärkung des EU-Parlaments wettzumachen. Das könnte ihr gelingen.

… für die Rolle Deutschlands in Europa?

Wird die EU unter der Führung der neuen Kommissionspräsidentin nun deutscher? Eher nicht. Von der Leyen ist zunächst eine „Erfindung“ des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und gleichzeitig integrationsfreundlicher als der deutsche Mainstream. So spricht sie etwa von den „Vereinigten Staaten von Europa“ und einer Europa-Armee.

Deutschland hätte an Gewicht gewonnen, wäre – wie geplant – der Deutsche Jens Weidmann Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) geworden. Jetzt kommt dort aber die französische Konservative Christine Lagarde, bisher Chefin des Internationalen Währungsfonds, zum Zug: Sie gilt, ganz im Gegensatz zu Weidmann, als dezidierte Kritikerin der von Deutschland bisher forcierten Austeritätspolitik.

Europa wird somit eher französischer. Die Achse Paris-Berlin bleibt jedenfalls stabil und funktionsfähig.

… für die deutsche Innenpolitik?

Viel verändert sich in der deutschen Politik nicht. Die große Koalition verharrt im Krisenmodus. Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte ein wenig gestärkt sein. Mit Ursula von der Leyen steht nun eine „Merkelianerin“ der ersten Stunde an der Spitze der EU.

Noch ist die neue Kommissionspräsidentin im Land selbst nur wenig beliebt. Das dürfte sich aber ändern; sie wird für die Deutschen schließlich „unsere Frau“ in Brüssel sein. Dass die SPD-Abgeordneten (gemeinsam mit ihren österreichischen Genossen) als Einzige aus ihrer europäischen Parteienfamilie gegen Ursula von der Leyen votierten, obwohl diese große Zugeständnisse gemacht hatte, wird wohl die Misere der deutschen Sozialdemokratie noch weiter vertiefen.

Nach wie vor hat nicht nur die SPD, sondern auch die CDU nur wenig Interesse an vorgezogenen Neuwahlen. Sie würden dabei nur verlieren.

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Georg Hoffmann-Ostenhof