Leibchentausch zwischen den Kapitänen gab es keinen

Kampfstarke Isländer feiern Punkt gegen Portugal wie Sieg

Auf der einen Seite der makellos gepflegte Superstar, hoch bezahlt bei Real Madrid, und ihm gegenübe

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Auf der einen Seite der makellos gepflegte Superstar, hoch bezahlt bei Real Madrid, und ihm gegenüber der bärtige, rot-gesichtige Mittelfeldspieler aus Island, der in der zweiten englischen Liga bei Cardiff City spielt. Doch in einer für das 330.000-Einwohner-Land im hohen Norden geschichtsträchtigen Nacht war der Punkt für die Isländer so viel wert wie ein Sieg. Die Portugiesen waren gegen einen überraschend agilen EM-Debütanten überlegen vor 38.742 Zuschauern in Saint-Etienne.

Nani brachte Portugal in der 31. Minute mit dem 600. Endrundentor der EM-Geschichte auch verdient in Führung. Doch Birkir Bjarnason, Teamkollege von Marc Janko beim FC Basel, verdarb den Portugiesen mit einer volley verwerteten Flanke von Johann Berg Gudmundsson den siegreichen Turnierstart. Der Blondschopf mit Spitznamen "Thor" sorgte in der 50. Minute für den historischen ersten Treffer einer isländischen Mannschaft bei einer Endrunde. Janko hatte Bjarnason schon vor dem Turnier als "sehr gefährlichen Mann", der "technisch beschlagen" ist und "einen guten Abschluss hat" beschrieben.

Obwohl die Portugiesen in der Folge weiter drückten, Ronaldo sich jede sich bietende Freistoßmöglichkeit zum Siegestreffer auflegte und er auch kurz vor Schluss per Kopf scheiterte - der moralische Sieger war an diesem Tag doch die Truppe von Coach Heimir Hallgrimsson.

"Unsere Verteidigung war fantastisch: wir waren wirklich gut organisiert und haben hart gearbeitet. Abgesehen von ein, zwei Situationen waren wir sehr fokussiert und es war ein echter Teamsieg für uns", sagte Hallgrimsson und sprach tatsächlich von einem "Sieg".

Ronaldo, der mit seinem Team nicht gerade den Grundstein zum erhofften ersten EM-Titel seines Landes legte, war sichtlich frustriert. In einer Gemeinschaftsleistung mehrerer "Wikinger" war der Topstar des Events und dreifache Weltfußballer zumindest ein bisschen entschärft worden. "Island hat nichts versucht. Sie haben nur verteidigt, verteidigt, verteidigt und auf die Konter-Attacke gewartet. Es war eine glückliche Nacht für sie", erklärte Ronaldo und zeigte wenig Verständnis für die Freude des Gegners. "Wir sollten drei Punkte haben. Ich habe gedacht, sie haben die EM gewonnen, so wie sie am Ende gefeiert haben."

"Du kannst nicht auf einen Spieler bauen, um Typen wie Cristiano Ronaldo zu stoppen. Es ist unfair, einen Spieler abzustellen, also muss es eine Team-Aufgabe sein", erklärte Hallgrimsson.

Und er meinte auch, dass sein Team, das von rund 7.000 Isländern mit einprägsamen Rufen angefeuert wurde, nun einen Selbstvertrauensschub für das Samstag-Match gegen den überraschenden Gruppen-Leader Ungarn mitnimmt. Ein Sieg gegen die Magyaren könnte dem Außenseiter sogar eine gute Chance zum Aufstieg ins Achtelfinale geben.

Des Einen Freud, des anderen Leid. "Wir hätten mit kühleren Köpfen versuchen sollen, ein Tor zu schießen", sagte ein enttäuschter Portugal-Coach Fernando Santos. In den letzten zehn Minuten, als Portugal auf den Siegestreffer gedrückt hat, sei sein Team zu unruhig gewesen. "Wir hätten geduldiger sein müssen."

Nach dem 2:0-Sieg der Ungarn über Gruppen-Co-Favorit Österreich, sind nach dem ersten Tag der Gruppe F nun die Magyaren Gruppen-Leader - womit wohl kaum jemand gerechnet hätte. "Jeder hat erwartet, dass Österreich und Portugal gewinnen. Ich habe gesagt, dass das eine komplizierte Gruppe ist und die Dinge nicht so verlaufen wie geplant. Ich glaube, dass jetzt alles passieren kann", sagte Santos.

Doch Santos bleibt freilich vor dem nächsten Gruppenspiel gegen Österreich am Samstag (21.00 Uhr, Parc de Princes) zuversichtlich. "Das erste Match ist immer schwierig, aber das Team hat Selbstvertrauen", sagte der Coach. "Wir wissen, was wir wollen und ich bin absolut sicher, dass wir zurückschlagen werden und zwei großartige Matches spielen werden." Mit einem Ronaldo, der wohl sein 16. EM-Endrundenspiel bestreiten wird und mit Edwin van der Sar (NED) und Lilian Thuram (FRA) in der Bestenliste gleichziehen wird.